Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

seinen Aufenthalt nimmt, ist er genöthigt, sich über 
die wirthschafklichen Bedingungen des Lebens in der 
näheren und weiteren Umgebung derselben aufs 
Genaueste zu unterrichten. Er muf feststellen, wo er 
Lebensmittel, Baumaterial, Trinkwasser u. s. w. am 
besten erhält, welche Wege zu den Orten, wo er 
dergleichen herbezieht, führen, welche Materialien für 
ihn am besten und billigsten sind. Viele Missions- 
stationen werden von seiten ihrer Gesellschaften darauf 
angewiesen, sich ihren Bedarf wenigstens zum Theil 
durch eigenen Landbau und Viehzucht zu beschaffen. 
So wird festgestellt, welche europäischen und sonstigen 
Kulturgewächse in der Umgebung der Station ge- 
deihen und gebaut werden können. Kurz, die Missions- 
stationen sind, durch das praktische Leben darauf 
geführt, das, was man jetzt aus theoretischen Er- 
wägungen heraus anzulegen beginnt, wirthschaftliche 
Versuchsstationen. Durch das Beispiel der Missionare 
werden aber auch die Eingeborenen mit landwirth- 
schaftlichen und anderen Arbeiten und Kulturen be- 
kannt, die ihnen vorher unbekannt waren, und es 
entwickelt sich überhaupt eine lebhaftere wirthschaftliche 
Thätigkeit, namentlich entstehen auch Märkte in der 
Nachbarschaft. So scheint sich, um wieder Beispiele 
aus der jüngsten Zeit anzuführen, in dem deutschen 
Nyassagebiet ein wirthschaftliches Centrum um die 
Niederlassungen der Mission Berlin I und der Brüder- 
gemeinde zu bilden; so haben die Erfahrungen der 
Missionare von Verlin III in Usambara auf die 
Anlage von Kaffeeplantagen daselbst eingewirkt, ebenso 
wie die Versuche der katholischen Mission in Usagara. 
Ebenso haben die Leistungen der rheinischen Mission 
in Südwestafrika die Möglichkeit des Anbaues euro- 
päischer Kulturgewächse und damit die Möglichkeit 
europäischer Besiedelung in dieser angeblichen „Sand- 
büchse“ bewiesen. Es mag noch darauf hingewiesen 
werden, daß viele Missionsgesellschaften durch die 
Forderung der Bekleidung, namentlich ihrer weib- 
lichen Zöglinge, direkt zur Förderung der Einfuhr 
von Baumwollstoffen und überhaupt von Bekleidungs- 
gegenständen beitragen. 
  
RAus fremden Rolonien. 
Expedition ins Dinterland von Lagos. 
Die Expedition, welche der Gouverneur von Lagos 
Sir Gilbert Carter zu Beginn des Jahres 1893 
in das Hinterland der von ihm verwalteten Kolonie 
unternommen hatte, ist bereits im letzten Jahrgang 
des Kolonialblattes (S. 277) kurz besprochen worden. 
Dem jetzt vorliegenden amtlichen Berichte über die- 
selbe entnehmen wir noch folgendes Bemerkenswerthe: 
1. Der Gonverneur hebt die große Fruchtbarkeit 
vieler Striche des durchreisten Gebietes hervor. Schon 
jetzt ist ein lebhafter Handel in Palmöl und Palm- 
kernen; auch wird von den Eingeborenen vielfach 
Baumwolle gebaut, Farmen dieser Nutzpflanze wurden 
besonders auf dem Wege von Oyo nach Ogbomosso 
  
290 — 
angetroffen. Auch Indigo wird in bedeutenden 
Mengen angepflanzt, auch für diese Kultur ist Ogbo- 
mosso der Hauptplatz. Die Zubereitung dieses Er- 
zeugnisses für den Handel ist eine sehr einfache. Die 
Blätter werden in einem Holzmörser zerstoßen; die 
Masse wird dann zu runden Bällen geknetet, welche 
man trocknen läßt. 
In offenen Gegenden traf man — zum ersten 
Male weit ab von der Küste in der Nähe 
von Eruwa — den shea butter tree an. Der 
Baum wird als unserer Eiche ähnelnd beschrieben, 
hat jedoch weit größere Blätter. Die Blüthen sind 
klein, von gelblicher Farbe. Die Rinde ist in langen 
Streifen am Stamm gespalten. Der Baum wird 
bis zu 50 Fuß hoch. Das aus dem Samen zu 
gewinnende Fett, welches anderwärts einen Ausfuhr- 
artikel bildet, scheint hier nur zu Haushaltungs- 
zwecken Verwendung zu finden. 
Der Bericht drückt die Ansicht aus, daß die 
Eingeborenen, je mehr die Verhältnisse sich beruhigen 
und die Sklavenraubzüge in Wegfall kommen, sich 
umsomehr der Bebauung des Bodens widmen und 
Kulturen von Kaffee, Kakao, Baumwolle und Indigo 
entstehen bezw. sich ausdehnen werden. Dann werde 
der Bau einer schmalspurigen Eisenbahn von Lagos 
über Abeokuta, Iwo, Ogbomosso und Ilorin ein 
unabweisbares Bedürfniß werden und bei vorliegen- 
den günstigen Verhältnissen mit verhältnißmäßig 
geringen Kosten auszuführen sein. 
Die beruhigende Wirkung der Expedition hat sich 
in einer bedeutenden Hebung des Handels von Lagos 
bereits zu erkennen gegeben. 
2. Der Bericht spricht sich auch über die Thätig- 
keit der Missionen aus. Es sind vier Gesellschaften 
thätig: die church missionary) society, die Wes- 
leyaner, die Baptisten und die römisch-katholische. 
Missionsstationen wurden in Otta, Abeokuta, Iseyin 
und Oyo angetroffen; am weitesten haben die Bap- 
tisten ihre Posten vorgeschoben, indem ein enropischer 
Baptistenmissionar in Ogbomosso wirkt. 
Die Erfolge der christlichen Missionen werden 
als sehr geringfügig und mit den großen Opfern an 
Menschenleben und Geld in keinem Verhältniß 
stehend hingestellt. Das sei insbesondere dem 
Mohammedanismus zuzuschreiben, welcher in der 
Bevölkerung tiefe Wurzeln geschlagen habe. So 
berichtet der Gouverneur, daß der Alafin (King) 
von Oyo, wenngleich er an höflichem Entgegenkommen 
nichts zu wünschen übrig liest, durchaus nicht die an 
den vorbesuchten Plätßen angetroffene Herzlichkeit 
gezeigt habe. Es stellte sich heraus, daß dem Alafin 
zugetragen war, der Zweck des Besuches des Gou- 
verneurs sei einzig der, die Sklaverei abzuschaffen 
und das Christenthum, insbesondere dessen Vorschrift, 
daß Jedermann nur eine Frau haben solle, einzu- 
führen. Dies hatte den King dermaßen verstimmt, 
daß er seinem Fetisch ein Menschenopfer dargebracht 
hatte, um den bevorstehenden Besuch des Gouverneurs 
abzuwenden.
	        
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