Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

Süden vom Nyassa bis Kilwa ziemlich eingehend 
kennen gelernt, so daß ich mich nunmehr berechtigt 
glaube, über den Werth dieser Kolonie ein der Be- 
achtung nicht ganz unwerthes Urtheil zu fällen. 
Meine Werthschätzung der hiesigen Kolonie war, 
als ich herauskam, in Anbetracht der vielen darüber 
verlautbarten ungünstigen Urtheile, keine sehr hohe. 
Wenn ich diese meine geringe Meinung hervor- 
hebe, so thue ich es, weil ich glaube, dadurch meiner 
nachfolgenden Werthbemessung eine um so größere 
Bedeutung beizulegen und mich gegen den Vorwurf 
des Optimismus zu schützen. 
Soweit ich die Kolonie jetzt kenne, und nach 
Angabe anderer Angestellter und Reisender treffen 
diese Schilderungen im Ganzen auch auf die anderen 
mir noch unbekannten Gebiete zu, ist eine ganz be- 
stimmte Scheidung zu machen zwischen den niedrig 
gelegenen Steppengebieten, welche sich von der Küste 
mehr oder weniger weit in das Innere erstrecken, 
und den Gebirgen und Hochländern, welche den 
größeren Theil der ganzen Kolonie ausmachen 
dürften. 
Die niederen Steppengebiete sind besonders, 
soweit sie außerhalb größerer Flußgebiete liegen, 
vorläufig für die weitere Entwickelung im Interesse 
Deutschlands werthlos. An sich jedoch keinesfalls, 
denn der Boden ist überwiegend nicht unfruchtbar, 
und wo augenblicklich Wassermangel herrscht, ist in 
späteren Zeiten durch Brunnenanlagen u. s. w. Ab- 
hülfe zu schaffen, da in der That Wasser in geringer 
Tiese fast überall vorhanden ist. Eine Kultur ein- 
heimischer Produkte, welche ausfuhrfähig sind, durch 
Eingeborene ist an den meisten Stellen möglich, so 
daß eine Steigerung der Produktionskraft auch des 
Steppengebiets bei zunehmender Bevölkerung, größerer 
Seßhaftigkeit derselben und genügender Anleitung zu 
erwarten ist. 
Es liegt der augenblickliche Werth der Kolonie 
für Deutschland hauptsächlich in den Gebirgen und 
Hochländern, und es ist meine feste Ueberzeugung, 
daß hier ein Schaß für das Vaterland vorhanden 
ist, der bei genügender Entwickelung gar nicht hoch 
genug zu schähen ist. 
Es ist nicht nur ein Areal für Plantagenanlagen 
vorhanden, welche durch ihre Erzeugnisse das Mutter- 
land von allen fremden Kolonien in Bezug auf 
Kolonialprodukte unabhängig machen können, sondern 
es giebt auch Hochländer, welche jebt schon die Be- 
dingungen bieten für ein sorgenfreies Leben von 
Ackerbau und Viehzucht treibenden deutschen Bauern, 
und welche dereinst bei Schaffung genügender Absatz- 
wege auch den Unternehmern reichen Gewinn ab- 
wersen müssen. Das Usambara-, Pare= und Kilima- 
ndjarogebirge im Norden, Ulugurn im Centrum, 
die Perle des Kondehochlands am Nyassa eignen sich 
vermöge ihrer verschiedenen Höhenlagen, ihrer Boden- 
qualität und ihres Wasserreichthums zur Anlage von 
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Plantagen für alle Kolonialprodukte. Die Hoch- 
plateaus von Usambara und Pare sowie das boße 
Hochplateau, welches sich vom Ulanga, Ruaha bis 
zum Nyassa-, Rikwa= und Tanganyikasee erstreckt, 
eignen sich nach ihrer Bodenbeschaffenheit sowie nach 
ihrem Klima zur Ansiedelung deutscher Bauern, 
welche selbstthätig dort Ackerbau und Viehzucht 
treiben können. Wenn auch in der Mittagszeit hin 
und wieder die Temperatur etwas über diejenige 
des deutschen Sommers steigt, so sind Morgen und 
Abend kühl — nachts sinkt das Thermometer öfter 
bis 6°% Celsius —, so daß eine reichliche Arbeitszeit 
bleibt. Der Boden ist von vorzüglicher Beschaffen- 
heit, Wasser stets vorhanden, Schwierigkeiten mit 
Urbarmachung sind namentlich im Hochplateau zwischen 
Nuaha und den Seen nicht vorhanden, da das Land 
überwiegend eine mit kleineren Buschparzellen durch- 
sprengte, leicht wellige Wiesenfläche ist. Während die 
niedere Steppe in ihrer Flora hohe, stroh= und schilf- 
öähnliche Gräser hervorbringt, gleicht das Hochplateau 
einer deutschen Wiesenflur, auf der heute schon viele 
Tausende von Rindern und Schafen Nahrung 
fänden. 3 
Die Flora gleicht sehr der heimischen, man glaubt 
viele deutsche Gräser und Wiesenblumen wiederzu- 
erkennen, Gemüse gedeihen vortrefflich, in der That 
wird von den Eingeborenen unter anderen die ge- 
wöhnliche weiße Bohne und die europäische Erbse 
angebaut; der Brombeerstrauch gedeiht hier wie am 
Kilimandjaro wild. Wo es troß des sehr reichlichen 
Regenfalls noch nöthig sein sollte, ist mittelst der 
stets wasserführenden Bäche und Flüsse leicht eine 
Bewässerung einzuführen. Die Oberfläche ist leicht 
gewellt, so daß bei einer Beackerung keine Schwierig- 
keiten entstehen, der Boden tiefgründig, von schwerem 
Lehm= und Humusboden bis zu leichteren Mischungen 
wechselnd. 
Wie schon gesagt, gedeihen alle Gemüsearten vor- 
züglich, desgleichen die afrikanischen Getreidesorten. 
Meines Erachtens wird auch der Anbau von Weizen 
in entsprechenden Höhenlagen gelingen, sobald die 
geeignete Sorte, welche eine gleichmäßige Reife garan- 
tirt, gesunden oder gezüchtet ist. 
Augemblicklich bietet die unglaubliche Triebkraft 
des Bodens, welche aus einem Korn immer wieder 
neue Halme sprießen läßt, für die gleichmäßige Reife 
und somit auch für die Ernte eine Schwierigkeit. 
Rindvieh, Schafe und Ziegen gedeihen vortrefflich. 
Die nach der Seuche noch gebliebenen Reste der 
ersteren Gattung und die der Einwohnerzahl ent- 
sprechend vorhandenen Herden der Leßteren beweisen 
es. Es bedürfen jedoch die Rassen einer Verbesserung 
in Milch-, Fleisch= und Wollproduktion. Bemerken 
hierbei möchte ich, daß der Vermögensverlust der 
Kolonie durch die Rinderseuche sich auf viele Millionen 
belaufen dürste, so hat beispielsweise der jetzt ver- 
storbene Sultan Merere über 30 000 Stück Rind- 
vieh besessen, heute beträgt diese Herde 2c. 3000 Stück.
	        
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