Full text: Deutsches Kolonialblatt. II. Jahrgang, 1891. (2)

Masinde, den 8. März 1891. 
Ew. Excellenz melde ich ganz gehorsamst, 
daß ich am 11. Februar d. J. von Moschi 
gegen den Häuptling Sinna aufgebrochen bin. 
Sinna hatte, wie bereits früher berichtet, osten- 
tativ die deutsche Flagge niedergeholt und an 
ihrer Stelle die rothe Flagge des Sultanus von 
Sansibar gehißt; er hatte ferner eine friedliche 
Landschaft, welche unter dem Schutze der 
deutschen Flagge stand, übersallen, ausgeplündert 
und einen Theil der geraubten Menschen an 
Stklavenhändler vertauft und allen Warnungen 
und Drohungen meines Stationschefs von 
Moschi Hohn gesprochen. Sinna war 
überhaupt im Laufe der letzten Jahre eine 
Geißel der Bewohner des Kilima Ndscharo= 
gebietes geworden und höhnte über die Macht 
der Weißen, die er erst sehen müsse, bevor er 
an sie glanbe. Meine Truppe in Sltärke von 
einer Kompagnie Sudanesen, zwei Kompagnien 
Sulus mit einem 4,7 cm Geschütz und dem 
Maximgun hatte ich zwecks Ausnutzung 
eines eventuellen Sieges, sowie besonders um 
einen Präcedenzfall zu schaffen, daß die uns 
befreundeten Eingeborenen mit uns zusammen- 
kämpfen, durch 100 Dschaggakrieger, die der 
Häuptling Mandara siellte. verstärkt. 
Nach einem Tagemarsch längs des Süd- 
abhanges des Kilima Ndscharo stieg ich durch 
ein reich bewässertes, äußerst fruchtbares Gebiet 
die Hänge des Gebirges hinauf. Gegen Mittag 
des zweiten Marschtages stieß ich auf die Vor- 
posten des Häuptlings Sinna; 2 Mann 
wurden überrascht, gesangen und zur weiteren 
Führung gezwungen. Nach weiterem ein- 
stündigen Marsche durch dicht bevölterte, jetzt 
aber flüchtig geräumte, reich angepflanzte 
Höhenzüge, gelangte ich an einen übersichtlichen 
Bergzug, dessen Rückenlinie von einem tiefen 
Graben gelrönt war. Ningsum hallie das 
Gelände wider von dem Kriegegeschrei der 
Waliboscho, die, zum Theil noch ihr Vieh vor 
sich hertreibend, alle nach einer weiter gelegenen, 
mit Bananen dicht bestandenen Höhe, auf deren 
Kuppe die rothe Flagge wehte, im vollen 
Kriegsschmuck zueilten. Ein hestiges Feuer 
aus dem erwähnten Graben, das mich zur 
Entwickelung zwang, verschaffte dem von allen 
Seiten herbeieilenden Feind Zeit, sich zu sammeln. 
Nach lurzem Feuergesecht schickte ich die Teten- 
kompagnic vor, und nahm dieselbe mit dem 
Bajonctt den vom Feinde bis auf die nächste 
Annäherung der Kompagnie gehaltenen Graben; 
der Feind trug einige Todte und Verwundete 
mit sich, verschwand aber sehr bald in dem 
vorerwähnten dichten Bananenwald. Ich zog 
meine Truppe zusammen, ließ die Trägerlolonne 
mit ihrer Bedeckung im Graben Stellung 
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nehmen, befahl den Wadschagga-Kriegern, sich 
auf der weiter rückwärts liegenden Höhe zu 
klonzentriren, und ging zum Angriff auf den 
vorliegenden, vom Feinde, nach dem betäuben- 
den Kriegsgeschrei zu urtheilen, stark besetzten 
nächsten Höhenzug über. Schon jetzt wurde 
es mir klar, daß ich über die Stellung des 
Feindes durchaus falsch berichtet war. Ohne 
auch nur einen Menschen zu sehen, erhielten 
wir aus den Bananenpflanzungen ein wie ge 
wöhnlich schlecht gezieltes, aber heftiges Feuer; 
ein Sudanese ficl, ein Europäcr und ein Sulu 
wurden verwundet. 
Ich dirigirte mich mit zwei Kompagnien 
gegen den höchsten Punkt der Anhöhe, während 
die dritte Kompagnie in meiner linken Flanke 
auf die voraussichtliche Rückzugslinie des Feindes 
nach dem Gebirge zu vorging. Da ich nach 
Meldungen annehmen mußte, daß das Terrain 
um die weiter vorwärts liegende Boma des 
Häuptlings Sinna frei sei, nahm ich die Ge- 
schütze mit mir — leider sollten mir dieselben 
in dem denkbar ungangbarsten Terrain noch 
manche Schwierigteiten bereiten. Der Bananen= 
wald war vom Feind geräumt und wimmelte von 
Rindvieh, das die sich nach der Boma Sammeln- 
den nicht schnell genug hatten forttreiben können. 
Ich stand plötlich vor einem 3 u breiten und 
6m tiesen Graben, der sich rings um die 
Anhöhe zog: das Gelände war so dicht be- 
wachsen, daß die Truppe hier und dort aus 
einer Eutsernung von einigen Schritten Feuer 
erhielt. Lebhaftes Feuern links zeigte, daß 
auch die detachirte Kompagnie auf Widerstand 
gestoßen war. Da durch einige Verwundete 
unser Vormarsch sehr aufgehalten wurde, so 
ließ ich dieselben unter dem Schutee einer Ab- 
theilung am Graben zurück. Nicht ohne Mühe 
ward letzterer überbrückt und überschritten. 
Wir gelangten jenseits in ein jeder Beschreibung 
spottendes Gewirr von Hecken, Pallisaden, 
Verhauen und Gräben; jedes einzelne kleine 
Gehöft war stark besestigt, und, wie sich später 
herausstellte, war das besonders stark ver- 
barriladirte Gehöst des Häuptlings auf etwa 
100m im Radinus von solchen Befestigungs- 
abtheilungen umgeben. Eine Uebersicht über 
die Truppe war ausgeschlossen; man sah nur 
den Mann vor sich und hinter sich, denn im 
Gänsemarsch mußte sich die Kolonne, von rechts 
und links von unsichtbaren Feinden beschossen, 
durch die Hecken ihren Weg bahnen oder in 
gebückter Stellung durch die schmalen Pforten 
drängen. So eingepfercht war oft die Schritt 
für Schriti vordringende Truppe, daß ein 
Snulu einen Speerstich erhielt von einem Feinde, 
den er nicht sehen konnte. Unter diesen Um 
ständen war die einzige Maßnahme, welche
	        
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