Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

ostfront des Gouvernementsgebäudes vorgehend, wäh- 
rend der linke Flügel gegen dessen Südwestfront 
vorkrang. Gegen 10 Uhr abends wurde Lazareth- 
gehülse Siepert durch zwei Schuß in beiden Beinen 
verwundet und kurz darauf ein Schwarzer getödtet. 
Morgens gegen 1 Uhr griffen die Schiffe „Nachtigal“ 
und „Soden“, die durch Lieutenant z. S. Deimling 
benachrichtigt waren, mit Geschützfener ein. Es 
wurde dadurch erreicht, daß wenigstens für kurze 
Zeitabschnitte das sehr heftige, einmal durch Maxim- 
geschütz unterstützte Feuer des Gegners vom Gon- 
vernementsgebäude auf die beiden Schiffe abgelenkt 
wurde. 
Am Morgen des 16. von 5 Uhr an war eine 
etwa dreistündige Gefechtspause. Man konnte mit 
dem Beamtenhaus in Verbindung treten, wo die 
Herren Drees, Dr. Vallentin, Hering und 
Bieberstein, welche die Nacht daselbst zugebracht 
hatten, zum Vorschein kamen. Herr Drees machte 
die Mittheilung, daß am Abend des vorigen Tages 
kurz nach 7 Uhr Assessor Riebow im ersten Meßhause 
in die Brust geschossen und im Lause der Nacht 
daselbst verstorben sei. Die vier Herren begaben 
sich gegen 7 Uhr in das Gouvernementsgebäude, und 
Herr Bieberstein ging gegen 9 Uhr zurück nach 
dem Beamtenhause, um ein Telegramm nach St. 
Thomê aufzugeben, welches die Rückkehr S. M. S. 
„Hyäne“ hierher beschleunigen sollte 
Um 8 Uhr morgens wurde das Feuer seilens 
der Gegner mit großer Heftigkeit wieder aufgenommen. 
Das Geschützfeuer aus den 3,7 cm Schnellfeuer- 
kanonen wurde wirksamer, und es entstand nunmehr 
die Frage, wie lange es noch möglich sein würde, 
mit einer geringen Anzahl von Gewehren und wenig 
Munition sich gegen den mit 4 Geschüßen — 
2 Schnellfeuerkanonen, 2 Maximgewehren —, theil- 
weise überlegenen Handfeuerwassen — 20 Gewehre 
und Karabiner M/88 — und überreicher Munition 
versehenen Gegner zu halten. Da unter diesen 
Umständen keine Aussicht vorhanden war, mit 
noch etwa 600 Patronen das Gouvernementsgebände 
bis zur Ankunft der „Hyäne" zu vertheidigen, so 
wurde gegen 10 Uhr vormittags das Gouvernements- 
gebäude seitens der Insassen geräumt und unter 
dem Verfolgungsfeuer der Gegner der Rückzug nach 
dem Fluß an Bord S. M. S. „Nachtigal“ au- 
getreten. 
Eine kurze Erwägung über Ursache und Ver- 
anlassung dieses Soldatenaufstandes möge hier ein- 
geschaltet werden: 
Die Ursache dürste in einer lange genährten 
Unzufriedenheit der Dahomesoldalen zu finden sein. 
Bei aller sonstigen Mangelhaftigkeit dieses Soldaten- 
materials gab es doch darunter ungefähr ein Dutzend 
tüchtiger Soldaten die sich bei verschiedenen Busch- 
Gesechten und im Friedensdienste durchaus bewährt 
hatten, ohne daß diese Dienste durch gute Löhnung 
anerkannt wurden. Mitte dieses Jahres war auch die 
allerdings etwas überreichliche Soldatenverpflegung 
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verkürzt worden, was in erster Linie den unbesoldcten 
Dahomesoldaten sich fühlbar machte und sie zu Klagen 
veranlaßte. 
Die am 15. d. Mts. 5 Uhr 30 Min. durch den 
Herrn stellvertretenden Gouverneur verhängte Bestra- 
sung einer Anzahl von Dahomeweibern mit Hieben, 
weil diese Weiber sich fortgesetzt der ihnen über- 
wiesenen leichten Gartenarbeit entzogen hatten, mag 
ein willkommener Anlaß gewesen sein, den Aufstand 
ins Werk zu setzen. Der Zeitpunkt war günstig ge- 
wählt; denn das zur Zeit in Kamerun stationirte 
Kriegsschiff befand sich seit dem 25. November auf 
Reise, und seine Rückkehr wurde erst im Laufe des 
20. Dezember erwartet. Die Lage des Waffen= und 
Munitionsmagazins in der Nähe der Dahomeweiber= 
Town war ein weiteres Element, welches die Be- 
strebungen der aufrührerischen Soldaten unterstützte. 
Das Magazin, in der Nähe der Zukunftskasernen 
erbaut, enthielt bereits Anfang Oktober, als ich das- 
selbe besichtigte, große Mengen von Gewehrmunition 
M,71 und M/88, etwa 600 Gewehre M/71, etwa 20 Ka- 
rabiner N/88, sowie 2 3,7 cm Schnellfeuerkanonen und 
2 Maximgeschütze mit einiger Munikion. Außerdem 
war es im Interesse eines geregelten Schießdienstes 
und in Rücksicht auf die Schwäche des den Polizei- 
soldaten zugetheilten weißen Aufsichtspersonals erfor- 
derlich, die zeitraubenden Gänge und Fahrten nach 
dem großen Pulverschuppen an der Aquabeach 
zu vermeiden und wenigstens die Uebungsmunition 
in der Nähe des Schießstandes unterzubringen. 
Die Zeit bis zum Eintreffen der „Hyäne“ wurde 
dazu benutzt, die im eben genannten Pulverschuppen 
befindlichen bedeutenden Vorräthe an Munition aus 
demselben zu entfernen und zunächst in zwei Prähmen 
nahe am Hickory-Ufer bei der Suttonschen Faktorei 
zu verstauen. Außerdem wurde bei Tage und bei 
Nacht zu verschiedenen Zeiten die Stellung der Re- 
bellen auf der Joßplatte mit Geschütz= und Gewehr- 
seuer durch „Nachtigal“ und „Soden“ beschossen. 
Der Gegner antwortete slets mit heftigem, aber 
schlecht gezieltem Gewehrseuer, das weit rückwärts 
der Uferlinie abgegeben wurde. Unteroffizier 
Steinecke, inzwischen vom Fieber genesen, erhielt 
einen leichten Streisschuß an die Brust. 
Am 20. d. Mts. gegen Mittag traf S. M. S. 
„Hyäne“ hier ein. Nachdem bis zum 22. abends 
die Beschießung der Joßplatte unter wirksamstem 
Eingreisen des Kriegsschiffes fortgesetbzt war, und 
man durch wiederholte nächtliche Aussendung schwarzer 
Patrouillen ein Bild über die ungefähre Aufslellung 
der Rebellen gewonnen hatte, wurde für den 23. der 
Sturm auf die Joßplatte beschlossen. 
Die Stärke des Gegners beläuft sich nach der 
Stammrolle auf 53 Dahomemänner und 43 Dahome= 
weiber, eine von den Angaben einiger zuverlässigen 
Kamernnleute abweichende Berechnung, welche die 
Stärke des Gegners auf 70 Männer und 40 Weiber 
angaben. Die Weiber wurden zum Zutragen von 
Munition verwendet.
	        
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