Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

Gefahr, welche von dem französischen kolonialen 
Unternehmungsgeist dem Hinterland von Kamerun 
drohte und welche die kaiserliche Regierung seit dem 
Scheitern der Kundschen Expedition keinen Augen- 
blick perkaunt hatte, war im Laufe der Zeit gewachsen. 
Es lam hinzu, daß die den französischen Expeditionen 
gestelten Ausgaben sehr viel leichter gewesen sind, 
ols es die von den Deutschen zu lösenden waren. 
Während die französischen Reisenden, um in das 
Imere zu gelangen, auf weiten Strecken sich schiff- 
barer Flüsse bedienen konnten, mußten vermöge der 
geographischen Lage des Schutgebieles, bei dem 
Mangel an schiffbaren bis an den Tschadsce führenden 
Flüssen und mit Rücksicht darauf, das man im 
Jahre 1885 den Plan, ebensalls vom Kongo und 
Ubangi aus in das östliche Hinterland von Kamerun 
vorzudringen, ein für alle Mal aufgegeben hatte, die 
dentschen Forschungsreisenden sich ihren Weg zu 
Lande suchen, wo sie mit den Gefahren des Klimas, 
wie mit den Tücken der Eingeborenen und mit den 
Hindernissen der tropischen Urwaldnakur gleichzeitig 
zu lämpsen hatten. Wo die deutschen Expeditionen 
mit ihren Mitteln und Kräften zu Ende waren, da 
lonnten die französischen ihr Werk mit Monschen, die 
durch keinen Monate langen Landmarsch geschwächt, 
sondem so gut wie frisch waren, erfolgreich beginnen. 
Der abgesehen vom Kongo und Ubangi den Deutschen 
noch zugängliche Wasserweg auf dem Niger konnte 
angesichts des Umstandes, daß die Royal-Niger- 
Company vor Abschluß des Abkommens mit England 
am 15. November v. J. in jeder nichtenglischen 
Ewedition einen ihr unbequemen Mitbewerber sah, den 
zu sördern von ihr nicht erwarlet werden konnte, für 
Deutschland nicht verwerthet werden. Eine jede 
deutiche Expedition lief bei der Natur der in Be- 
tracht kommenden Verhältnisse Gefahr, zu scheitern, 
auch ohne daß es möglich gewesen wäre, immer ein 
jremdes Verschulden nachzuweisen. 
Seit 1880 war am Kongo im französischen 
Interesse Savorgnau de Brazza thätig, dem 
Frankreich es verdankte, daß es am Stanleypool und 
Kongo unter theilweiser Ueberflügelung des 
Stanleyschen Unternehmens festen Fuß fassen, und 
doß es binnen wenigen Jahren einen ausgedehnten 
Zuvachs an kolonialem Gebiet zwischen seinen alten 
Besihungen am Gabun und dem Kongo unter der 
Vezeichung „Congo lrançais“ aufweisen konnte. 
Schon im Jahre 1886 liegt Frankreich im Streit 
mit dem belgischen Kongounternehmen über die Be- 
grenzung der gegenseitigen Interessensphären an der 
Hauptwasserader des äquatorialen Afrika, und am 
29. April 1887 wird in Brüssel nach langen ver- 
geblichen Unterhandlungen ein Protokoll zwischen dem 
Kongostaat und Frankreich unterzeichnet, welches in 
Vervollständigung eines früheren Vertrages vom 
5. Febrnar 1885° jedenfalls das Eingreisen einer 
dritten Macht am Ubangi ausschloß. 
Bereits im November 1887 hat Frankreich auf dem 
Kongo drei Dampfer zur Verfügung, und es erfolgt 
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die Gründung des ersten Militärpostens am Ubangi 
durch den Kolonialbeamten Dolisie, nachdem schon 
im Ma 1887 dieser Fluß zum ersten Mal von 
einem französischen Dampser befahren worden war. 
Während des mehr als zwei Jahre langen Aufent- 
haltes de Brazzas in Europa (1888 bis 1890) 
blieben die französischen Fortschritte in diesen Ge- 
bieten gering. Mit seiner im Mai 1890 erfolgten 
Rücklehr nach dem Kongo wurde die Ersorschung 
des Landes mit allen Mitteln wieder ausgenommen. 
Frankreich verfügte bereits in jener Zeit über einen 
Stab von tüchtigen Reisenden, die sich bei der 
Erforschung des Ogowe= und Kuilugebietes reiche 
Erfahrungen gesammelt hatten. Einer dieser Be- 
amten, Cholet, unternahm im April 1890 an Bord 
des Dampfers „Ballay“ eine erste Erforschungsfahrt 
auf dem bis dahin ganz unbekannten Sanga, die 
ihn bis zum Zusammenfluß des Ngoko mit dem 
Sanga führte. Vom 4. bis 19. Mai 1890 wurde 
dieser etwa 200 m breite Fluß, soweit er damals 
befahren werden konnte, erforscht. Die Choletsche 
Entdeckung und ihre Bedeutung für eine Aus- 
dehnung des französischen Kolonialbesitzes nach 
Norden gegen den Tschadsee hin wurde alsbald von 
Frankreich richtig erkannt. Bereits im Februar 1891 
sind die Bcamten Fourneau und Gaillard mit 
zwei Dampfbooten an der weiteren Erforschung des 
Sanga und seiner Nebenflüsse thätig. Die Schiff- 
barkeit des Ngoko wird bis zu einem Punkt unter 
2° 3 n. Br. und 14° 53“ ö. L. ermittelt und der 
Sanga weiter nach Norden befahren. Hier wird 
festgestellt, daß sein Oberlauf durch zwei Flässe, den 
Ilela (Mambere) und Massiepa gebildet wird, die 
beide bis zu einer nördlichen Breite von etwas über 
3° 307 erforscht werden. An dem Zusammenfluß 
des Ngoko mit dem Sanga wurde ein französischer 
Posten gegründet, und Fourneau gelang es, über 
Land bis über den 5.5° n. Br. hinaus an die 
Grenzen von Adamaua vorzudringen. 
Den Forschungspionieren folgten alsbald fran- 
zösische, belgische und holländische Kaufleute, welche in 
diesem Gebiet Fakloreien anlegten. Vom November 1891 
an nahm de Brazza die Ausdehnung des fran- 
zösischen Einflusses am Sanga selbst in die Hand. 
An der Stelle des oberen Sanga, wo bedeutende 
Schnellen die Befahrbarkeit des hier Mambere 
genannten Stromes mit grösteren Booten unmöglich 
machen, wurde etwa unter 4° n. Br. der Posten 
Bania errichtet. Es gelang de Brazza, seinen 
kleinen Dampfer „Courbet“ über diese Schnellen 
hinwegzubringen und weiter nördlich eine zweite 
Station, Djambala, zu gründen. Hierauf wandte er 
sich der Ersorschung des westlichen Sangaarmes, des 
Massiepa, zu. Hier war es, wo er am 4. April 1892 
mit Lieutenant Mizon zusammentraf. Mizon war 
im Dezember 1891 von Yola nach Süden aus- 
gebrochen, von einer kleinen Truppe von 8 Mann 
begleitet, und hatte, auf einem ungewöhnlich schnellen 
Zuge von Ngaundere aus auf der von Flegel
	        
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