Full text: Rechtslexikon. Erster Band. Aagesen - Fungible Sachen. (2.1)

346 Betrug. 
das bezeichnete Verhalten, und zwar eines für das Verhalten des Getäuschten be- 
stimmenden Irrthums. B . ist daher ausgeschlossen, wo die entscheidende Handlung 
des letzteren der Wahrheitsentstellung vorangeht. Dies Erforderniß fehlt ferner bei 
der chikanösen Benutzung prozessualischer Formen zu ungerechtem Angriff oder un- 
gerechter Vertheidigung. — Daß die Wahrheitsentstellung (a) oder die Irre- 
führung (b) an sich als rechtsverletzend erscheine, ist nicht zu fordern. Ferner ist 
es nicht als ein selbständiges Erforderniß aufzustellen, daß die täuschende Hand- 
lung sich durch eine besondere Raffinirtheit auszeichne. Es genügt vielmehr auch 
eine einfältige Lüge, wenn nur durch sie die zum B. gehörige Verletzung (s. unten) 
vermittelt wird. 
Zum Verbrechenserfolg gehört eine Vermögensbenachtheiligung. 
Das Vermögen des Verletzten muß nach Vollendung der That einen geringeren 
Werth repräsentiren, als es repräsentirt haben würde, wenn der Andere sich der 
betrüglichen Einwirkung auf dasselbe enthalten hätte. Daher liegt in dem betrüg- 
lichen Realisiren einer Forderung (weil hier ein Aequivalent in der Tilgung des 
Rechtsanspruchs liegt) kein B. — In der Praxis hat man indeß vielfach das so 
bestimmte Erforderniß verleugnet. — Der Verlust muß Gegenstände betreffen, auf 
welche der Benachtheiligte ein Recht hat. Daher ist eine nichtige Forderung, eine 
gestohlene Sache . kein möglicher Gegenstand des B. — Die Benachtheiligung 
muß sich charakterisiren als ein positiver Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen. 
Daher bloße Omissivdelikte (wozu die Defraudationen zu rechnen sind) vom B. zu 
unterscheiden sind. — Ob ein Eingriff in die vermögensrechtliche Sphäre vorliege, 
beantwortet sich nach den Grundsätzen des Privatrechts. Täuschende Handlungen, 
welche nach diesen keine Verantwortlichkeit begründen, machen auch strafrechtlich 
nicht verantwortlich. — Die Vermögensbenachtheiligung wird vermittelt durch eine 
freiwillige Handlung des Getäuschten, durch welche der Gegenstand des Verbrechens 
in die Herrschaft des Täuschenden übertragen wird. Diese Handlung muß sich dar- 
stellen als eine Disposition über Vermögensrechte. Dieselbe kann sich auch auf 
künftig erst zu erlangende Sachen beziehen, insofern über dieselben bereits in der 
Form eines Rechtsgeschäfts wirksam verfügt werden kann. Durch diese freiwillige 
Verfügung über den Gegenstand des Deliktes wird der B. gegen die übrigen gewinn- 
süchtigen Eigenthumsverbrechen, insbesondere gegen Unterschlagung und Erpressung 
abgegrenzt. — In engem Zusammenhange mit diesem Merkmale steht die Voraus- 
setzung, daß der durch die fraudulöse Handlung Getäuschte und der durch sie Be- 
nachtheiligte entweder eine und dieselbe Person sein, oder in einem solchen Rechts- 
verhältnisse zu einander stehen müssen, daß der erstere über betreffende Vermögens- 
rechte des letzteren wirksam disponiren kann. Dagegen Preußen, Oesterreich, Bayern, 
Sachsen. — Die Freiwilligkeit der Veräußerung ist dahin zu verstehen, daß die 
letztere ihre Erklärung nicht in Zwang und Furcht, sondern in einem die verletzende 
Qualität derselben verbergenden Irrthume finden müsse. Darin liegt, daß der Irr- 
thum sich auf die Existenz oder Erreichbarkeit des Gegenwerthes beziehen müsse, mit 
Rücksicht auf welchen die Veräußerung erfolgt. Hierdurch werden zahlreiche Fälle 
ausgeschlossen, bei welchen sich die Täuschung nicht auf die ausbedungene oder 
vorausgesetzte Gegenleistung, sondern lediglich auf die Motive bezieht, welche den 
Getäuschten zum Eingehen auf ein an sich für ihn nicht nachtheiliges Geschäft be- 
stimmt haben. — Wo dem Getäuschten ein vermögensrechtliches Aequivalent für 
den in Aussicht gestellten, entweder nicht existirenden, oder für jenen nicht erreich- 
baren, Gegenstand zur Verfügung steht, liegt das Verbrechen nicht vor. Ein solches 
Aequivalent ist auch in der Existenz einer realisirbaren, auf das Interesse an der 
von dem Täuschenden in Aussicht gestellten Leistung gehenden Forderung gegeben. 
Der B., welcher sich seiner Natur nach der Formen des Vertrags bedient und 
damit in das von der Cioviljustiz beherrschte Gebiet eintritt, fordert eine straf- 
rechtliche Ahndung nur dort, wo er darauf gerichtet ist, die von der letzteren ge- 
botenen Garantien der vermögensrechtlichen Integrität illusorisch zu machen, wo
	        
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