Abschriftsertheilung. 25
mehr im öffentlichen Interesse erfolgt. Hier ist die Ertheilung von Abschriften
ohne vorgängigen Antrag angeordnet in den 88 128, 134 und 166 der KO. In
dem Strafverfahren endlich ist zwar in gewisser Weise der Staatsanwaltschaft die
Verbindlichkeit auferlegt, auf den Fortgang der Untersuchung einzuwirken: es ist
ihr jedoch die wirkliche Stellung einer Partei nicht vindizirt, vielmehr dem Gericht
die Leitung der Sache überlassen. Dennoch sind die Fälle, in welchen es sich außer
bei Urtheilsausfertigungen um Ertheilung von Abschriften ex officio handelt, nur
selten. Sie treten ein im § 199, wo dem Angeklagten eine Abschrift der Anklage,
im § 277, nach welchem ihm, wenn er verhaftet ist, eine Abschrift der Spruchliste
der Geschworenen, und im § 409, nach welchem bei der Wiederaufnahme des Ver-
fahrens dem Antragsteller und dem Gegner eine Abschrift der Beweisverhandlungen
zuzustellen ist.
Auf den Antrag der Interessenten müssen im Allgemeinen Abschriften er-
theilt werden, soweit nicht die Gesetze solche ausdrücklich ausschließen. In Fällen
der nicht streitigen Gerichtsbarkeit richtet sich die Verbindlichkeit der Gerichte nach den
Landesrechten. In Preußen können sogar eine beglaubigte Abschrift fordern der
eingetragene Eigenthümer von dem Grundbuchblatt (§ 120 Grundbuch O.) und die ein-
gesetzten Erben von dem Testament (§ 227 Tit. 12 LR.) Im Civilprozeß find die
Parteien bezw. deren Bevollmächtigte berechtigt, sich Abschriften in jeder Form aus den
Prozeßakten durch den Gerichtsschreiber ertheilen zu lassen, und sind dieser Berech-
tigung alle in den Akten befindlichen Schriftstücke mit Ausnahme der Entwürfe zu
Urtheilen, Beschlüssen und Verfügungen, der zur Vorbereitung derselben gelieferten
Arbeiten und derjenigen Schriftstücke, welche Abstimmungen oder Strafverfügungen
betreffen, unterworfen (§ 272 CPO.). Zu den Parteien gehören die Haupt= und
Nebenintervenienten, sowie der Litisdenunziat, sobald er die Streitverkündung ange-
nommen hat, somit in den Prozeß eingetreten ist. Dieselbe Vorschrift gilt auch für
das Konkursverfahren, bei welcher jeder Gläubiger, der seine Forderung angemeldet und
sich dadurch auf das Verfahren eingelassen hat, die Rechte einer Partei im Sinne des
§ 271 cit. erlangt. Im Strafverfahren endlich bestimmt der §5 35 StrafsPO., daß
jede Person, welche von einer in ihrer Anwesenheit verkündeten Entscheidung betroffen
wird, eine Abschrift derselben verlangen kann. Die Vorschrift bezieht sich auch auf
diejenigen Personen, welche nicht als Angeklagte, Privatkläger oder Nebenkläger
auftreten, z. B. auf Zeugen und Sachverständige. Ferner verordnet noch § 290,
daß der Angeklagte im schwurgerichtlichen Verfahren eine Abschrift der gestellten
Fragen beanspruchen darf. Weitere Anordnungen hat die Straf PO. nicht getroffen,
und hat man daraus gefolgert, daß dem Vertheidiger das Recht nicht zustehe, Ab-
schriften aus den Akten zu verlangen. Allein der Schluß ist nicht zutreffend.
Soweit dem Vertheidiger das Recht der Akteneinsicht zusteht, ein Recht, mit welchem
die Befugniß verbunden ist, sich bei der Durchsicht Notizen zu machen, soweit muß er
auch für befugt erachtet werden, die Ertheilung einer Abschrift zu verlangen. Da
durch das ihm gewährte Recht der Akteneinsicht den Ansprüchen der Vertheidigung
genügt, gleichzeitig aber auch der Nothwendigkeit einer Beschleunigung des Ver-
fahrens Rechnung getragen wird, so kann dem Vertheidiger ein unbegrenztes Recht
der Abschriftenforderung nicht eingeräumt werden, ihm also die Möglichkeit nicht
gegeben werden, durch seinen — vielleicht die ganzen Akten umfassenden — Antrag
eine Verzögerung des Verfahrens herbeizuführen. Er hat daher seine Anträge
näher zu begründen, und unterstehen seine Gründe der Prüfung des Gerichts. Mit
dieser Maßgabe erkennen auch die Motive zur StrafPO. (S. 121) das Recht
des Vertheidigers auf die Ertheilung von Abschriften an und zwar mit dem Be-
merken, daß dem bestellten Vertheidiger die erbetenen Abschriften kostenfrei zu er-
theilen seien. Wie weit hiernach der Umfang des Rechts der Vertheidigung ist,
bestimmt sich nach dem Umfange des Rechts der Akteneinsicht. M
eves.