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Die Wamajita sind mir, nachdem sie sich anfangs
scheu und zurückhaltend benommen, später als ein
harmloses friedliches Ackerbauvolk erschienen, das mit
der Kultur noch sehr wenig in Berührung gekommen.
Die Männer gehen meist nackt, die Weiber in Felle
gekleidet. Ihre Bedürfnisse scheinen sehr gering zu
sein, da ich von den sonst bei allen Negern beliebten
Schmuckgegenständen aus Perlen und Draht nur
sehr wenig bemerkte und meist ein einfacher finger-
breiker Grasring deren Stelle vertrat. Das Land
scheint, soweit es der. Boden zuläßt, reich angebaut.
Selbst der. mit Geröll bedeckte schmale Küstenstrich
zwischen dem Gebirge und dem See zeigte die Spuren
eifriger Bearbeitung. Manern aufgeschichteter Feld-
steine, die von den Aeckern ausgelesen, durchziehen
hier die Felder, und üppige Mtamahalme drängen
sich zwischen den Steinen hervor. Von Feldfrüchten
wird vor Allem Mwele gebaut, eine geringere Art
Hirse, die in Kolben wächst. Leider ist das Mwele-
mehl weniger schmackhaft und bei. Weitem unver-
daulicher als das eigenkliche Mtamamehl. Dasselbe
gilt von einer zweiten, ebenfalls hier angebauten
Hirseart, Ulesi genannt. Es wird nur elwa
1 Meter hoch, während die Mwelehalme über 4 Melter
hoch emporragen. Ulesi wächst in Rispen, die zu
drei bis sechs an einem Halme sitzen. Von Mtama
habe ich nur die sehr minderwerthige rothe Ark be-
merkt. Auch hier herrscht die Sitte, zwischen das
Getreide Gurken, Melonen und auch Bohnen zu säen.
Muhogo und Viazi sind nur wenig angebaut.
Auch bei den Waruri und Wagaia habe ich keine
anderen Feldfrüchte wie die oben angeführten ge-
funden. Bananen, auf der West= und Nordseite des
Sees das Hauptnahrungsmittel und auch in Usukuma
und Ukerewe stark angebaut, fehlen hier fast gänzlich.
Nur innerhalb der Dörfer habe ich ab und zu ver-
einzelte Stauden gefunden. Auch Reis, Mais und
den eigentlichen weißen Mtama habe ich vergeblich
gesucht.
Politisch zerfallen die Wamajita in eine Menge
voneinander unabhängiger Häuptlingschaften; es sollen
im Ganzen zwanzig sein. Natürlich liegen dieselben
uuntereinander meist in Hader, doch scheint derselbe
hier bei dem unkriegerischen Geist der Bewohner
rrisen selten in offenen Krieg auszubrechen.
Verhältnißmäßig den größten Einfluß im Lande
hat der Sultan Msaga von Wassi, mit dem ich auf
dem Rückmarsche Geschenke austauschte.
Die Bewohner des Haupttheils des von mir
besuchten Küstenstriches, von Majita nördlich bis fast
hinauf. zum Mgorifluß, werden von Fremden mit
Ddem gemeinsamen Namen „Waruri“ genannt; selbst
nennen sich so indeß nur die Einwohner der beiden
südlichsten Landschaften. Die Waruri werden durch
kein gemeinsames politisches Band zusammengehalten;
sie zerfallen vielmehr in voneinander unabhängige
Hüäuptlingschaften, nämlich von Süden nach Norden
zählend: das Land Rufumbos, das Land Kulingas
(die Bewohner nennen sich selbst Waruri), ferner
Irieni; Uthiti, dessen Bewohner sich Wakara nennen;
Sehirati, dessen Bewohner sich Wakissera nennen, und
Mohuru. Die Sprache der nördlichen Stämme ist
von der des südlichen Theiles nur dualektisch ver-
schieden. Alle diese Stämme liegen in fast ununter-
brochener Fehde miteinander und zwar so, daß jeder
Stamm mit seinen beiden Nachbarn befeindet und
den nächstfolgenden wieder befreundet ist. Die
vier nördlichen Stämme sind mehr oder weniger von
den Wagaia abhängig und haben, wie es in Afrika
oft geschieht, viel von den Sitten ihrer Unterdrücker,
namentlich deren Kriegsschmuck, Waffen und Gefechts-
weise angenommen. Nur die von Rufumbo und
Kulinga beherrschten beiden südlichen Landschaften
haben noch ihre Selbständigkeit bewahrt und können
als eigentliche Repräsentanten des Waruritypus dienen.
Die Waruri sind große, kräftige Gestalten, die in
ihrem Aeußern an Wagogo und Massai erinnern.
Sie scheinen jedoch, falls sie mit den genannten
Stämmen früher ein Volk gebildet, degenerirt zu
sein; denn man findet nichts von dem kriegerischen
Stolz jener Völker. Die Waruri erschienen mir
vielmehr als ein ziemlich entnervtes, charakterloses
Volk, das sich weder durch Intelligenz noch durch
Fleiß auszcichnet. Viel mag dazu die ewige Un-
einigkeit und die Unsicherheit der Verhältnisse bei-
getragen haben, die auch die auffallend geringe Stuse,
auf der der Ackerbau hier sieht, erklären. Auf meiner
ganzen Expedition, mit Ausnahme meines Aufenthaltes
in Majita und bei den Wagaia im Norden, habe ich
Mangel an vegetabilischer Nahrung gehabt und wurde
mir theils die Antwort auf meine bezügliche Frage,
der Feind habe das Getreide geraubt, oder auch, sie
baulen nur für ihren eigenen Bedarf, da solche
Räubereien stets zu befürchten seien. Ueberall habe
ich weite Strecken des besten Landes unangebant ge-
sunden, nur in unmittelbarer Nähe der stets stark
befestigten Dörfer, die entweder auf unzugänglichen
Felshügeln oder in das hohe Uferschilf des Sees
hineingebant zu werden pflegen, ist das Land gut
angebant. Auch die Herden sind nur klein, obgleich
das Vieh sonst besonders schön und stattlich ist.
Die Kleidung der Waruri besteht fast ausschließ-
lich aus. Fellen, die Männer tragen meist nur ein
Ziegenfell, das weniger zur Bedeckung der Blößen
wie zur Unterlage beim Sitzen zu dienen scheint.
Die Weiber tragen ein Gewand aus gegerbten
Fellen, das vom Gürtel bis zu den Knöcheln her-
unterreicht.
Die Bewassnung besteht aus einem länglich ovalen
Schild aus Antilopenfell, der meist roth bemalt ist,
Bogen und Pfeilen, die mit Pflanzengist stark ge-
tränkt sind, und einem Speer zum Werfen und
Stoßen. Für Letzeren habe ich keine charakteristische
Form gefunden, was wohl damit zusammenhängt,
daß es hier kein Eisen giebt und die fertigen Speere
meist läuflich erworben werden.
Als beste Speerfabrikanten und überhaupt Eisen-
arbeiter gelten am See die Einwohner von Mueri,