Beweis. 357
gelegte B. zu verstehen, unter Gegen-B. der daselbst vorbehaltene B. Und im
neuen Prozeß unter Haupt-B. die B.führung derjenigen Partei, welche im kon-
kreten Fall- beweispflichtig ist, unter Gegen-B. die B. führung ihres Gegners.
In der Regel ist der Haupt-B. freilich der B. der Klage oder Einrede
(also der B. der Wahrheit eines selbständigen Angriffs oder Gegenangriffs, wie ihn die
neuere Doktrin definirt). Ferner ist der B. der Einrede auch bei widersprochener Klage
ein Haupt-B. (obgleich er dann nur eventuell nothwendig ist), weil er im Inter-
lokut aufgelegt und die Bllast hierüber den Beklagten trifft. Allein der Haupt-B.
kann auch der B. der Unwahrheit der Klage oder Einrede sein, wenn
diese durch eine Rechtsvermuthung liquid ist (weil er dann absolut nothwendig ist,
also, wie die ältere Doktrin definirt, derjenige B. ist, mit dem eine Partei zuerst
hervortreten muß, wenn sie nicht sachfällig werden will).
Lit.: Seyfart, Deutsch. Reichsprozeß, c. 20 & 11. — Fr. Cohn, Diss. inaug. jur.
ekhib. selecta cap. proc. de probat. et reprobat, Erlangen 1782. — v. Gönner, Hdb.,
Arbol. 4 5l Li i derin Abhdl.#1. S#ft. ö Mitter maier zim, Archiv. f. civ.
Meine Ges Abhdl. S. 132 ff. 9 zrsf von Haupt= und Gegen B.e
Unter Gegen-Beweis versteht man jenen B., wodurch das Zu-
stan dekommen oder die Wirksamkeit des Haupt-B. ganz oder theilweise
verhindert werden soll. Der Gegen-B. ist daher doppelter Art, denn er be-
zieht sich entweder: 1. auf die gegnerischen Bmittel, bekämpft also deren Zu-
lässigkeit oder Glaubwürdigkeit. Oder er bezieht sich: 2. auf den gegnerischen
B satz, sucht also die Unwahrheit desselben darzuthun. Der erstere ist immer ein
künstlicher Gegen-B.; der letztere kann sowol natürlich, als künstlich geführt wer-
den und verdankt seine Fixirung und Ausbildung dem schriftlichen Prozeß. Er war
san dem Altdeutschen R. unbekannt, und wird auch im Röm. R. nur selten
erwähnt.
Da im neuen Prozeß der Gegen-B. (wie der Haupt-B.) ohne richter-
liche Dazwischenkunft angetreten wird, so kann von einer Aufforderung ad repro-
bandum und von einer Reprobatorialfrist keine Rede sein. Daß aber hierdurch der
Begriff des Gegen-B. seine Bedeutung und Berechtigung verliere, daß hiermit
eine Theorie des Gegen-B. unvereinbar sei und daher in Wegfall komme,
wie die Motive zu den §§ 236 —240 des Entwurfs der CPO. sagen (und
die Kommentatoren Struckmann-Koch, L. Seuffert rc. mit ihnen), das ist meines
Erachtens nicht richtig und wird durch die zahlreichen, auch nach Einführung
der CPO. geltenden Dogmen widerlegt, welche die gemeinrechsliche Doktrin über den
Gegen-B. aufgestellt hat. Bezüglich dieser Dogmen ist zwischen beiden Arten
des Gegen-B. zu unterscheiden.
A. Was zunächst den gegen die B.mittel gerichteten Gegen-B. betrifft, so
kann derselbe durch alle B.mittel und gegen alle geführt werden. Auch findet
dagegen eine Antireprobation statt (die Glaubwürdigkeit der Reprobatorialzeugen
kann ebenso angefochten werden, wie jene der B.zeugen). Nur bei den quali-
fizirten Rechtsvermuthungen (oder praesumtiones juris violentae) (3z. B.
bei der Rechtsvermuthung, pater est, quem nuptiae demonstrant) ist unser Gegen-
B. beschränkt. Vgll. mein Handbuch, S. 505 ff. Note 8. "
,B. Ueber die zweite Art des Gegen-B., den sog. Unschulds-B., welcher
gegen den B.satz gerichtet ist, gelten im alten und neuen Prozeß folgende
Dogmen:
1. Was seine Zulässigkeit betrifft, so ist er in der Regel gestattet, gleich-
viel durch welche B. mittel der Gegen-B. geführt wird. Ausgeschlossen ist er jedoch
gegen den Inhalt einer praesumtio juris et de jure, vgl. Einführungsgesetz
zur CPO. § 16, Nr. 1. Abs., Bayer S. 717, ebenso gegen den Inhalt eines
gerichtlichen Geständnisses, der Notorietät, des Augenscheins