Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

606 Balern. Kammer der Abgeordneten. 
weshalb denn Baiern wegen einer mäöglicherweise Ende Dezember 1877 dro- 
henden Gefahr jetzt schon seine politische Eristenz wegwerfen und ein Ver- 
tragsverhältniß eingehen soll, welches gleichbedeutend ist mit unserer Media- 
tisirung. Nun, meine Herren, mache ich mir aber selbst einen Einwurf. Ich 
habe den Ausdruck „Mediatisirung“ gebraucht. Habe ich vielleicht zu 
viel damit gesagt, wenn ich gesagt habe, diese Verträge nach ihrem In- 
halte, nach ihren unvermeidlichen Consequenzen wären identisch mit unserer 
Mediatisirung? Bis in die Zeit vor dem Kriege und auch noch bis in den 
Monat September hinein war es ein von der k. Staatsregierung festgehal- 
tenes Prinzip der baierischen Politik, ja war es ein selbst vom Fürsten von 
Hohenlohe Durchlaucht acceptirtes und hier wiederholt feierlich rerkün- 
detes Ariom der baierischen Politik, daß der Nordbund „eine so entschiedene 
Hinneigung zum Einheitsstaat" bekunde. daß ein Zntritt Baierns ohne 
wesentliche Aenderung an der Verfassung dieses Bundes, d. h. ohne Aende- 
rungen, welche geeignet wären, die Hinneigung zum Ginheitsstaat, die uni- 
tarische Tendenz abzustumpfen — schlechterdings unmöglich wäre. Nun meine 
Herren, ein großer Theil meines Referates ist dem Nachweise gewidmet, daß 
solche Aenderungen an der Nordbundverfassung durch die vorliegenden Ver- 
träge nicht erreicht sind. Man hat uns auch im Ausschusse wesentliche Aende- 
rungen dieser Art nirgend zu zeigen vermocht. Das Minoritätsgutachten 
besagt auch nichts davon. Das Minoritätsgntachten müßte ja sonst, wem 
man gewissen Organen trauen darf, solche prinzipielle Aenderungen segar 
auf das Tiefste beklagen. Das Minoritätsgutachten hat einen anderen Ver- 
such gemacht; es hat einen Versuch gemacht, von dem ich bei aller meiner 
Bescheidenheit sagen zu dürfen glaube, daß er ein unglücklicher gewesen sei. 
Das Minoritätsgutachten hat die Behauptung zu widerlegen versucht, daß 
die Opfer, welche uns durch die vorliegenden Verträge zugemnthet werden an 
Kromechten, an Landesrechten, an Freiheiten unseres Volkes, nicht nur ge- 
bracht werden müßten zu Gimsten eines mit Naturgewalt werdenden Ein- 
heitsstaates sondern auch zu Gunsten der absoluten Militärmonarchie Preußen. 
Meine Herren, erwägen Sie, was ich in meinem gedruckten Berichte gesagt 
habe, und sagen Sie dann: habe ich denn wirklich blos gedichtet, wem 
ich in meinem Referate gesagt habe: daß durch die vorliegende Verfassung 
„nach zwei Seiten hin Zustände der Nordbundverfassung in die Deutsche 
Bundesverfassung herübergenommen seien, in welchen der Ausfluß des abse- 
lutistischen Geistes und das charakteristische Merkmal des Militärstaates nicht 
zu verkennen seien." Oder hat der sehr verehrte Herr Referent der I. 
Kammer’) gedichtet und hat er die Umwahrheit gesagt, wenn er in ähulicher 
Weisc erklärt: „in den betreffenden Bestimmungen der Bundesverfassung, durch 
welche die von den einzelnen Regierungen aufzugebenden Rechte nicht auf 
den Bundesrath, und auf den Reichstag sondern zum größten und wichtig- 
“) S. unten.
	        
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