Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

pause stattfindet. Ein Hauptgegenstand desselben ist 
das Kisuaheli. Zwar versteht P. Flick Kimassai, 
die Muttersprache der meisten seiner Zöglinge, und 
wäre wohl im Stande, darin die Grundzüge des 
Christenthums vorzutragen; dennoch, sagt man sich 
mit Recht, ist es verständiger, sich desjenigen Idioms 
zu bedienen, das nun doch einmal nach dem natür- 
lichen Verlauf der Dinge die anderen verdrängen 
wird. Diesem Prozeß entgegenarbeiten, wie es wohl 
mit sentimentalem Hinblick auf die Daseinsberechti- 
gung jeder einzelnen ostafrikanischen Sprache geschieht, 
heißt nur der fortschreitenden Kultur Steine in den 
Weg werfen. 
Seitwärts von der Schule, an der Kirche vorbei, 
schreitet man zum Garten hinüber. Derselbe bedeckt 
ein Areal von etwa 10 preußischen Morgen und ist 
nicht bloß bestimmt, für die weißen und schwarzen 
Angehörigen der Mission Nahrungsmittel zu liefern, 
er soll auch ein Versuchsfeld für allerlei Nutzpflanzen 
abgeben, die dermalelnst eine lohnende Kultur ver- 
sprechen. Naturgemäß hatte dieser Garten, den 
Bruder Blanchard ausschließlich mit den Zöglingen, 
d. h. ohne Mithülse eingeborener Arbeiter, bestellt, 
für mich als Botaniker ein ganz besonderes Interesse. 
Er stiellt ein rechteckiges, vollkommen ebenes, im 
Süden durch die malerische, wohl 100 Meter tiefe 
Musschlucht abgeschlossenes Terrain dar, das in der 
Mitte von einem breiten Wege durchschniltten ist. 
Rabatten, die sich längs des Letzteren hinziehen, 
stehen in vollem Blüthenflor, und nicht nur jetzt, wie 
ich höre, sondern das ganze Jahr über. Ich sah 
Reseda, Balsamine, Iberis, verschiedene buntfarbige 
Lupinus, Tropaeolum, um Jatropha Curcas gruppirt 
umd gewaltige Büsche bildend, Amarantus, Zinnia, 
Tagetes, Cineraria, Gazania, Nicandra, Punica und 
wohl noch manche andere unserer gewöhnlichen euro- 
päischen Zierblumen, deren Namen mir nur entfallen 
sind. Rechts und links vom Wege kommt die Prosa 
zu ihrem Recht, denn da erblickt man auf der einen 
Seite in erster Linie Bananen, auf der anderen ein 
großes Kartoffelfeld. Leute, die sich den Kilimandjaro 
gern als ein spezifisch tropisches Gebiet vorstellen, 
werden etwas verwundert sein, zu hören, daß ich 
die Kartoffel für die aussichtsvollste Kulturpflanze 
am Berge erktläre und daß ich deren Einführung 
seitens der französischen Missionare für eine That 
halte, die einer späteren Besiedelung mehr vor- 
gearbeitet hat als hundert in Büchern breitgetretene 
„gute Rathschläge“. Sie wird jetzt bereits von den 
Europäern in Marangu, Moschi und Madschame, von 
dem Neger Schundi in Kiboscho und ganz neuerdings 
auch von Mareale angebaut. Lepterer hat sich geäußert, 
er könne ohne die Viazi Uleia (deutsche Kartoffel) gar 
nicht mehr leben, und damit ist die Möglichkeit nicht 
von der Hand zu weisen, daß über kurz oder lang 
die einheimischen Knollengewächse von der Kartoffel 
wenigstens theilweise verdrängt werden. Beziglich 
der Dioscoreen (Yams) und Colocasien (Taro) wäre 
das, nach unserem Geschmack, nicht zu bedauern, die 
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Ipomoen (Bataten) dagegen haben ein Recht, weiter 
hepflegt zu werden, und dies geschieht auch im Ki- 
lemagarten im ausgedehntesten Maße. Auf gleichem 
Felde mit ihnen sah ich verschiedene Kürbis= und 
Gurkensorten sowie, an zerstreuten Bäumen empor- 
kletternd, die Telfeirea pedata, neben Ricinus, 
wenn ich von einigen kümmerlichen Exemplaren der 
Erdnuß absehe, die einzige Oelpflanze, die mir am 
Kilimandjaro vorgekommen ist. Von Gemüsen ist so 
ziemlich Alles vorhanden, was wir in Europa auch 
kultiviren: Rettich, Radieschen, Kopf= und Bindsalat, 
Kresse, Sauerampfer, Spinat, Artischocken, mancherlei 
Rüben, Möhren, rothe Beten, Cichorienwurzel, Kopf- 
kohl, Grünkohl, Blumenkohl, Rosenkohl, Sellerie, 
Petersilie, Kerbel, Koriander, Zwiebeln, Schalotten, 
Erbsen und Bohnen. Wenn man für Bewässerung 
während der Trockenzeit sorgt, besonders während 
der Monate Dezember bis März, gedeiht Alles in 
unnnterbrochener Folge. Bei den meisten tritt dabei 
die Neigung hervor, ansdauernd zu werden. So 
sah ich stehengebliebene Rüben= und Kohlpflanzen, 
die einen Stamm fast von Schenkelstärke entwickelt 
hatten. Unangenehme Schädlinge sind auch hier, 
wie ich es in gleicher Weise im Garten der wissen- 
schaftlichen Station kennen gelernt habe, die Tausend- 
füßler und mehr noch die Larven verschiedener Käfer, 
die den Wurzeln der Keimpflanzen nachgehen. 
War Alles, was ich bisher geschaut, höchst er- 
freulicher Natur, so kann man dies nicht von den 
Resultaten behaupten, die mit der Aupflanzung tro- 
pischer Nutzpflanzen erzielt worden sind. Da zeigte 
mir Blanchard zunächst, unter Bananen als 
Schattenpflanzen vertheilt, eine Reihe von Kaffee- 
bäumchen. Ich hatte gleichalterige in Derema ge- 
sehen, und das waren Riesen gegen diese verkümmerken 
Exemplare hier. Vanille war ganz eingegangen, 
Guayaven, Papaya, Mango, Anona wuchsen zwar, 
aber doch so langsam, daß man sich nicht viel von 
ihnen versprechen durste. Mit Apfelsinen, Citronen, 
Casuarinen, Eucalyptus, Baumwolle stand es besser, 
mit Wein dagegen, den man von Sansibar her be- 
zogen, wieder ganz schlecht. In gewissem Sinne 
negativ war auch ein Versuch ausgefallen, den man 
mit europäischem Weizen unternommen. Er reifte 
ganz ungleichmäßig, da beständig neue Halme aus 
der Basis hervorschossen. Seine Ernte häflte also 
nur in ähnlicher Weise statlfinden können, wie sie 
auch beim Uimbi-Getreide geschieht. Tagtäglich gehen 
da die Weiber ins Feld und schneiden die gerade 
reifen Aehren einzeln heraus. 
Wenn nun auch das Gesehene nicht ausreicht, 
um allein daraus verallgemeinernde Schlüsse zu 
ziehen, so will ich doch, eigene in Marangu gemachte 
Erfahrungen und die Ergebnisse einer nunmehr ein- 
jährigen meteorologischen Beobachtungsreihe zu Hilfe 
nehmend, hier kurz einige Punkte berühren, auf die 
es meiner Meinung nach bei einer Werthschäßung 
dessen, was wir vom Kilimandjaro zu erwarten 
haben, hauptsächlich ankommt. Ausführliches sei für
	        
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