— 174 —
benutzt habe verstreichen lassen, in welcher es die
Forschungen seiner großen Reisenden als Titel zum
Erwerb der von ihnen erschlossenen Länder hätte
verwerthen und sie zum Abschluß von Verträgen
hätte ermächtigen können. Alle diese Reisen fallen
in die voreinheitliche Zeit, vor 1871. Wenn ferner
mehrfach darauf hingewiesen worden ist, daß den
Flegelschen Verträgen von Seiten der Kaiserlichen
Regierung ein zu geringer Werth beigelegt und die-
selben im politischen Sinne zu wenig ausgenutzt
worden seien, so muß hierzu bemerkt werden, daß
die von dem Reisenden R. Flegel im Niger= und
Bennsgebiet abgeschlossenen Verträge Handels= und
Freundschaftsbündnisse oder nur Kaufverträge über
Grundstücke für die spätere Anlage von Faktoreien
waren. Gerade diecjenigen unter diesen Verträgen,
welche bei den Verhandlungen mit Frankreich am
meisten hätten in Frage kommen können, wie die von
Flegel in Yola, Ngaundere, Kontsha, Tshamba u. .w.
1882 abgeschlossenen, waren nur mündliche Abreden,
über die eine schristliche Urkunde oder ein sonst
irgendwie verwerthbarer Beweis leider nicht vorlag.
Nach allen Erwägungen der gesammten Sachlage
konnte es gar keinem Zweifel unterliegen, daß Frank-
reich in dem Hinterland von Kamerun uns überall
zuvorgekommen war, sowohl in politischer wie in
kommerzieller Beziehung.
Die deutsche Privatthätigkeit hatte, abgesehen von
der mehrerwähnten, in letzter Stunde mit etwa
50 000 Mark ausgerüsteten verdienstvollen aber
die Verhandlungen mit Frankreich anstreben.
15. November 1893, gegen die Uebergriffe Frank-
reichs hätte alle Hoffnung nur auf neue und große
Expeditionen gesetzt werden müssen, für deren Aus-
rüstung Mittel nicht mehr zu erlangen waren. Seit
1890 war diese Verschlechterung von Jahr zu Jahr
gewachsen. Es galt jetzt in kolonialem Interesse,
ehe es zu spät wurde, zu sichern, was von dem
Hinterland in Kamerun zu dessen wirthschaftlicher
Ausnutzung bis in die weiteste Zukunft nöthig war,
und es mußte die Zeit benutzt werden, in der sich
auch in Frankreich das Bedürfniß nach einer Ver-
ständigung um so mehr zeigte, als man daselbst nicht
ohne Besorgniß aus etwaige Erfolge der Uechtribschen
Expedition blickte. "
Nur durch diplomatische und langwierige Ver-
handlungen war es gelungen, England gegenüber
eine Abgrenzung zu finden, die Deutschland mit dem
größten Theile von Adamana auch den Zugang zum
Tschadsee sicherte, und das gleiche Ziel mußten auch
Da
Frankreich den Mitbesip des südlichen Tschadsee-Users
östlich von der Sharimündung als conditio sine
Qua non für alle weiteren Verhandlungen bezeichnete,
und Deutschland, wenn es nicht eine Verwerthung
des östlichen Theiles seines Schutgebietes, wohin noch
nicht einmal ein einziger deutscher Reisender ge-
drungen war, gänzlich aufgeben wollte, unter allen
schwachen Expedition v. Uechtritz, nichts für die
Erschließung und Erweiterung unserer Beziehungen
zum Hinterland von Kamerun gelhau. Die Wünsche
auf eine weitere Ausdehnung der Kolonialpolitik
über Baghirmi nach dem Centralsudan hin standen
in einem schreienden Misverhältuiß zu den hierfür
von öffentlichen und privaten Kreisen aufgewandten
Mitteln und ließen Verwickelungen so schwerer Art
erkennen, daß die Regierung bei einer Befolgung so
abenteuerlicher Pläne, die für die Gegenwart nur
kriegerische und politische Schwierigkeiten, wirthschaft-
liche Vortheile aber laum noch für eine in den Bereich
von Erwägungen zu ziehende Zukunft in Aussicht
stellte, die Anhänger einer maßvollen Kolonialpolitik,
die sie sich in den Ausschlag gebenden Kreisen des
Reichstags mit Mühe in den leßten Jahren er-
worben hat, bald wieder verloren haben würde.
Die Gegner einer Verständigung mit Frankreich
meinten: „Wir sollten bessere Zeilen
Auch die Befolgung dieses Standpunktes wäre für
die Kaiserliche Regierung eine überaus bequeme
gewesen. Sie wäre dadurch jeder Verlegenheit in
der Gegenwart überhoben gewesen, hätte sich auch
Angriffe erspart, aber sie hätte sich damit nicht der
Verantwortung vor der Zukunft entzogen.
Von Jahr zu Jahr war unsere Stellung im
Kameruner Hinterlande Frankreich wie England
gegenüber eine schlechtere geworden.
abwarten.“
Gegen die
Umständen einen Zugang zum Sanga fordern
mußte, — eine Forderung, deren Nothwendigkeit
auch in kolonialen Kreisen auf das Lebhafteste betont
worden war —, so erhob Frankreich gleichsam als
Gegemverth den Anspruch auf einen Zugang zum
Beuuc. Leßtere Forderung mußte von vornherein
zurückgewiesen werden, und man einigte sich schließ-
lich dahin, daß Frankreich sich mit einem terrikorialen
Zugang zum Mayo Kebbi gegen Gewährung eines
gleichen Zugangs zum Ngoko und Sanga begnügte.
Unter möglichster Wahrung des deutschen Stand-
punktes nach dem Abkommen von 1885 sollte die.
Grenzlinie im Norden des Mayo Kebbi so gegen
Osten nach dem Logone und Syhari gezogen werden,
daß ein thunlichst großes Stück des linken Schari-
ufers und ein Theil von Baghirmi bis zum
Schnittpunkt mit dem 17.5 ö. Gr., Deutschland
zufallen solle. Diese nach langen Verhandlungen
erreichten Grundzüge zu einem Abkommen wur-
den während der durch die Weihnachtsseiertage
veranlaßten Unterbrechung der Verhandlungen zur
vertraulichen Kenntnißnahme einer Versammlung von
Persönlichkeiten unterbreitet, welche in kolonialen
Dingen besonderes Interesse und besondere Sachkunde
hatten, um deren Rath und Ansichten zu hören.
Nach einer eingehenden Berathung dieser Grundzüge
zu einem Abkommen wurden dieselben von der
Mehrheit der Anwesenden mit 11 gegen 3 Stimmen
als für die Fortführung der Verhandlungen geeignet
anerkannt.
Lettere konnten nach weiteren langwierigen Unter-
Uebergrisse Englands schützte das Abkommen vom handlungen über die Einzelheiten der Grenzführung