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§. 5. Während der Zeit des Vorlesens wird Stille und
Aufmerksamkeit empfohlen; von allgemeinen Vorlesungen darf
kein Zögling willkührlich wegbleiben.
§. 6. Unanständige Reden und Aeußerungen, zweideutige
Scherze und Witzeleien, Schmähungen über Vorgesetzte und
Obrigkeit, welche das Gefühl des Bessergesinnten beleidigen,
müssen auf der Stelle angezeigt werden, damit dem Aergerniß
abgeholfen werde, zumal wenn Mißbilligung und Abmahnung
vergeblich vorausgegangen sind.
§. 7. Bei pflichtmäßigen Anzeigen dieser Art wird aber
reine Wahrheitsliebe und Unpartheilichkeit von jedem Zöglinge
erwartet. Das nämliche gilt, wenn zur Beglaubigung der Wahr-
heit Zeugniß gefordert wird.
Beim Aus- und Ankleiden in den Schlafzimmern, sowie
im Bette selbst verletze kein Zögling das Gefühl der Scham-
haftigkeit.
Der lebhafte Gedanke an den gegenwärtigen Gott, und der
schreckliche Fluch, welcher in der heil. Schrift über den Aerger-
nißgeber ausgesprochen ist, muß jeden christlichen Jüngling und
jede christliche Jungfrau vor Verfündigungen dieser Art zurück-
schrecken, und innerhalb der Schranken der Zucht und Ehrbar-
keit erhalten.
8§. 9. Da Reinlichkeit des Herzens mit der Reinlichkeit
des Leibes in schöner Wechselbeziehung steht, so wird sämmt-
lichen Zöglingen hiemit nachdrücklichst aufgetragen, die körper-
liche Reinlichkeitspflege durch fleißiges Waschen der Hände und
des Gesichts, Kämmen der Haare, Ausspühlen des Mundes,
Reinigen der Zähne und Augen mit frischem Wasser, durch
Schonung der Kleider 2c. genau einzuhalten. Eben diese Rein-
haltung wird auch in Bezug auf Hausgeräthe, Bettfournituren,
Instrumenten, Arbeitswerkzeuge, Abritte 2c. nachdrücklichst em-
pfohlen.
§. 10. Eine für Blinde besonders wichtige Tugend ist die
Ordnungsliebe. — „Alles zur rechten Zeit und Alles am rechten
Orte“ — soll der Wahlspruch eines jeden Zöglings sein. Ord-
nung herrsche daher im Arbeiten, im Essen, im Schlafen, im
Ankleiden, in Erholungen, sowie im Arbeits-, Aufenthalts= und
und Schlafzimmer, in den Kleidungskästen und Schubläden.
Unordnung bereitet den Blinden tausend Beschwerden und Ver-