Full text: Deutsches Kolonialblatt. III. Jahrgang, 1892. (3)

des Dampfers „Pfeil“ in unzerlegtem Zustande 
um die Shirefälle herum ein auf verlegbarer 
Schienenbahn laufender, besonders für diesen 
Zweck konstruirter Wagen vorhanden. 
Von den von der Deutsch-ostafrikanischen 
Küste nach dem Viktoriasee abmarschirten Ex- 
peditionen des Antisklaverei-Comits hat die- 
jenige des Dr. Baumann den See zuerst 
und zwar am 12. April 1892 nach noch nicht 
dreimonatlichem Marsch erreicht, obwohl die 
Expedition nicht den direkten Weg genommen, 
sondern einen sehr erheblichen Umweg dadurch 
gemacht hatte, daß sie um den ganzen Man- 
jarasee von Norden nach Süden auf der Ost- 
seite und von Süden nach Norden auf der 
Westseite herum marschirt war. 
Die von Dr. Baumann eingesendeten 
Berichte gaben ein ganz neues Bild von dem 
bisher unbekannten und für eine große wasser- 
arme Steppe gehaltenen Lande zwischen dem 
Kilimandjaro und dem Viktoriasee. Nach 
Dr. Baumann ist dasselbe ein außerordentlich 
gVesundes Hochplateau, in welchem die Expedition 
mehr unter zu niedriger, als unter zu hoher 
Temperatur zu leiden gehabt hat und vom 
Fieber vollständig verschont geblieben ist. 
Zahlreiche Flüsse durchströmen das Land 
und münden in Salzseen, deren Vorhandensein 
bisher zumeist noch wenig bekannt war. Der 
hrößte derselben, der Eiassi-See, an dessen nörd- 
lichem etwa 40 km breiten Ende die Expedition 
entlang zog, soll sich gegen 150 km nach Süden 
erstrecken und dürfte den bisher in seinem 
unteren Lauf unbekannten Wembäre in sich 
aufnehmen. Charakter und Bevölkerung lassen 
das Land als einen sehr werthvollen Theil 
Deutsch-Ostofrikas erscheinen und eröffnen die 
Möglichkeit für die Herstellung einer neuen 
Verkehrsstraße von der Küste zum Viktoriasee, 
welche um mehr als ein Drittel kürzer sein 
würde, als die gegenwärtig von den Kara- 
wanen benutzte über Mpwapwa — Tabor füh- 
rende Straße. 
Die ausgezeichuete Fähigkeit Dr. Bau- 
manns in der Expeditionsführung, seine um- 
fassenden Kenninisse und seine scharfe wissen- 
schaftliche Beobachtungsgabe lassen aus seiner 
weiteren Durchforschung der östlichen Küsten- 
länder des Viktoriasees und der Gebiete zwischen " 
Tabora und Korogwe, durch welche er seinen 
Nückmarsch nach der Küste nehmen soll, 
jeder Beziehung einc reiche Ausbente für die 
Wissenschaft und die allgemeine Keuntniß des 
Landes sicher erwarten. 
Die Expedition des Barons Sischer hat 
gleichsalls und zwar am 4. Mai d. J. den 
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Viktoriasee erreicht, an welchem Tage sie wohl- 
behalten in Ukumbi angekommen ist. 
Da derselbe zum Theil durch bisher noch 
nicht näher erforschte Gegenden gezogen und 
den ganzen zurückgelegten Weg kartographisch 
aufgenommen hat, so hat auch diese Expedition 
bereits zur Erweiterung unserer geographischen 
Kenntniß des Landes beigetragen. Inzwischen 
dürfte der Baron die beiden von der Expe- 
dition mitgeführten grosen 10 und 12 m langen 
Segelboote zusammengesetzt und mit der Ver- 
messung und Erforschung des Sees begonnen 
haben. 
Auf dem Marsch der Expedition zum 
Sce, welcher ein äußerst schwieriger gewesen 
und auf dem mehrfach ernste Gefechte zu be- 
siehen waren, haben sowohl der Baron Fischer“) 
als auch der ihm beigegebene Lieutenant Meyer 
9großes Geschick und Umsicht an den Tag 
gelegt. Verständiges Auftreten im friedlichen 
Verkehr mit den Eingeborenen dürfte nicht 
Ü weniger zur Hebung des deutschen Ansehens 
# und Festigung der deutschen Herrschaft beige- 
  
tragen haben, als ihr energisches und erfolg- 
leiches Einschreiten, wenn es sich handelte, 
mit den Waffen den Eingeborenen entgegen- 
zutreten und Angrisse abzuwehren und zu 
bestrafen. 
Eine gleiche Anerkennung zollt die Aus- 
führungskommission dem Kapitän Spring, 
welcher zur Unterstützung des Barons Fischer 
bei der Aufnahme und Erforschung des Viktoria- 
sces im Dezember 1891 aus Deutschland nach- 
gesendet worden war und mit der Borchert-- 
schen Expedition im Januar 1892 zum See 
hinaufgehen sollte. Da der Abmarsch der 
letzteren sich aber mehr und mehr verzögerte, 
so hatte der Generalvertreter der Kommission 
in Bagamoyo dessen Abmarsch mit einer Gou- 
vernementskarawane angeordnel, welche am 
2. Febrnar von der Küste aufbrach und 
seiner Führung vom Gouverneur anuvertraut 
worden war. Er hatte mit derselben bereits 
am 9. Mai trotz der großen Erschwernisse, 
welche die große Regenzeit und der Mangel 
einer militärischen Begleitung seinem Moarsche 
bereiteten, Tabora erreicht und nach dem Urtheil 
sowohl des bisherigen Chefs von Tabora, 
Lieutenant Sigl, als auch des jebigen Chefs 
Dr. Schwesinger sich seiner Aufgabe bis 
dahin in musterhafter Weise entledigt. 
Oscar Borchert wurde dagegen in der 
Nähe von n Mpwapwa durch Krankheit genöthigt, 
) Leider ist kürglich die schmerzliche Nachricht 
eingetroffen, daß der verdienstvolle Forscher am 
d. . in Njegesi am Viktoria-See ver- 
1 storden ist. 
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