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allgemeine Bestürzung hervor. Die Betroffenen er-
gaben sich, so sehr man ihnen die Angst über das
ihrer wartende Loos ansehen konnte, gefaßt in ihr
Schicksal, Puli, welcher mit einer Mütze bedeckt und mit
einer Schnürjacke bekleidet war, entledigte sich beider,
um auf alle Fälle diese Werthstücke seinen Angehörigen
zu erhalten.
Die Weiber schleppten eine Menge Tauschobjekte
heran: Schildpattschmuck, Matten, aufgereihte Muscheln
(wohl die Stelle des Geldes vertretend) u. s. w. und
hatten offenbar kein Verständniß dafür, daß das
Verhalten der Verhafteten nicht durch solche Werth-
objekte sollte gesühnt werden können und diese zurück-
gewiesen wurden.
Bei unserem Fortgang spielten sich geradezu er-
greifende Scenen ab: Zwei erwachsene Söhne der
Verhafteten erklärten, sich nicht von ihren Bätern
trennen zu wollen; ihnen wurde erlaubt, denselben in
die Gefangenschaft zu folgen.
Ils wir die Boote sertig machten, erhoben die
Männer und Weiber, welche uns jammernd gefolgt
waren, ein fürchterliches Klagegeschrei und geberdeten
sich wie Verzweifelnde. Sie folgten den Booten
ins seichte Wasser, Weiber sah man sich mit lautem
Klagegeschrei in den Meeressand wersen, Männer
mußten von den Polizeisoldaten von den Booten, an
welche sie sich fest geklammert hatten, mit Gewalt
entfernt werden.
Wir waren froh, als wir aus dem Bereich
solchen Jammers hinausgelangt waren. Die Rück-
kunft zum „Bussard“ erfolgte so früh, daß er noch
am Spätnachmittage die Tasmanlagune verlassen und
bereits am Vormittage des 7. Mai, etwa 9 Uhr,
nahe der Insel Ebolo (Südseite der Lord Howe-
gruppe) ankern konnte.
Hier harrten schon mehrere Kanus unserer An-
kunft, deren Insassen alsbald einen lebhaften Handel
mit Hühnern, Muscheln, Matten u. s. w. eröffneten.
Unter denselben sesselte eine eigenthümliche Erscheinung
unsere Aufmerksamkeit, es war dies ein Albino, dessen
ganzer Körper eine ganz weiße Hautfarbe zeigte.
In der Folge ruderte ein europäisches Boot
heran, dessen Führer, GabEe mit Namen, sich
als Bruder des Königs Uila vorstellte und in
dessen Namen um unseren Besuch bat. Diesem
Verlangen entsprechend, machte ich mich — der
Kanzler und der Schiffsarzt waren im meiner Be-
gleitung — in der Dampfbarkasse nach Leuenenwa
auf den Weg, wo wir nach 1½ stündiger Fahrt an
demselben Platze aulegten, auf welchem im Herbst
1889 S. M. Krenzerkorvette „Alexandrine“ die
deutsche Flagge gehißt und zum dauernden Zeichen
der Besitznahme einen schwarz-weiß-roth gestrichenen
Pfahl mit Aufschrift errichtet hatte. Der King
Uila empfing uns und gab seiner Freude über unsere
Ankunft Ausdruck.
Eingezogene Erkundigungen ergaben, daß noch
vor nicht langer Zeit ein australischer Kapitän in
der Gruppe gewesen war und Kopra ausgekauft und
ohne Zollentrichtung aus dem Schutzgebiet ausgeführt
hatte. Er hatte, um sich dem Uila recht gefällig
zu erweisen, demselben ein enropäisches Boot an
Zahlungsstatt gegeben.
Ich überzeugte mich zuvörderst, daß Uila die
ihm seiner Zeit vom Kommandanten der „Alexandrine“
ausgehändigte Urkunde in guter Verwahrung gehalten
hatte. Ich belehrte ihn sodann über die Bedeutung
der Zugehörigkeit der Inselgruppe zum Deutschen
Schutgebiet, die in Herbertshöh bestehende, in der
Person des anwesenden Kanzlers verkörperte Obrig-
keit und schilderte ihm die Unrechtmäßigkeit des Ver-
haltens der australischen Kapitäne und die Unzu-
lässigkeit der Abgabe von Produkten an diese Leute.
Uila versprach, in Zukunft den Tauschverkehr mit
denselben gänzlich meiden und nur noch an die Firma
Forsayht liefern zu wollen.
Die Verständigung mit den Eingebornen, von
welchen allerdings manche des pigeon- Englisch kundig
waren, besorgte ein Mann Namens Barry Charly
gut, welcher, von Haus aus intelligent, sieben Jahre
im Dienst der Firma Forsayht gestanden hatte
und dieserhalb als Dolmetscher sehr brauchbar war.
Dieser wurde demnächst von Uila, welcher über
die Mitnahme der vier Tasmaninsulaner beunruhigt
war und über deren Schicksal wie die Einrichlungen
in Herbertshöh informirt sein wollte, nach dorthin
mitgesandt. Ich nahm ihn gern mit, da er bei der
Behandlung der Gefangenen von erheblichem Nutzen
sein konnte.
Bevor der Aufbruch erfolgte, gruppirten sich
alle Anwesenden auf dem Platze der Flaggenhissung
zu einer vom Kanzler Geißler ausgeführten photo-
graphischen Aufnahme.
Nachdem Geschenke, an die Männer vornehmlich
Tabak, an die Weiber Perlen, an einige angesehene
Personen bedruckte Stoffe, vertheilt und hinwiederum
als Gegengeschenke Kokosnüsse, Hühner, Muscheln in
Empfang genommen waren, machten wir uns auf
den Rückweg. Auf demselben besuchten wir die
Jnsel Ebolo, auf welcher der im Herbst 1889 verstor-
bene erste Offizier S. M. Schiff „Alexandrine“,
Kapitänlieutenant Paleske, begraben liegt.
Der Kapitän Staliv der Firma Forsayht
hatte bei seinen öfteren Besuchen der Gruppe für die
Instandhaltung des Grabes Sorge getragen und
zwei Leute angestellt, welchen er die Pflege des
Plahes anvertraut hatte. Mit Befriedigung konnten
wir wahrnehmen, daß die Grabstätte, so einfach sie
gehalten war, in bester Ordnung und Sauberkeit
sich befand; zur Zier hatte man Kokospalmen auf
sie gepflanzt. Ich belohnte die betreffenden beiden
Eingeborenen reichlich und ermahnte sie, in derselben
Weise auch in der Zukunft das Grab in Ordnung
zu halten.
Alsbald nach unserer Rückkehr an Bord lichtete
der „Bussard“ den Anker und trat die Räückfahrt
nach Herbertshöh an.