Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

legen. Man läßt die Eier auf Tuchlappen absetzen, 
und dieselben bilden einen Handelsartilel der Bazare 
Assams und Bengalens. Aus den Eiern kriecht be- 
reits nach einer Woche die Raupe aus und wird 
vom Raupenzüchter nun auf die aus Bambusrohr 
gefertigten Raupengestelle gebracht und daselbst bis 
zu ihrer Verpuppung mit Maulbeerblättern gefüttert, 
täglich zweimal bis dreimal. 
Der Raupenzustand währt 15 bis 25 Tage. 
Der Seidenwurm häutet sich mehrmals und zeigt 
schließlich durch Spinnversuche an, daß er zur Ver- 
puppung schreiten will. Er wird infolge dessen von 
den Raupengestellen weggenommen und auf horizontale 
Stäbe gesetzt, die in einer besonderen Abtheilung 
des Schuppens angebracht sind. Hier beginnt die 
Raupe um sich herum zu spinnen und ist bald für 
das Auge verschwunden. Das Cocon ist in zwei 
bis drei Tagen vollendet. 
Jetzt beginnt die Ernte des Züchters. Nur 
wenige Cocons werden in einem Topfe zur Zucht 
bei Seile gestellt. Die meisten werden in kochendes 
Wasser geworfen, wodurch einmal die Puppe im 
Innern getödtet wird und andererseits die Seide 
des Cocons gelockert und zum Abwickeln geschickt ge- 
macht ist. Die ganze Arbeit verrichten Frauen. 
Die sihzende Inderin hat zur Seite den Topf Wasser 
mit den Cocons siehen, der über einem mäßigen 
Feuer im Sieden erhalten wird. Mit der einen 
Hand nun vermittelst eines gabelartigen Instrumentes 
die Cocons im Topfe zurückhaltend, bringt sie mit 
der anderen mehrere Anfangsfäden auf eine Haspel, 
wodurch 8 bis 10 Cocons auf einmal abgewickelt 
werden. 
Es geht diese Arbeit nun zwar ziemlich schnell 
von statten, allein die Seidenfäden verknoten und 
verwirren sich erklärlicherweise oft, so daß es in 
erster Linie diesem primitiven Abwicklungsprozeß zu- 
zuschreiben ist, daß die indische Seide so sehr im 
Preise hinter den übrigen Handelssorten, welche mit 
Maschinen abgehafpelt werden, zurücksteht. Zwar 
befinden sich auch in Indien Filaturen, allein nur 
wenige Seidenzüchter verkaufen ihre Cocons unab- 
gewickelt an diese oder an Exporteure für den Ver- 
sand nach Europa. Auch wo naheliegende und ohne 
große Mühe zu bewerkstelligende Verbesserungen in 
der Zuchtmethode, die Vieles zu wünschen übrig 
läßt, in Frage kommen, welche sich für den Züchter 
innerhalb kurzer Zeit lukrativ erweisen müßten, bleibt 
der Inder Neuerungen unzugänglich. 
Der Mangel an Sinn für Reinlichkeit läßt den 
indischen Seidenzüchter ruhig warten, bis die von 
den Raupengestellen fallenden Blattreste, Exkremente, 
todte Naupen und dergl. in den darunter befind- 
lichen Trögen eine so widerliche stinkende und fau- 
lende Masse bilden, daß es ihm schließlich doch selber 
zu viel wird und er den Unrath nun entfernt. In- 
zwischen haben sich jedoch epidemische Raupenkrank- 
heiten eingestellt, die durch rechtzeitiges Entfernen des 
Schmutzes leicht hätten vermieden werden können. 
293 
  
Die verbreitetsten dieser Seidenwurmepidemien 
sind Pebrine und Muscardinc. 
Pebrine wird durch eine Bakterie veranlaßt, 
welche zwar die Raupe nicht allemal tödtet, dieselbe 
jedoch erheblich schwächt. Der mit Pebrine be- 
hoftete Seidenwurm, wird, wenn er am Leber bleibt, 
doch stets nur ein schlechtes Cocon spinnen. Das 
Schlimmste aber ist, daß die Krankheit durch Puppe, 
Falter und Eier hindurch in die nächste Generation 
übergeht. 
Die Muscardine ist ein Schimmelpilz, der sein 
Opfer stets tödtet und nach dem Absterben desselben 
als weißliche Efflorescenz aus dessen Körper hervor- 
schießt. Die Krankheit ist jedoch nur direkt an- 
steckend und weniger verbreitet. 
Noch gefürchteter als diese beiden bakteriologischen 
Krankheiten ist die Plage der „Silkworm siy“ 
Trycolypa bombycidis, ein Zweiflügler, welcher 
nach Art der Schlupfwespen seine klebrigen Eier an 
die Raupen legt. Die auskriechenden Larven bohren 
sich in den Körper des Seidenwurms ein und leben 
schmarotzend darin, bis die Zeit ihrer Metamorphose 
gekommen. Dann kriechen sie aus dem Körper ihres 
Wirthes heraus und verpuppen sich im oder am 
Boden. Der also behaftete Seidenwurm zeigt an 
der Oberfläche der Haut dunkle Punkte und geht 
fast allemal noch vor der Verpuppung zu Grunde. 
Ein sicheres, zum Gebrauch seitens der wenig be- 
mittelten Züchter geeignetes Mittel gegen diesen ge- 
fährlichen Raupenfeind, der oft ganze Zichtereien 
zerstört, hat man noch nicht entdeckt. 
Neben dieser Zucht der Bombyciden beschäftigt 
sich ein anderer Theil der Bevölkerung Indiens mit 
dem Sammeln von Cocons der wild in den 
Wäldern lebenden Saturniden und mit der theil- 
weisen Zucht derselben. — Die Nachfrage nach dieser 
„wild silk“ ist erst in unserem Jahrhundert rege ge- 
worden, und hat besonders die indische Tasarseide 
Bedeutung erlangt. 
Sie ist das Gespinnst der Raupe von Antherae#n 
paphia, eines großen und ansehnlichen Nacht- 
schmetterlings. Die fingerlangen Naupen desselben 
leben von den Blättern sehr verschiedener Bäume, 
besonders von Ficus-, Lagerstroemia-, Zizyphus-, 
Terminalia-Arten. Sie spinnen zwischen welken 
Blättern ein zwei Zoll langes Cocon, das von den 
Zweigen herabhängt. Das Weibchen legt 150 bis 
200 Eier, welche wie die Cocons ebenfalls einen 
Handelsarlikel auf den indischen Märkten bilden. 
Der Paarungsprozeß der auskriechenden Falter wird 
in der Weise überwacht, daß man die Weibchen an 
Gestelle aus Bambusgeflecht festbindet. Die frei 
umherflatternden Männchen trennen sich nur selten 
von den Weibchen, bleiben vielmehr in deren Nähe. 
Des Abends hängt man die Gestelle vors Haus, 
um die etwa noch unbefruchtet gebliebenen Weibchen 
durch andere hinzufliegende Männchen paaren zu 
lassen. Die Weibchen werden dann losgebunden,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.