Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

Anlage 3. s 
Ereignisse am 15. Dezember 1893. 
Etwa um 7 Uhr nachmittags wurden an Land, 
in der Richtung des Gouvernements Gewehrschüsse 
gehört, und gleich darauf schlugen einige Geschosse in 
der Nähe der Hulk ein, eins sogar den beim Abend- 
brod sitzenden Schwarzen ins Essen. 
An Land ausgebrochene Unruhen vermuthepd, 
gob der Detachementsführer Lieutenant zur See 
Deimling sofort den Besehl: Das Detachement klar 
zum Landen. Leider waren auf „Cyklop“ nur 
60 Stück Patronen an Bord, welche vertheilt wurden, 
und, da der Steuermann ebenfalls mit einem Ge- 
wehr 71 bewafsnet war, pro Gewehr nur 10 Stiück. 
7 Uhr 20 Minuten ging das Detachement in 
der Stärke von 
1 Offizier, Lieutenant zur See Deimling, 
1 Deckoffizier, Steuermann Klein, 
1 Unteroffizier, Obersteuermannsmaat Haering, 
4 Mann, Obersteuermannsgast Schneider, 
Matrose Schan, 
-Hobby, 
- l 
Voge 
in zwei Dinges von Bord und zunächst längsseits 
S. M. Dampfer „Nachtigal“, in der Absicht, daselbst 
Munition aufzufüllen. 
„Nachtigal“ hatte selbst keine Patronen, jedoch 
erfuhren wir durch den dort anwesenden Gouver- 
nements-Materialienverwalter Braun, daß sämmt- 
liche Dahomesoldaten an Land meutern, das Gouver- 
nement angreifen und alle Weißen zu tödten gedenken. 
Das Detachement landete, der Verwalter Braun 
schloß sich an. Beim Bootshause wurde, nachdem 
die Parole: „Kaiser Wilhelm“ durch den Detache- 
mentsführer ausgegeben war, in zwei Abtheilungen 
auf beiden Wegen die Joßplatte erstiegen. Oben 
angekommen, pfiffen die Kugeln schon ganz lieblich 
über unsere Köpfe hin. Vorn im Park, in der 
Wohnung des obengenannten Herrn Braun, fand 
sich ein Beutel mit Patronen, und konnte der 
Munitionsvorrath auf 60 Stück pro Gewehr auf- 
hefüllt werden. Schon vor dem Landen war geladen, 
und jetzt ging es, die Häuser umgehend und absuchend, 
auf das Gouvernement zu. ç 
Ohne angeschossen zu werden, langte das Detache- 
ment im Gouvernementsgebäude an, und es war in 
diesem Fall wohl ungeheuchelte Freude, mit welcher 
die kleine Schaar empfangen wurde, denn die Be- 
sotzung des Gebäudes bestand bis dahin nur aus, 
fünf Weißen, Kanzler Leist, Lieutenant Haering, ! 
Büchsenmacher Zimmermann, Lazarethgehülse Sie- 
pert und Maschinist Schul z vom Dampfer „Soden“, 
mit Gewehr Modell 88 bewassnet, außerdem vier 
schwarze Soldaten, Lettere jedoch, weil mit Modell 71) 
bewaffnet, ohne Munition. # 
Sobald das Detachement im Hause war, wurde 
dos Beschießen des Leteren lebhafter, und zwar aus 1 
Gewehren von Modell 71, 88 und aus Schnell- 
97 
ladekanonen 3,7 cm. Die Menterer hatten sich 
nämlich der Waffenkammer bemächtigt und somit 
ca. 600 Gewehre, 2 Schnellladekanonen und 2 Maxim- 
gewehre erbeutet. Das obere thurmartige Geschoß 
des Gouvernements schien der sicherste Ort des Hauses 
zu sein; dort wurden die Vertheidiger vertheilt. 
Die Vertheidigung des westlichen Flügels des 
Gebäudes (unteres Geschoß) wurde dem Steuermann 
Klein übertragen, dazu der Lazarethgehülfe Siepert 
und Matrose Schan. Den ästlichen Flügel ver- 
theidigten Maschinist Schulz, Oberstenermannsmaat 
Haering und Olberstenermannsgast Schneider. 
Die Vorderfront sowie die hintere Seite (einzige 
mit zwei Drittel Steinwand) wurde von oben aus 
übersehen, Matrosen Hobby und Vogel, Kanzler 
Leist, Lieutenant Hacring, Lieutenant Deimling. 
Bicchsenmacher Zimmermann hatte die schwarzen 
Soldaten, welche vor dem Hause Posten standen, 
Herr Braun mit Revolver ohne Patronen brachte 
ab und zu eine Erfrischung. 
Das Feuer der Angreifenden kam hauptsächlich 
vom Doktorweg und aus der Richtung des Doktor 
hauses auf die westliche Seitenfront des Hauses. 
Gegen 8 Uhr kamen 5 Weysoldaten ins Haus, 
welche auf beiden Flügeln postirt wurden; dieselben 
hatten jedoch keine Patronen und konnten jeder nur 
3 bis 4 Stück erhalten. Das feindliche Feuer mußte 
von uns mit Schweigen erwidert werden, weil die 
Munition knapp war, ab und zu nur feuerten wir 
einzelne Schiüsse. 
Voller Besorgniß wurde an die Schwestern im 
Lazareth gedacht, und einige der Vertheidiger 
beriethen den Plan, nach dem Lazareth durchzu- 
brechen, als plötzlich mehrere Gestalten und ein 
weißes Kleid sichtbar wurden. Es war Schwester 
Gretchen und Herr Vanselow in Begleitung von 
vier Faktoristen, Hesse, Stegemann, Plaensdorf 
der Woermannfaktorei und Gibney der englischen 
Faktorei von Duggan. 
Die vier unerschrockenen Männer hatten auf die 
ersten Schüsse hin sich nach dem Lazareth begeben, 
die Kranken und Schwester Emma nach „Nachligal“ 
geschickt und Schwester Gretchen, welche im Doktor= 
haus war, aufgesucht und zum Gouvernement ge- 
bracht. Namentlich das Letztere war ein Stück 
Heldenarbeit, wenn man bedenkt, daß die Meuterer 
um das Doktorhaus Aufstellung genommen hatten. 
Schwester Gretchen benahm sich tadellos. An 
dem kleinen schwächlichen Mädchen kann maucher 
Mann ein Beispiel nehmen. Mit dem Revolver in 
der Hand stand sie da, ohne zu zucken, obwohl die 
Kugeln vom Lazareth her ihr in allen Tonarten 
um die Ohren pfiffen. 
Wenn es Allen so war wie mir, so war Allen 
der schwerste Stein vom Herzen, als die Schwestern 
vorläufig in Sicherheit waren. 
Mittlerweile, etwa 11½ Uhr, brachten zwei 
Krujungen des „Soden“ auf Befehl des Kanzlers 
Leist und durch Versprechen eines Geschenkes von
	        
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