Full text: Deutsches Kolonialblatt. III. Jahrgang, 1892. (3)

die Flügel selbstherrlicher Freiheit etwas be- 
schnitt, und deren Nutzen sie vorerst bei nur 
empfundenen Lasten nicht einsahen, auf der 
Veranda ihrer Faktoreien und schauten trüben 
Blickes auf die jetzt so verhältnißmäßig still 
daliegenden großen Höse hinab, die sonst vom 
Getöse des Handels erschollen. 
Und doch hatten sie ein gut Theil Schuld 
an dieser unerquicklichen Erscheinung. Gewinn= 
reiche Zeiten hatte man unbenutzt dahinstreichen 
lassen, ohne daß auch nur Einer daran gedacht 
hätte, einen Theil des reichlichen Ueberschusses 
zu Einrichtungen zu verwenden, deren Wirkung 
für die Zukunft berechnet war, wenn es galt, 
einen Ersatz für die verminderten oder gänzlich 
versiegten Handelsprodukte zu schafsen, oder 
sonst zu erwartenden Handelskrisen, auf eigenen 
Füßen slehend und im Lande wurzelud, mit 
Erfolg gegenüber zu kreien, sie zu überdauern. 
Es hatte den alten Kongomännern jene vor- 
ausschauende konsequente Wirthschaftspolitik ge- 
jehlt, welche auf die Dauer in ihrer ganzen 
Tragweite aufzustellen und durchzuführen nur 
im Stande ist entweder eine mit Regierungs- 
vollmacht versehene große Handelsgesellschaft 
oder eine Regierung selbst; daß ich erstere 
Form bei der Gründung von Kolonien im An- 
fange wenigstens für das Zweckgemäßere und den 
für den Staat billigsten Weg finde, später zu 
Kolonien zu kommen, will ich nach meinen 
Erfahrungen in Englisch-Adamana nebenbei 
bemerken. 
Wenn nnn die jetige Regierung des 
Koungostaates an den Folgen des von jeher 
in Afrika so beliebten Raubbausystemes, gleich- 
viel ob durch Schwarze oder Weiße, zu leiden 
hat und an lostspielige Heilung der dadurch 
verursachten Schäden denken muß, will sie 
nicht eines schönen Tages in ernstliche Schwierig- 
keiten gerathen, so stehen wir dagegen in 
Kamernn, wenn ich mich so ausdrücken darf, 
noch im „goldenen“ Zeitalter mit wohlbegrün- 
deter Aussicht, der Eutwicklung unserer Kolonie 
noch bei Zeiten die Wege vorschreiben zu können, 
welche dieselbe für spätere Zeiten als ein ge- 
lungenes, gesundes Staatsunternehmen erscheinen 
läßt; dem Kolonien muß man vom Geschäfts- 
standpunkte aus aussassen und betrachlen. 
Weinn ich vorhin sagte, daß wir in Kamerun 
im goldenen Zeitalter stehen, so ist dieses in 
kolonialem Sinne insofern richtig, als die junge 
Kolonie ihre Unkoslen selbst aufzubringen im 
Stande gewesen ist. 
Daß dem so ist, verdanken wir nicht allein 
der dadurch dolumenlirten Lebensfähigkeit an 
und für sich, sondern auch den Verwal- 
tungsmaßregeln, welche in Verbindung mil 
den günstigen Verhältmissen Kameruns erster 
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Gouverneur, Freiherr von Soden, mit 
selten glücklichem Griffe zu kressen ver- 
standen hat. 
Zunächst ist ein von Tag zu Tag sich mehr 
entwickeluder, die Einnahmen der Kolonie für- 
dernder Handel derjenige Punkt, welcher 
vollste Beachtung verlangt. Noch sind die Er- 
zeugnisse des Kamerungebictes so reichlich, noch 
entspricht die Nachfrage ihrem Vorhandensein 
durchaus nicht, so daß es zunächst Ausgabe 
der Regierung ist, die Entwicklung des Handels 
zu beschleunigen und in die richtigen Bahnen 
zu leiten. 
Dank den Expeditionen, deren Aussendung 
das auswärtige Amt seit einigen Jahren in 
die Hand genommen hat, sind wir heutigen 
Tages über die praktisch für uns in Betracht 
kommenden Hinterländer insoweit genügend 
unterrichtet und bekannt mit denselben, daß der 
zur Zeit schon wankend gewordene Allein- 
handel der Küstenstämme als in seinen Grund- 
festen erschüttert angesehen werden kann. Wäh- 
rend indessen die Forschungsexpeditionen 
theils auf friedlichem, theils auf kriegerischem 
Wege, ohne direkte Handelsinteressen zu ver- 
folgen, ihren Fuß über den Kopf der eifer. 
süchtigen Zwischenstämme ins Innere gesetzt, 
und unter den über dieses Treiben erstaunten 
Eingeborenen festen Halt gefunden haben, blieb 
es den Handelsexpeditionen vorbehalten, 
durch die seitens der Forschungsexpeditionen 
geschaffenen Breschen den Handel zur Küste zu. 
leiten. 
Wenn je eine Verordnung des Kaiserlichen 
Gouvernements von weittragender Bedeutung 
war, so ist es jene so vielbesprochene Mono- 
polverordnung, welche als fundamental 
zu bezeichnen sür die jetzige Handels-Aera ich 
keinen Anstand nehme. Denn durch diese 
Monopolverordnung wurden im nördlichen wie 
im südlichen Theile des Schutzgebietes deutsche 
Firmen veranlaßt, ihre Handelsexpeditionen 
allerdings zunächst in Aussicht und Absicht auf 
eigenen Gewinn unternehmen zu lassen. Aber 
man wird nicht fehlgehen, zu behaupten, daß 
der erste Gouverneur von Kamerun beim Erlaß 
dieser Verordnung daran am allerwenigsten 
dachte. Daß diejenige Firma, welche auf Grund 
des ihr gewährten Monopols ins Innere 
Zing, Aussichten auf reichlichen Gewinn hatte, 
war selbstverständlich; daß dadurch schon er- 
höhle Zolleinnahmen geschaffen wurden, war 
ebenso wahrscheinlich. Indessen die Verord- 
nung zielle weiter, und deshalb ist dieselbe 
nichts weniger als ein Unglück für die Ko- 
lonic: sie trieb die Kaufleute ins Innere und 
dadurch, daß die Karawanen derselben die 
Wege beschritten und öffneten, Stationen an
	        
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