Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

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gar nicht mehr am Berge, sondern da erhöbe, wo 
die Steppe eben seinen Fuß berührt. In völlig 
kahler Umgebung, auf der Ostseite von dem grasigen 
Abfall zum Sangatschibach begrenzt, stand eine größere 
Zahl von Häusern aufgebaut, deren Mittelpunkt das 
mauerumzogene, augenscheinlich noch nicht ganz fertig- 
gestellte Fort einnahm. Hastiger geht es jetzt dem 
Ziele zu, aber noch bedarf es fast einer Stunde, ehe 
ich, von den Herren der Station begrüßt, meinen 
Einzug halten konnte. 
Der Plan, nach dem die Militärstation Moschi 
ausgeführt ist, unterscheidet sich von dem in Marangn 
zur Anwendung gekommenen zunächst dadurch, daß 
man es aufgegeben hat, sämmtliche Gebäude zu einer 
Festungsanlage zu vereinen. Es ist, um es kurz 
auszudrücken, eine Scheidung eingetreten zwischen 
Fort und Kasernements. Nur das Erstere, in dem 
sämmtliche Europäer ihre Wohnung haben und das 
ein Areal von 1300 Quadratmetern bedeckt, ist durch 
Gräben, Mauern und Bastionen gesichert; die Letz- 
teren werden aufgegeben, sowie sie gegen den Feind 
nicht mehr zu halten sind. 
Wenn man von Marangu her kommt und an 
dem ziemlich langgestreckten Gemüsegarten vorbei ist, 
geräth man in eine kurze Straße, die von niedrigen 
Erdhütten, provisorischen Soldatenhäusern, gebildet 
wird. Unsäglich schmutzige und ebenso unsäglich 
häßliche Sudanesenweiber hocken darin, theils 
schwatzend in Gruppen beisammen, theils geben sie 
sich der nützlichen Beschäftigung des Maisstanyfens 
hin. Ab und zu schlägt einc, sich in ihrer 
Zunge oder Hände Werk gestört fühlend, hinten aus 
und bringt dadurch entweder ein Kind oder einen 
Hund zum Ueberkugeln. Von beiden „wimmelt's“. 
Wir gelangen, obwohl ein Gegenstand lebhaftester 
Neugierde, so doch an Leib und Seele ungeschädigt 
durch die Gasse der schwarzen Ungehener hindurch 
bis an eine 3 m hohe und ½ m dicke Mauer. 
Sie umschließt im Geviert das Fort, ist aus kleinen 
Bruchsteinen mit Lehm als Mörtel aufgeführt und 
soll erst noch während der kommenden Regenzeit be- 
weisen, daß man hinter ihr vor jedem „Einfall“ 
sicher ist. Ein breites Thor erschließt das Innere. 
Im Wesentlichen sind es drei Gebäude, die darin 
ihren Platz gefunden haben oder noch erhalten sollen, 
das Haus für die Offiziere, das für die Unteroffiziere 
und die Küche. Den größten Naum nimmt das 
Erstere ein. In wohlgefälligen Formen, von un- 
gefähr quadratischem Grundriß erhebt es sich an 
der Südostecke des Mauergevierts in Höhe von zwei 
Stockwerken. Man hat lange geschwankt, ob es nicht 
gerathen sei, sich nur mit einem Geschoß zu be- 
gnügen, der Erdbeben wegen. Solche sind keines- 
wegs selten am Kilimandjaro und den Eingeborenen 
wohl bekannt. Ich selbst erlebte in der Nacht vom 
16. bis 17. August 1893 einen ziemlich heftigen, 
von unten kommenden Stoß, der sich in Seiten- 
wellen fortpflanzte, am Abend des 9. April 1894 
einen ähnlichen, aber schwächeren. Die Kilema- 
  
Missionare berichteten, daß im Februar 1892 oft- 
mals ihre Hauswände förmlich ins Schwanken ge- 
rathen wären und auch während der Anwesenheit 
der Wissmann-Expedition sind Erdstöße vorgekommen. 
Herr Wilken, der Erbauer der Moschi-Station, 
ein Praktiker ersten Nanges, hat nun der mit einem 
Einsturz verbundenen Gefahr dadurch vorzubeugen 
gesucht, daß er den Oberstock einmal aus sehr leichtem 
Material als Fachwerk mit Kalkputz emporführte 
und ihm dann noch einen besonderen, von den 
Mauern des Unterstocks unabhängigen Balkenrost als 
Stüte gab. Für das Erdgeschoß, dessen Räume 
der Unterbringung von Munition, Vorräthen, Mate- 
rialien aller Art zu dienen haben, sind Bruchsleine, 
wie sie die zerstörte Meliboma lieferte, und Kalk- 
mörtel zur Verwendung gekommen. Das nöthige 
Licht geben eiserne, von der Küste her bezogene 
Gitterfenster. Benutzt man eine der Freitreppen, die 
vom Westen wie Norden her zum Oberstock führen, 
so gelangt man auf eine wohl 4 m breite, luftige 
Veranda, die sich rings um das ganze Gebäude 
herumzieht und ihm dadurch, wenn man von dem 
sehlenden ornamentalen Schmuck absieht, den Charakter 
einer Schweizer-Villa aufdrückt. Indische, in Sansibar 
fertig käufliche Thüren und halbgetheilte Klappfenster 
hehen von der Veranda aus im Süden zu den 
Zimmern des Kompagnieführers und der Messe, im 
Osten zu denen der Offiziere und des Arztes. Das 
Dach, das aus Wellblech mit einem Balkenwerk als 
Unterlage konstruirt ist, fällt nach den vier Himmels- 
richtungen gleichmäßig ab. An der Sddostecke ist 
eine zum Sangatschithal vorspringende Bastion mit 
in die Veranda einbezogen und durch eine besondere 
sich höher erhebende Bedachung in einen pavillon- 
artigen Anbau umgestaltet. Küche und Unteroffizier- 
haus, die sich an die Westmauer des Forts anlehnen, 
verdienen ebenso wenig eine Beschreibung wie die 
provisorisch aufgestellte, transportable Baracke, die 
für später als Lazareth dienen soll. 
Im Ganzen macht die Anlage einen überaus 
vortheilhaften Eindruck und es dürfte keinen Stations- 
chef im Innern geben, der nicht beim Anblick dieses 
Prachtbaues in seiner Art in den Seufzer ausbräche: 
Hätt' ich doch etwas Aehnliches. Mir selbst ging es 
kaum anders. Die wissenschaftliche Station, die ich 
mit meinem Kollegen Dr. Lent und mit Unterstützung 
des Kompagnieführers Johannes in viermonatlicher, 
harter Arbeit erbaut, war mir bis dahin immer als 
Palast erschienen, jetzt sank sie durch den Vergleich 
zu einer Lehmbude herab. Fast gewaltsam suchte 
ich mich mit dem Gedanken zu trösten, daß vielleicht 
doch einmal eine Zeit kommen könnte, wo Mars aus 
dieser schönen Wohnung exmittirt werden würde, 
um Minerven zu weichen. Wie leicht ließe sich der 
Exerzirplatz da unten in einen Versuchsgarten um- 
wandeln; hier müßten die Mikroskopirtische stehen, 
da ließen sich die meteorologischen Instrumente am 
besten unterbringen. Ob der Sangatschibach wohl 
eine Dynamomaschine treiben könnte? Sicher würde
	        
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