Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

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bereits erkundeten Straße das ganze südbstliche 
Adamana durchquerend, über Kunde und Gasa den 
französischen Posten Djambala erreicht. 
Die Mizonsche Expedition war durch Privat- 
kreise ermöglicht worden. Seit Ende des Jahres 
1890 wurde der französische Unternehmungsgeist 
mehr und mehr thätig, um beträchtliche Geldmittel 
für die Fortführung des französischen Kongogebietes 
bis zum Tschad und seine territoriale Vereinigung 
mit dem französischen Sudan zu beschaffen. Unter 
dem Namen „Comitc de I’Alrique francaise“ 
hatte eine aus allen Ständen und Berufsarten sich 
zusammensetzende Gesellschaft im November 1890 sich 
gebildet, welche den Zweck verfolgte, alle französischen 
Besitzungen Nord= und Westafrikas durch Erschließung 
und Erwerbung des Inneren unter sich zu verbin- 
den und den französischen Kongobesitz nördlich bis 
zum Tschadsee auszudehnen. Die erste Frucht dieser 
Bestrebungen war die Entsendung der Expedilion 
Crampel im Jahre 1890, welche den ausgesprochenen 
Zweck verfolgte, von Ubangi aus in das Sharibecken 
und zum Tschadsee vorzudringen. Ihr folgte im Jahre 
1891 mit dem gleichen Zweck in dasselbe Gebiet die 
Expedition Dybowski. Waren auch beide Expe- 
ditionen nicht vom Glück begünstigt und wurde die 
Expedition Crampel sogar vernichtet, so führten 
doch beide Unternehmungen eine Stärkung der fran- 
zösischen Stellung am Ubangi durch die von ihnen 
ausgehende Anlage neuer Stationen und Posten her- 
bei. Da sich die Dybowskische Expedilion als 
nicht genügend stark für ein selbständiges Vorgehen 
erwies, wurde von dem Comité de I'Alriqne 
lrançaisc im August 1891 eine öffentliche Samm- 
lung für eine neue, stark ausgerüstete Expedition er- 
öffnet, welche den Tod Crampels rächen und sein 
Werk fortführen sollte. 
Schon wenige Wochen später hatte das Komitce 
für seine Pläne 130 000 Francs gesammelt *) und 
konnte die Expedition Maistre entsenden, welche, 
im März 1892 in Brazzaville am Stanuley Pool 
angekommen, von dort nach dem oberen Ubangi fuhr 
und von hier den oberen Shari erreichte. Längs 
dieses Flusses nach Norden ziehend, bog sie unter 
dem 9. Grad nördl. Br. nach Westen ab und er- 
reichte im März 1893 Yola, auf ihrem Marsche 
überall Verträge mit den Eingeborenen schließend, 
welche das durchzogene Gebiet Frankreich sichern 
sollten. Diese Verträge haben gegen Westen bis in das 
vom 15. Grad öfll. Gr. durchschnittene Gebiet die Zu- 
stimmung des Staatsoberhauptes erhalten und waren 
sormell wie materiell unanfechtbar. Mittlerweile 
blieb de Brazza, der in der Station Bania sein 
Hauptquartier aufgeschlagen hatte, nicht unthätig. 
Durch Anlegen neuer Stationen, wie in Gasa, und 
durch andauernde Entsendung kleinerer Expeditionen 
wurde die französische Herrschaft im ganzen Becken 
des oberen Sanga und seiner Quellflüsse, des Kadei 
*) Ende 1892 betrug diese Summe 257 000 Francs. 
  
oder Massieba und des Lekela oder Mambere, be- 
festigt, der Dampfer „Courbel“ drang auf dem 
letzteren Fluß bis über 5 Grad nördl. Br. vor; mit 
dem Sultan von Ngaundere wurden Beziehungen 
angeknüpft und durch die Entsendung des Beamten 
Ponel dorthin diese noch fester zu gestalten gesucht. 
Auch Mizon erschien wenige Tage nach dem 
Eintreffen der v. Stekten schen Expedition von Neuem 
in Mola, um seine Bestrebungen im Interesse Frank- 
reichs wieder aufzunehmen. Ihm gelang es, mit dem 
Emir ein Uebereinkommen zu treffen, das zwar in- 
folge der eingetretenen Verhandlungen staatlich nicht 
anerkannt ist, aber auf nichts Anderes als auf einen 
förmlichen Schutzvertrag mit Frankreich hinauslief. 
Die vorstehende kurze Aufzählung des in jahre- 
langem Wettstreit durch die Entsendung zahlreicher 
Expeditionen und Aufwendung sehr erheblicher Geld- 
mittel auf deutscher und auf französischer Seite Er- 
reichten läßt erkennen, daß bei Erweiterung der Ein- 
flusgebiete der Vortheil nicht auf deutscher Seite 
lag. Die staatliche Klugheit wie das koloniale Interesse 
erheischten es, darauf zu finnen, wie durch diplo- 
matische Verhandlungen der Schaden abgewendet 
werden könnte, der durch die mangelnden Ergebnisse 
deutscher Expeditionen und durch das Zurücktreten 
deutschen privaten Unternehmungsgeistes auf diesem 
Gebiet einerseits und durch das Vordringen fran- 
zösischer Expeditionen und das reichlich fließende 
französische von Staat und Privaten aufgewendete 
Kapital andererseits, einer weiteren Ausdehnung des 
deutschen Einflusses schon über einen mäßigen Küsten- 
gürtel hinaus drohte. 
Anläßlich des Erwerbes der ostafrikanischen, zum 
Sultanat von Zanzibar gehörigen Küste im Jahre 
1890 durch Deutschland, worin Frankreich eine Ver- 
lehung des auch von ihm unterzeichneten Garantie- 
vertrages vom Jahre 1862 sah, wurde französischer- 
seits eine Abgrenzung der Gebiete von Kamerun und 
des Congo lrançgais auf der Grundlage des Zu- 
trittes der beiderseitigen Gebiete zum Süduser des 
Tschadsees angeregt. 
Die Kaiserliche Negierung ging in Uebereinstim- 
mung mit der öffentlichen Meinung auf diesen Vor- 
schlag nicht ein, weil nach ihrer Auslegung der 
Zugang zum Tschad Deutschland bereits durch das 
Uebereinkommen vom 24. Dezember 1885 gesichert 
erschien und sie östlich des 15. Grades auf ein Ge- 
biet nicht verzichten wollte, das noch von keinem 
Staat in Besitz genommen war und das noch der 
Aktion eines jeden offen stand. Bei diesem Stand- 
punkt theilte die Kaiserliche Regierung wiederum in 
Uebereinstimmung mit der öffentlichen Meinung die 
Hoffnung, daß es den deutschen Expeditionen ge- 
lingen werde, über den 15. Grad östlich vorzudringen, 
und sie war zu dieser Hoffnung um so mehr be- 
rechtigt, als zu diesem Zweck um dieselbe Zeit die 
große Gravenrenthsche Expedition nach Kamerun 
entsandt war. Infolge dieser Ablehnung wurden die
	        
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