Gefahr, welche von dem französischen kolonialen
Unternehmungsgeist dem Hinterland von Kamerun
drohte und welche die kaiserliche Regierung seit dem
Scheitern der Kundschen Expedition keinen Augen-
blick perkaunt hatte, war im Laufe der Zeit gewachsen.
Es lam hinzu, daß die den französischen Expeditionen
gestelten Ausgaben sehr viel leichter gewesen sind,
ols es die von den Deutschen zu lösenden waren.
Während die französischen Reisenden, um in das
Imere zu gelangen, auf weiten Strecken sich schiff-
barer Flüsse bedienen konnten, mußten vermöge der
geographischen Lage des Schutgebieles, bei dem
Mangel an schiffbaren bis an den Tschadsce führenden
Flüssen und mit Rücksicht darauf, das man im
Jahre 1885 den Plan, ebensalls vom Kongo und
Ubangi aus in das östliche Hinterland von Kamerun
vorzudringen, ein für alle Mal aufgegeben hatte, die
dentschen Forschungsreisenden sich ihren Weg zu
Lande suchen, wo sie mit den Gefahren des Klimas,
wie mit den Tücken der Eingeborenen und mit den
Hindernissen der tropischen Urwaldnakur gleichzeitig
zu lämpsen hatten. Wo die deutschen Expeditionen
mit ihren Mitteln und Kräften zu Ende waren, da
lonnten die französischen ihr Werk mit Monschen, die
durch keinen Monate langen Landmarsch geschwächt,
sondem so gut wie frisch waren, erfolgreich beginnen.
Der abgesehen vom Kongo und Ubangi den Deutschen
noch zugängliche Wasserweg auf dem Niger konnte
angesichts des Umstandes, daß die Royal-Niger-
Company vor Abschluß des Abkommens mit England
am 15. November v. J. in jeder nichtenglischen
Ewedition einen ihr unbequemen Mitbewerber sah, den
zu sördern von ihr nicht erwarlet werden konnte, für
Deutschland nicht verwerthet werden. Eine jede
deutiche Expedition lief bei der Natur der in Be-
tracht kommenden Verhältnisse Gefahr, zu scheitern,
auch ohne daß es möglich gewesen wäre, immer ein
jremdes Verschulden nachzuweisen.
Seit 1880 war am Kongo im französischen
Interesse Savorgnau de Brazza thätig, dem
Frankreich es verdankte, daß es am Stanleypool und
Kongo unter theilweiser Ueberflügelung des
Stanleyschen Unternehmens festen Fuß fassen, und
doß es binnen wenigen Jahren einen ausgedehnten
Zuvachs an kolonialem Gebiet zwischen seinen alten
Besihungen am Gabun und dem Kongo unter der
Vezeichung „Congo lrançais“ aufweisen konnte.
Schon im Jahre 1886 liegt Frankreich im Streit
mit dem belgischen Kongounternehmen über die Be-
grenzung der gegenseitigen Interessensphären an der
Hauptwasserader des äquatorialen Afrika, und am
29. April 1887 wird in Brüssel nach langen ver-
geblichen Unterhandlungen ein Protokoll zwischen dem
Kongostaat und Frankreich unterzeichnet, welches in
Vervollständigung eines früheren Vertrages vom
5. Febrnar 1885° jedenfalls das Eingreisen einer
dritten Macht am Ubangi ausschloß.
Bereits im November 1887 hat Frankreich auf dem
Kongo drei Dampfer zur Verfügung, und es erfolgt
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die Gründung des ersten Militärpostens am Ubangi
durch den Kolonialbeamten Dolisie, nachdem schon
im Ma 1887 dieser Fluß zum ersten Mal von
einem französischen Dampser befahren worden war.
Während des mehr als zwei Jahre langen Aufent-
haltes de Brazzas in Europa (1888 bis 1890)
blieben die französischen Fortschritte in diesen Ge-
bieten gering. Mit seiner im Mai 1890 erfolgten
Rücklehr nach dem Kongo wurde die Ersorschung
des Landes mit allen Mitteln wieder ausgenommen.
Frankreich verfügte bereits in jener Zeit über einen
Stab von tüchtigen Reisenden, die sich bei der
Erforschung des Ogowe= und Kuilugebietes reiche
Erfahrungen gesammelt hatten. Einer dieser Be-
amten, Cholet, unternahm im April 1890 an Bord
des Dampfers „Ballay“ eine erste Erforschungsfahrt
auf dem bis dahin ganz unbekannten Sanga, die
ihn bis zum Zusammenfluß des Ngoko mit dem
Sanga führte. Vom 4. bis 19. Mai 1890 wurde
dieser etwa 200 m breite Fluß, soweit er damals
befahren werden konnte, erforscht. Die Choletsche
Entdeckung und ihre Bedeutung für eine Aus-
dehnung des französischen Kolonialbesitzes nach
Norden gegen den Tschadsee hin wurde alsbald von
Frankreich richtig erkannt. Bereits im Februar 1891
sind die Bcamten Fourneau und Gaillard mit
zwei Dampfbooten an der weiteren Erforschung des
Sanga und seiner Nebenflüsse thätig. Die Schiff-
barkeit des Ngoko wird bis zu einem Punkt unter
2° 3 n. Br. und 14° 53“ ö. L. ermittelt und der
Sanga weiter nach Norden befahren. Hier wird
festgestellt, daß sein Oberlauf durch zwei Flässe, den
Ilela (Mambere) und Massiepa gebildet wird, die
beide bis zu einer nördlichen Breite von etwas über
3° 307 erforscht werden. An dem Zusammenfluß
des Ngoko mit dem Sanga wurde ein französischer
Posten gegründet, und Fourneau gelang es, über
Land bis über den 5.5° n. Br. hinaus an die
Grenzen von Adamaua vorzudringen.
Den Forschungspionieren folgten alsbald fran-
zösische, belgische und holländische Kaufleute, welche in
diesem Gebiet Fakloreien anlegten. Vom November 1891
an nahm de Brazza die Ausdehnung des fran-
zösischen Einflusses am Sanga selbst in die Hand.
An der Stelle des oberen Sanga, wo bedeutende
Schnellen die Befahrbarkeit des hier Mambere
genannten Stromes mit grösteren Booten unmöglich
machen, wurde etwa unter 4° n. Br. der Posten
Bania errichtet. Es gelang de Brazza, seinen
kleinen Dampfer „Courbet“ über diese Schnellen
hinwegzubringen und weiter nördlich eine zweite
Station, Djambala, zu gründen. Hierauf wandte er
sich der Ersorschung des westlichen Sangaarmes, des
Massiepa, zu. Hier war es, wo er am 4. April 1892
mit Lieutenant Mizon zusammentraf. Mizon war
im Dezember 1891 von Yola nach Süden aus-
gebrochen, von einer kleinen Truppe von 8 Mann
begleitet, und hatte, auf einem ungewöhnlich schnellen
Zuge von Ngaundere aus auf der von Flegel