Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

— 294 
setzen nach kurzer Zeit ihre Eier ab und sterben 
bald darauf. 
Der Tasarfalter ist über ganz Indien, mit Aus- 
nahme von Burma, verbreitet und findet sich be- 
sonders in den Ebenen und Niederungen. 
Die Tasarseide besteht aus einem Doppelfaden, 
wodurch sie sich besonders von der Bombyxseide 
unterscheidet. Die Naupe klebt beim Spinnen die 
Seide mittelst einer klebrigen Substanz zusammen. 
Um die Cocons abwickeln zu können, hat man sie 
daher zunächst durch Kochen in laugehaltigem Wasser 
zu erweichen. Man trocknet die Cocons darauf in 
der Sonne und spult sie trocken ab, in ähulicher 
Weise wie die der Bombyciden. 
Geringere Bedentung für den auswärtigen Handel 
haben bis jetzt die folgenden beiden in Indien theil- 
weise gezüchteten wilden Seidenwürmer, der „Eri“ 
und „Muga“ erlangt. Ersterer ist die fingerlange 
Raupe von Attacus Ricini. Man kultivirt zur 
Zucht die Ricinusstande, überwacht die Paarung und 
das Eierlegen der Falter und füttert die aus- 
kriechenden Raupen in Schuppen mit den Blättern 
der Ricinusstaude oder man setzt, wie dies gewöhn- 
lich geschieht, die stärker entwickelten Raupen auf 
dieselben. 
Der Mugaseidenwurm ist die Raupe der ver- 
wandten Spezies Antheraen Assam und wird, wie 
schon der Name sagt, besonders in der Provinz 
Assam in ähnlicher Weise wie der Eriseidenwurm 
theilweise gezüchtet. Die 5 bis 6 Zoll lange Raupe 
lebt auf Cinnamomum-Symphois-Arten; ein Lieb- 
lingsfutter aber bilden für sie die Blätter des 
osumtrec“ Macharus odoratissima, welcher da- 
her für die Zucht der Muga angebaut wird. 
Man überläßt die Raupen sich selber und trägt 
nur Sorge, Vögel und andere Raupenfeinde zu ver- 
scheuchen, welche jedoch troth4dem einen großen Theil 
der Raupen fressen. Wenn die Mugaseidenwurm- 
raupe zur Verpuppung schreiten will, sieigt sie ge- 
wöhnlich vom Baume herab und wird nun auf Ge- 
stelle gesetzt, wo sie ihr eiwa zwei Zoll langes Cocon 
spinnt. 
Sie benußt dazu wie auch die Eriraupe und 
der Tasarwurm einen Kitt, der durch Kochen der 
Cocons in alkalischem Wasser entfernt wird, wobeie 
die häufig röthlich gefärbten Ericocons zugleich ent- 
färbt werden. 
Mit der Zeit dürften die bisher nur von den 
einheimischen Konsumenten geschätzten beiden Seiden- 
arten, die Eri= und Mugaseide, auch für den euro- 
päischen Markt Bedentung erlangen. 
In Anbetracht der leicht auszuführenden Kultur 
der Ricinusstaude, einer spezifisch afrikanischen, in 
Indien nur akklimatisirten Pflanze, verdient die 
Zucht des Attacus Ricini, des Eriseidemwurms für 
Ostafrika ohne Zweifel Beachtung. 
  
Die in Indien mit Bombyx mori gemachten 
Erfahrungen jedoch stellen einer Wiederholung des 
Experimentes im tropischen Afrika kein günstiges 
Prognostikon. Vielleicht ließe sich diese Spezies in 
den kälteren Distrikten unserer Kolonie, etwa im 
Usambaragebirge oder am Kilimandjaro, erfolgreich 
einführen, jedenfalls aber mit Schwierigkeiten, da 
die Eier während des Transports durch das heißere 
Vorland, der mit den bisherigen Verkehrsmitteln 
längere Zeit in Anspruch nimmt, wesentlich Schaden 
erleiden, wenn nicht gänzlich absterben würden. 
Die Erfahrungen mit der Spezies Bombyx mori, 
dem Seidenspinner der gemäßigten Zone, sind in 
Indien theuer erkauft worden, und so wären in Ost- 
afrika Zuchtversuche mit den indischen Bombyciden, 
den Seidenspinnern der heißen Zone, vielleicht räth- 
licher, zumal eine sorgsame Pflege der Raupen unter 
europäischer Kontrole, wie sie jetzt in Indien nicht 
mehr geübt wird, und ein rationeller Abhaspelungs- 
prozeß nach modernen Methoden bessere Erfolge 
zeitigen würde, als in Indien jetßzt erzielt werden. 
Auf die Erlangung eines pebrinefreien Stammes 
würde besonderes Gewicht zu legen und zu diesem 
Zwecke eine genaue mikroskopische Prüfung der nach 
der Paarung und dem Eierlegen gestorbenen Falter 
vorzunehmen sein. Nur von völlig pebrinefreien 
Eltern erzeugte Eier wären zur ferneren Zucht zu 
verwenden, alles Uebrige aber sofort zu verbrennen. 
Zum Schutz gegen die „silkworm fly“ oder 
eine ähnliche Art, welche sich in den Seidenzüchte- 
reien möglicherweise einstellen könnte, wird gerathen, 
die Raupengestelle mit Draht oder mit Muskito- 
neßen zu umgeben; ein Schutzmittel, das die indi- 
schen Seidenzüchter zu arm sind, sich zu beschaffen. 
Der indische Seidenhandel, der am Ende des 
vorigen Jahrhunderts unter der besonderen Fürsorge 
der Ostindischen Kompagnie seine Blüthezeit hatte, 
ist wegen der großen Konkurrenz Ostasiens wie 
Frankreichs und Italiens zurückgegangen. 
Die nachstehenden Uebersichten über die indische 
Einfuhr und Ausfuhr von Rohseide und Seiden- 
stoffen in den letzten Jahren zeigen in dem bedeu- 
tenden Ueberschuß des Nettoimports über den Export, 
daß Indien nicht im Stande ist, seinen Bedarf durch 
die eigene Produktion zu decken, vielmehr noch ein 
großes Quantum von Rohseide aus China, von 
Seidenstoffen aus China und noch mehr aus Europa 
einführen muß. Der Hauptstapelplaß der Einfuhr, 
besonders aus China, ist Bombay, wohin wegen der 
theuren Opiumrückfracht Seide aus China zu billigeren 
Frachten gelegt werden kann, als sie das auf den 
Eisenbahntrausport angewiesene Produkt Bengalens 
und Assams zu zahlen haben würde. 
Stapelplatz der indischen Seidenausfuhr ist 
Calcutta.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.