werbung der für die Expedition bestimmten Träger
und Soldaten begangenen schweren Misßgrisse be-
raubien auch dieses Unternehmen der gehofften Erfolge:
Der Nachsolger des Freiherrn v. Gravenreuth, der
in Oslafrika bewährte Kompagnieführer in der dortigen
Schutztruppe, Ramsay, vermochte mit den sehr ge-
schwächten Mitteln der Expedition und den größten-
theils sehr wenig brauchbaren Trägern nicht über
Balinga und Yainde vorzudringen.
Im Hinblick auf die immer näher rückende Ge-
sahr, durch die englischen und französischen Be-
strebungen das Schußgebiet Kamernn im Nordosten
von seiner Verbindung mit dem Tschadsee und dem
Shari abgeschnitten zu sehen, entschloß sich die
Kaiserliche Regierung, unter Aufsbietung der noch
übrig gebliebenen Mittel noch einen letzten Versuch
zu machen, um durch die Entsendung einer neuen
Expedition von Balinga nach Nordosten gegen Yola-
den drohenden Verlust abzuwenden. Sie beauftragte
im November 1892 den Gonverneur in Kamerun
mit dem für andere Zwecke im Schutzgebiet ver-
wendeten jetzigen Ritlmeister v. Stetten wegen
Uebernahme dieser neuen Expedition unter Benußung
der von den früheren Unternehmungen noch vor-
handenen Vorrälhe in Verbindung zu treten. Im
Februar 1893 war v. Stelten bereits nach Balinga
unterwegs. Er gerieth bei seinem Weitermarsch nach
Nordosten auf dem Morgenschen Wege in die gleiche
Zwangslage wie sein Vorgänger, den Herrscher von
Tibati in seinem Kriegslager aufsuchen zu müssen,
so daß er infolge dessen von dem Marsch nach
Ngaundere weiter gegen Norden abgelenkt wurde.
Wegen der höchst zweidentigen, ja verrätherischen
Haltung des Tibati-Sultans der Expedition gegen-
über konnte v. Stetten nur durch einen kühnen,
das Schicksal der Expedition aufs Spiel setzenden
Handstreich sich der Gewalt dieses Herrschers ent-
ziehen und Yola noch kurz vor Eintreffen der den
Bennk heraufkommenden französischen Expedition des
Schifislicutenants Mizon erreichen. Sein Ge-
sundheitszustand und die durch die Vorgänge in
Tibati bewirkle wesentliche Herabminderung seiner
Mittel gestatteten ihm nicht, von Yola aus weiter
nach Osten vorzudringen. Er mußte über den Benne
und Niger zur Küste zurückkehren. Unterwegs be-
gegnete ihm die von dem 1892 angesichts der
immer bedrohlicher sich gestaltenden Verhälmmisse im
Kamerunhinterland ins Leben getretenen Deutschen
Kamerunkomité ausgerüsiete v. Uechtrißsche Ex-
pedition, welche dank der Empfehlungen und Nach-
richten, welche sie durch die v. Stettensche
Expedition erhielt, in Yola einc freundlichere Auf-
nahme fand.
Mitte des Jahres 1893 war die Sachlage die,
daß troß aller im Vorstehenden kurz geschilderten
Anstrengungen der Kaiserlichen Regierung, trotz Auf-
wendung von sehr erheblichen Beträgen und troß
der schmerzlichsten Verluste an Menschenleben keine
einzige deutsche Expedition außer der ihr für die Er-
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forschung des unmittelbaren Hinterlandes gestellten
Aufgabe die weitere auf die Vergrößerung der
deutschen Interessensphäre gerichtete gelöst hatte. Im
Süden war keine über 12° 30“ ö. L. vorgedrungen,
und auch im Norden war das seit 1886 im eng-
lischen Besitz befindliche Yola der äußerste nach
Osten zu erreichte Punkt geblieben; der 15.Ü° ö. Gr.
war nicht berührt, geschweige denn überschritten
worden.
Von deutschen Privatunternehmern war in dieser
siebenjährigen Periode, abgesehen von der in zwölfter
Stunde entsandten Expedition v. Uechtritz, über-
haupt nichts geschehen. Jede von der Regierung
gegebene Anregung war gescheitert. Handelszüge
waren zu gefahrvoll und boten nicht den ent-
sprechenden Gewinn, der zu den Aufwendungen im
Verhältniß gestanden hätte. Die in Kamerun am
meisten betheiligten Hamburger Kaufleute verhielten
sich aus den bereits erörterten Gründen und ihrem
von Anfang an in dieser Frage eingenommenen
Standpunkt entsprechend, seit Jahren, wie noch heute
gegen alle auf das ferne Hinterland von Kamerun
bezüglichen Pläne vollständig ablehnend. Die öffent-
liche Meinung im Reiche war nicht so mächtig, um,
wie in ähnlichen Fällen in Frankreich nach dem
Untergange der Crampelschen Expedition, un-
verzüglich aufs Neuc weitere gleiche Unternehmungen
zu Stande zu bringen. Im Gegentheil ist die
Bildung der Uechtritschen Expedition, die in
richtiger Erlenntuiß und in kluger Benutzung der
gemachten Erfahrungen nur mit Unterstützung der
Royal-Niger-Company zu einem Ergebniß gelangen
konnte, in dem Schoße der maßgebenden lolonialen
Kreise aus diesem Grunde auf den erheblichsten Wider-
stand gesloßen. In diesen wollte man Unternehmungen
zur Sicherung des Hinterlandes überhaupt nicht mehr
machen und Geldmittel nur noch zu einer wissen-
schastlich planmäßigen Erforschung des Schutzgebiels
selbst bewilligen.
Die von englischer Seite her drohende Ueber-
flügelung und Abschneidung vom Tschadsee war zwar
durch das Abkommen vom 15. November 1893
beseitigt. Es muß hervorgehoben werden, daß das
hierdurch für Deutschland erzielte günstige Ergebniß
ausschließlich die Frucht diplomatischer Verhandlungen
war, welche die der Noyal-Niger-Company durch die
Expedition Mizon drohenden Gefahren zu beuußen
verstanden. Denn während diese Gesellschaft Jahre
lang von Station zu Station vorgedrungen war
und unter Aufwendung der erheblichsten Kosten bis
nach Bornu hinein festen Fuß gefaßt hatte, konnte
die deutsche Regierung sich weder auf Erwerbstitel
irgend welcher Art, noch auf deulsche Unternehmungen
berufen. Daß das mit England geschlossene Ab-
kommen Ansprüche Frankreichs hervorrufen müßte
und würde, war nicht einen Augenblick zweifelhaft.
Dieser Gesichtspunkt ist ost genug, in kolonialen
Versammlungen wie in förmlichen Beschlüssen des
Kolonialraths zum Ausdruck gelangt. Denn die