Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

Die Bevölkerung hat das Gefühl, eine schwere 
Niederlage erlitten zu haben, und erkennt jetzt rück- 
haltlos die Ueberlegenheit der deutschen Soldaten an. 
gez. Herrmann, Lientenant. 
Bericht des Lientenants prince über die Niederwerfung 
und vernichtung des Däuptlings Sike von Tabora. 
Tabora, den 28. Januar 1893. 
Zur Erklärung der Sitnation bemerke ich gehor- 
samst, daß man unter Tabora das eigentliche Tabora 
versteht, das lediglich von Arabern und Wangwana 
bewohnt wird, und die drei dazugehörigen Vororte: 
östlich Kanyenye, südlich Ngambo, westlich Kwihara, 
Leßteres an der Karema-Straße vorgeschoben. Dies 
ist der Kern von Unyanyembe. Ringsherum wohnen 
die Wanyamwesi dieses Gebietes, deren oberster 
Herrscher Sike war. Derselbe residirte 1/: Stunden 
südöstlich Tabora inmitten einer schönen und frucht- 
baren, von sanften Hügelreihen eingesäumten weiten 
Ebene. Die sonst in vielen kleinen Temben und 
Dörfern zerstreut wohnende Bevölkerung dieser Ebene 
hatte Sike nach dem dritten Kriege mit der Station 
im September in die drei größten Temben zusammen- 
gezogen, wodurch deren Einwohnerzahl vervierfacht 
worden war: 1. seine Quikurn kwa Isike — Residenz- 
Tembe, 2. das noch größere und fast festere, aber 
nicht mit einer Boma versehene Snetn—Wohnsit seines 
Ministers, 3. das unter arabischer Leitung gebaute 
Kasui— Wohnsitz seines Truppenführers. 
Den übrigen, natürlich weitaus größten Theil 
seiner despotisch beherrschten Unterthanen berührte 
diese Maßregel nicht. 
Mitten zwischen den genannten Temben liegt die 
Tembe der früher unter Sike stehenden Manan kwa 
Njasso, welche seit dem Ausbruche der Feindselig- 
keiten in ein Quikuru, das heißt befestigte Residenz, 
verwandelt worden war. Eine halbe Stunde süd- 
östlich des Quikurn kwa Isike liegt jenseits einer 
stärkeren Terrainwelle die Missionsstation Kipalapala, 
80 Mter im Geviert, aus Ziegeln gebaut, die 4 Meter 
hohen Umfassungsmanern mit Bastionen flankirt. 
Hier hatte Sike eine seiner Hauptfrauen installirt, 
die in der Kirche wohnte und weitere ansehnliche 
Veränderungen und Befestigungen an dem Baue 
vorgenommen hatte. Sikes Macht reichte bis Muha- 
lala im Süden, dem Tanganyika im Westen, dem 
Nyansa im Norden und beherrschte sämmtliche Routen. 
Die Lage unter Herrn Sigl war folgende: Sibke, 
der kurz vor Sigls Ankunft, angeblich auf Anstiften 
der Araber Kapini und Ali bin Sultan, die Missio- 
nare aus Kipalapala vertrieben hatte, wollte durch- 
aus nichts mit den Europern zu thun haben und 
ließ Sigl, der diplomatische Verbindung mit ihm 
anmüpfen wollte, trotz zweimaliger Anfrage, in der 
Vorhalle seiner Wohnung vergeblich antichambriren. 
Ein vergleichender Blick auf Sikes Quikuru und die 
Machtmittel Sigls lassen dies erklärlich erscheinen. 
  
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In diesem Verhalten wurde Sike durch die Araber 
Kwiharas bestärkt, das durch seine Lage — 1½ Stun- 
den von Tabora, eine halbe Stunde von Quikuru — 
von Tabora unabhängig war und den direktesten 
Einfluß auf Sike ausübte. Desgleichen stachelten ihn 
die Araber von dem zwischen Tabora und Sike ge- 
legenen Ngambo an, an deren Spitze Ali bin Sultan 
sieht, der durch Langhelds Konfislation seiner ganzen 
Karawane zu einem schwer verschuldeten, aber noch 
einflusreichen Bettler geworden war. 
Von offenen Feindseligkeiten wurde Sike durch 
die Araber Taboras abgehalten, denen er verpflichtet 
war, weil sie seinem Adoptivvater die Herrschaft ge- 
geben und sie ihm selbst erhalten hatten, zudem hatte 
Sike noch den traditionellen Respekt vor den einst 
siegreichen Arabern. Die Araber Taboras waren 
zu diesem Verhalten durch die Erkenntniß veranlaßt, 
daß, wenn die deutsche Flagge bei ihnen wehte, und 
ein Regierungsbeamter bei ihnen war, während die 
eigentliche Gewalt in ihren Händen blieb — sie 
doppelten Nutzen in politischer und kommerzieller 
Hinsicht haben würden und dabei nöthigenfalls bei 
entstehenden Verwickelungen die Verantwortung dem 
Beamten aufhalsen konnten. Der große Einfluß des 
damals anwesenden Stokes dürfte auch ein Faktor 
hierbei gewesen sein. Außerdem ging das Gerücht, 
daß Wissmann mit einer gewaltigen Expedition auf 
dem Wege zu den Seen Tabora passiren würde, 
woran Sigl Jedermann erinnerte, sowie der politische 
Himmel Unyanyembes sich etwas verdüsterte. 
Durch das durchaus berechtigte Gefecht gegen 
Ipuli, an dem 6 Europäer und 85 Reguläre der 
Schutztruppe mit einem 4,7 cm-Geschütz theilnahmen, 
während 2 Europäer der Antisklaverei-Gesellschaft 
mit ihren Askaris noch in der Stadt vorhanden 
waren, wurde die Sitnation eine wesentlich andere. 
Die Araber hatten sich zwar beeilt, einen Frieden 
zwischen dem Kompagnieführer Herrmann und Sike 
auf dem Papier zu Stande zu bringen, indem Sile 
angeblich 6 Frasilah Elfenbein zahlte. Thatsächlich 
hatte aber dieser jede Verhandlung rundweg abge- 
schlagen, und die Araber, welche 2500 Frasilah Elfen- 
bein in Tabora hatten, deren Trausport zur Küste 
durch weitere Verwickelungen gestört worden wäre, 
hatten sich dahin — ohne Wissen Herrmanus — 
geeint, die 6 Frasilah selbst zu stellen. 
Der Araber Choluf lieferte sie und ließ sich dann 
den Werth von den übrigen Arabern — je nach 
ihrem Vermögen in Raten von 2 bis 12 Gora — 
in Zeug wiedergeben. 
Als dann Kompagnieführer Herrmann und die 
Expedition der Antisklaverei-Lotterie gegen Norden, 
Sigl mit seinen Askaris gegen Süden abgezogen 
waren, nahm Sile seine Rachepläne für Ipuli ernst- 
lich in Erwägung, schüttelte den Einfluß Taboras 
ab und nahm den Kwiharas allein an. Im Juni 
erhielt Dr. Schwesinger durch den Sultan von 
Nhampewa — 6 Stunden nördlich Taboras — die 
Nachricht, Sike fordere sämmtliche Sultane auf, mit
	        
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