Full text: Deutsches Kolonialblatt. II. Jahrgang, 1891. (2)

Titterarische Besprechungen. 
Das „Archiv für Oeffentliches Recht" 
von Laband und Stoerl enthält im zweiten 
Heft des laufenden Jahrganges einen längeren 
Aufsatz von Dr. R Adam in München über 
„Völkerrechtliche Ollupation und deutsches 
Kolonialstaatsrecht"“. Der Verfasser bespricht 
darin die friedliche Oklupation und be 
handelt zunächst das Subjekt derselben. Er 
vertritt dabei die neuerdings geltend gemachte 
Lehre, daß bloße Privatpersonen in staatenlosen 
Gebieten staatliche Hoheitsrechte durch Ollu- 
pation erwerben können, daß sie daher in ge- 
wissem Umfang mit den Staaten als 
des Völkerrechtes konkurriren können. 
wohl hält er an der bisherigen 
weit sest, als er nur die Staaten als die voll- 
Gleich- 
248 
Subjelten 
Doktrin inso= wi 6 
Hiervon ausgehend, 
berechtigten Subjekte des Völkerrechtes anerkennt 
und zugiebt, daß Private diese Eigenschaft für 
das von ihnen beherrschte Gebiet erst dann 
erlangen, wenn das letztere als 
Staatengemeinschaft durch Anerlennung Auf— 
nahme gefunden hat. Auf das Obiekt der 
Oklupation übergehend, slellt er den Grundsatz 
auf: „Der völterrechtlichen Ollupation unter 
liegt alles Landgebien, gleichvicl, vb unbe- 
wohnt oder bewohnt, welches nur nicht 
der staatllichen Herrschaft eines zivilisirten 
Staates oder zivilisirter Einzelindivi- 
duen bezw. Gesellschaftsverbände untersteht.“ 
Es würde sich also hieraus die Folgerung er 
geben, daß ein „zivilisirtes Einzelindividuum“, 
welches das Gebiet eines unzivilisirten Häupt= 
lings olkupirt hat, sich gegen die Oltupation 
eines Dritten aus völkerrechtliche Grundsätze 
würde berufen können. 
Der Versasser geht dann näher auf den 
Alt der Oklupation ein und bedauert insbe- 
sondere, daß durch Artikel 35 der Longo-Akte 
lein einheitliches Recht geschaffen sei. Indem 
derselbe die Esscktivität nur für die Ge- 
bietsbesetzung, nicht für die Begründung 
des Prolektorates als wesentliches Ersorderniß 
ausstelle, könne die Verpflichtung zur effettiven 
Oklupation durch die Erllärung umgangen 
werden, daß cs sich im lonkreten Falle nur 
usm eine Begründung der Schuzherrschaft han- 
dele. 
Staat in die 
Ernst Vohsen. Ein Kolonial-Programm 
für Ost-Afrika. Berlin, F. Fontanc. 
1891. Preis 50 Pfennig. 
Der Verfasser, welcher durch seine lang- 
jährige Thätigkeit in West= bezw. Ost-Afrika 
reiche Erfahrung in afrikanischen Dingen sich 
erworben hat, legt in der vorstehenden, 24 Seiten 
usfassenden Schrift seine Auffassung über die 
Entwickelungsfähigkeit unserer ostafritanischen 
Kolonic, sowie über die Aufgaben der Ver- 
waltung derselben dar. Zu ersterer Hinsicht 
jführt er aus, daß unserer Kolonic weder von 
Sansibar noch von den angrenzenden kontinen- 
lalen Gebieten eine Gefahr im wirthschaftlichen 
Wettbewerbe drohe. In lesßterer Bezichung 
siellt er als Grundsatz auf, daß unsere Ver- 
waltungsthätigkeit der Ausdehnung der Ge- 
winngrenzen unseres Handels folgen müsse. 
unterscheidet er zwischen: 
1. dem Küstenland in der Ausdehnung land- 
einwärks, soweit als die Gewinngrenzen für Kul- 
luren der Eingeborenen gegenwärtig reichen und 
die Aus Süübung unserer Gerichts barkeit durch 
führbar ist. Hier wären ein Hauptbezirt in 
Dar es Salaam und Nebenbezirke in Tanga 
bezw. Lindi zu schaffen, welche dem freien Ver- 
lehr mit dem Auslande zu öffnen wären und 
von welchen aus die übrigen Küstenstationen 
zu verwalten seien. Leßtere würden auf den 
interkolonialen Vertehr zu beschränken sein; 
2. dem übrigen Interessengebiel, welches in 
besondere Bezirke unter politische Agenten zu 
theilen sei. Die Thärigkeit der letzteren müsse 
insbesondere in dem Abschluß von Verträgen 
zur Ossfenhaltung der Karawanenronten, der 
Förderung von Kuliuren und der Bericht- 
" erstatlung an die Centrale über alle die Ent- 
Zum Schluß bespricht der Verfasser die 
Stellung der Häuptlinge und der privilegirten 
Kolonialgesellschaften. Beide betrachtet er nur 
als Organe des Reiches, welchen die in Ver 
trägen bezw. Schutzbriefen zur Ausübung über- 
tragenen Hoheitsrechte jederzeit entzogen werden 
lönnen. 
wickelung der Produktion fördernden Fragen 
bestehen. Dagegen hält er es für verfehlt, die 
Häuptlinge zur Führung der deutschen Flagge 
zu veranlassen, sich in ihre innere Verwaltung 
einzumischen oder militärische Stationen in ihren 
Gebieten anzulegen, so lange ihre Länder noch 
nicht durch den Bau von Eisenbahnen in die 
Gewinngrenzen unseres Handels hineingezogen 
und durch eine schnelle und sichere Verbindung 
mit der Küste die Vorbedingungen für die Er 
haltung und Vertheidigung der Stationen er- 
füllt seien. 
In ersiter Linie empfiehlt er die Herstellung 
iner Eisenbahn nach dem Viktoria Nyanza, für 
welche er eine Rentabilitätsberechnung ausstellt. 
Die Bemerlungen des Verfassers über die Art 
der zu erhebenden Stenern, Zollverwaltung, 
Handel, Plantagenanlagen, Produktion, die Be 
dentung der Eisenbahnen gegenüber der Fluß. 
schisssahrt in Afrila u. u. verdienen, wenn sie
	        
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