Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

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Die Wamajita sind mir, nachdem sie sich anfangs 
scheu und zurückhaltend benommen, später als ein 
harmloses friedliches Ackerbauvolk erschienen, das mit 
der Kultur noch sehr wenig in Berührung gekommen. 
Die Männer gehen meist nackt, die Weiber in Felle 
gekleidet. Ihre Bedürfnisse scheinen sehr gering zu 
sein, da ich von den sonst bei allen Negern beliebten 
Schmuckgegenständen aus Perlen und Draht nur 
sehr wenig bemerkte und meist ein einfacher finger- 
breiker Grasring deren Stelle vertrat. Das Land 
scheint, soweit es der. Boden zuläßt, reich angebaut. 
Selbst der. mit Geröll bedeckte schmale Küstenstrich 
zwischen dem Gebirge und dem See zeigte die Spuren 
eifriger Bearbeitung. Manern aufgeschichteter Feld- 
steine, die von den Aeckern ausgelesen, durchziehen 
hier die Felder, und üppige Mtamahalme drängen 
sich zwischen den Steinen hervor. Von Feldfrüchten 
wird vor Allem Mwele gebaut, eine geringere Art 
Hirse, die in Kolben wächst. Leider ist das Mwele- 
mehl weniger schmackhaft und bei. Weitem unver- 
daulicher als das eigenkliche Mtamamehl. Dasselbe 
gilt von einer zweiten, ebenfalls hier angebauten 
Hirseart, Ulesi genannt. Es wird nur elwa 
1 Meter hoch, während die Mwelehalme über 4 Melter 
hoch emporragen. Ulesi wächst in Rispen, die zu 
drei bis sechs an einem Halme sitzen. Von Mtama 
habe ich nur die sehr minderwerthige rothe Ark be- 
merkt. Auch hier herrscht die Sitte, zwischen das 
Getreide Gurken, Melonen und auch Bohnen zu säen. 
Muhogo und Viazi sind nur wenig angebaut. 
Auch bei den Waruri und Wagaia habe ich keine 
anderen Feldfrüchte wie die oben angeführten ge- 
funden. Bananen, auf der West= und Nordseite des 
Sees das Hauptnahrungsmittel und auch in Usukuma 
und Ukerewe stark angebaut, fehlen hier fast gänzlich. 
Nur innerhalb der Dörfer habe ich ab und zu ver- 
einzelte Stauden gefunden. Auch Reis, Mais und 
den eigentlichen weißen Mtama habe ich vergeblich 
gesucht. 
Politisch zerfallen die Wamajita in eine Menge 
voneinander unabhängiger Häuptlingschaften; es sollen 
im Ganzen zwanzig sein. Natürlich liegen dieselben 
uuntereinander meist in Hader, doch scheint derselbe 
hier bei dem unkriegerischen Geist der Bewohner 
rrisen selten in offenen Krieg auszubrechen. 
Verhältnißmäßig den größten Einfluß im Lande 
hat der Sultan Msaga von Wassi, mit dem ich auf 
dem Rückmarsche Geschenke austauschte. 
Die Bewohner des Haupttheils des von mir 
besuchten Küstenstriches, von Majita nördlich bis fast 
hinauf. zum Mgorifluß, werden von Fremden mit 
Ddem gemeinsamen Namen „Waruri“ genannt; selbst 
nennen sich so indeß nur die Einwohner der beiden 
südlichsten Landschaften. Die Waruri werden durch 
kein gemeinsames politisches Band zusammengehalten; 
sie zerfallen vielmehr in voneinander unabhängige 
Hüäuptlingschaften, nämlich von Süden nach Norden 
zählend: das Land Rufumbos, das Land Kulingas 
(die Bewohner nennen sich selbst Waruri), ferner 
  
Irieni; Uthiti, dessen Bewohner sich Wakara nennen; 
Sehirati, dessen Bewohner sich Wakissera nennen, und 
Mohuru. Die Sprache der nördlichen Stämme ist 
von der des südlichen Theiles nur dualektisch ver- 
schieden. Alle diese Stämme liegen in fast ununter- 
brochener Fehde miteinander und zwar so, daß jeder 
Stamm mit seinen beiden Nachbarn befeindet und 
den nächstfolgenden wieder befreundet ist. Die 
vier nördlichen Stämme sind mehr oder weniger von 
den Wagaia abhängig und haben, wie es in Afrika 
oft geschieht, viel von den Sitten ihrer Unterdrücker, 
namentlich deren Kriegsschmuck, Waffen und Gefechts- 
weise angenommen. Nur die von Rufumbo und 
Kulinga beherrschten beiden südlichen Landschaften 
haben noch ihre Selbständigkeit bewahrt und können 
als eigentliche Repräsentanten des Waruritypus dienen. 
Die Waruri sind große, kräftige Gestalten, die in 
ihrem Aeußern an Wagogo und Massai erinnern. 
Sie scheinen jedoch, falls sie mit den genannten 
Stämmen früher ein Volk gebildet, degenerirt zu 
sein; denn man findet nichts von dem kriegerischen 
Stolz jener Völker. Die Waruri erschienen mir 
vielmehr als ein ziemlich entnervtes, charakterloses 
Volk, das sich weder durch Intelligenz noch durch 
Fleiß auszcichnet. Viel mag dazu die ewige Un- 
einigkeit und die Unsicherheit der Verhältnisse bei- 
getragen haben, die auch die auffallend geringe Stuse, 
auf der der Ackerbau hier sieht, erklären. Auf meiner 
ganzen Expedition, mit Ausnahme meines Aufenthaltes 
in Majita und bei den Wagaia im Norden, habe ich 
Mangel an vegetabilischer Nahrung gehabt und wurde 
mir theils die Antwort auf meine bezügliche Frage, 
der Feind habe das Getreide geraubt, oder auch, sie 
baulen nur für ihren eigenen Bedarf, da solche 
Räubereien stets zu befürchten seien. Ueberall habe 
ich weite Strecken des besten Landes unangebant ge- 
sunden, nur in unmittelbarer Nähe der stets stark 
befestigten Dörfer, die entweder auf unzugänglichen 
Felshügeln oder in das hohe Uferschilf des Sees 
hineingebant zu werden pflegen, ist das Land gut 
angebant. Auch die Herden sind nur klein, obgleich 
das Vieh sonst besonders schön und stattlich ist. 
Die Kleidung der Waruri besteht fast ausschließ- 
lich aus. Fellen, die Männer tragen meist nur ein 
Ziegenfell, das weniger zur Bedeckung der Blößen 
wie zur Unterlage beim Sitzen zu dienen scheint. 
Die Weiber tragen ein Gewand aus gegerbten 
Fellen, das vom Gürtel bis zu den Knöcheln her- 
unterreicht. 
Die Bewassnung besteht aus einem länglich ovalen 
Schild aus Antilopenfell, der meist roth bemalt ist, 
Bogen und Pfeilen, die mit Pflanzengist stark ge- 
tränkt sind, und einem Speer zum Werfen und 
Stoßen. Für Letzeren habe ich keine charakteristische 
Form gefunden, was wohl damit zusammenhängt, 
daß es hier kein Eisen giebt und die fertigen Speere 
meist läuflich erworben werden. 
Als beste Speerfabrikanten und überhaupt Eisen- 
arbeiter gelten am See die Einwohner von Mueri,
	        
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