Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

Beständig kommen Eingeborene mit Klagen und 
Zwistigkeiten; Raub, Diebstahl und Bedrohung mit 
dem Tode und mit Verkaufen scheinen nicht selten zu 
sein. Augenblicklich schwebt eine böse Angelegenheit: 
Eine Frau Kontus, des Häuptlings von Megge, be- 
houptete, von einem Ketshenkimann verführt worden 
zu sein. Die Meggeleute holten sich den betreffenden 
Monn aus Ketshenki nach Yegge, prügellen ihn und 
ließen ihn dann laufen, weil sich herausgestellt hatte, 
daß die Frau die Anklage erdichtet hatte, um von 
Kontu loszukommen. Darauf begaben sich die 
Kesshenkileute nach Temerumu, woher die Frau 
stommt, und raubten das ganze Dorf aus: 38 Schafe, 
viele Schweine, Hühner, Gewehre, Pulver, Kauris, 
Jeuge, Matten und Gummilugeln, sogenannte Rubber, 
wurden nach Ketshenki gebracht. Nun kamen die 
Leute der einzelnen Parteien zu mir, beriefen sich 
auf Dr. Wolf, der ihnen gesagt habe, der deutsche 
Kaiser wolle nicht solche Ueberfälle, sondern Frieden 
in Lande. Ich habe nun nach Ketshenki zum Häupt- 
ling gesandt, um zu versuchen, die Sache irgendwie 
beilegen zu können. Doch war derselbe nach Peren. 
auf mehrere Tage gegangen, um dort „Fetisch zu 
machen.“ 
Die hiesige Gegend wird ziemlich stark von 
Händlern besucht: von Fasugu, von Kratyi, von 
Tihautsho und auch von Accra und Quitta konnte 
ich den Besuch von Händlern feststellen. Viele dieser 
Leute kommen auf die Station. Vor einigen Tagen 
erschien eine etwa sechs Mann starke Botschaft des 
Häuptlings Sofo von Kete mit einem in gulem 
Englisch verfaßten Brief, in dem er mich um 
meinen Einfluß zur Wiedererlangung zweier Kühe 
bal, die einigen seiner Händler in Kedjewi geraubt 
worden waren. Gleichzeitig wollte er von der 
Stotion eine Menge Sachen kaufen und bat auch 
um meine Adresse. 
seinen Wünschen willfahren. 
Das Wetter ist bisher nicht sehr marschgünstig ge- 
wesen; seit meinem Abmarsch von der Küste habe 
ich beinahe jeden Tag Regen gehabt. 
Ein zweiter Bericht ist vom 28. September datirt. 
Es heißt wie folgt: 
Am 31. v. Mts. kehrte ich von meiner Anyanga- 
und Pesi-Reise zurück und fand die Station in 
gutem Zustande vor. Die Fruchlbarkeit des Bodens 
und das Verständniß, welches Herr Conradt bei 
seiner regelrechten Bearbeitung hatte walten lassen, 
hatte an Feldfrüchten so viel gezeitigt, daß allein 
gegen 11.000 Maiskolben von den Stationsfeldern 
zum Unterhalt an die Leute ausgegeben werden 
lonnten. Dies ist wohl eine nicht unbedeutende Er- 
spamiß. Der Ertrag war weit größer, doch ist 
bei dem beständigen Regen viel verfault; Manches ist 
auch gestohlen worden. Auch Yams und Maniok 
slehen prächtig, ersterer liefert bereits einigen Ertrag, 
ebenso die hier sehr gut gedeihenden Erdnüsse, welche 
Herr Conradt zur Oelbereitung später an- 
pflanzen wollte. Der Reis im unteren Garten schießt 
Natürlich konnte ich nicht allen 
  
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schon hoch auf, Tabak ist sehr gut, Kaffee in geringer 
Anzahl aufgegangen. Alles dieses beweist, was land- 
wirkhschaftlich bei verständiger Bewirthschaftung hier 
erzeugt werden kann. 
Wir Europäer haben augenblicklich an europäischen 
Gemüsen die Hülle und Fülle. Kohlrabi, Bohnen, 
Schoten, Moorrüben, Gurken, Petersilie, Salat, 
Pfefferkraut und Kohl und Radieschen sind in 
großer Menge vorhanden und täglich auf unserem 
Mittags= und Abendtisch. 
Auf den Feldern schießt zwar allenthalben wild 
wucherndes Unkrant hervor, doch läßt sich leider jetzt 
bei den täglichen Regengüssen nichts dagegen machen. 
Ueberhaupt richtet der beständige NRegen mannigfachen 
Schaden an. Wie schon erwähnt, ist Manches auf 
den Feldern und im Garten verfault, die an dem 
abschüssigen Westrand der Station stehenden Palissaden 
sind völlig unterwaschen und stürzen überall ein, und 
manche Vorräthe im Vorratsthurm (3. B. Reis) 
beginnen stockig zu werden, weil seit Wochen die 
Gelegenheit sehlt, sie einmal zu sonnen. 
Der Viehstand der Station ist in gutem Zu- 
stand. · 
Der Gesundheitszustand der Station ist im All- 
gemeinen gut. Durchschnittlich erscheinen morgens 
um 6 Uhr, zu welcher Zeit sich die Kranken bei mir 
einzufinden haben, zwei Mann, gewöhnlich mit leichten 
Leiden (Muskelschmerz und Verslopfung besonders 
häufig). Schwere Erkrankungen sind selten. Am 
11. v. Mts. starb der sehr brave Hausjunge Palave 
an einer sich in Geschwüren äußernden Krankheit. 
Da er zu Allem zu gebrauchen war — besonders 
Präpariren von Thieren war seine Sache — so 
war sein Tod ein empfindlicher Verlust. Vorläufig 
wird er, bis Ersatz für ihn da ist, durch einen Wai 
vertreten, für dessen Ausfall ich einen hier Arbeit 
suchenden Minike-Mann angenommen habe. 
Was den Gesundheitszustand der Curopäer an- 
belangt, so bin ich ein paar Tage an Fieber bett- 
lägerig gewesen. Während der Zeit hat Herr 
Conradt die meteorologischen Beobachtungen über- 
nommen und führt sie auch jeßt weiter fort, damit, 
wenn ich wieder in den Busch gehe, nicht der be- 
ständige Wechsel in den Beobachtenden eintrikt. 
Was die tägliche Arbeit auf der Station an- 
belangt, so macht der fortwährende Regen Feld- 
arbeil fast unmöglich. Einige Leute haben beständig 
mit dem Ausbessern der unter dem Regen recht 
leidenden Häuser zu thun. Die anderen werden mit 
dem Zubereiten von Gras beschäftigt, welches den 
sehr nothwendigen Schweinestall decken soll, dessen 
Anfänge schon vor meine Zeit reichen. 
Herr Conradt hat sich während meiner Ab- 
wesenheit und seit meiner Rückkehr mit großem 
Fleiß mit anthropologischen Messungen, mit dem 
Aufstellen eines Wörterbuches der Adeli-Sprache 
und mit dem Sammeln von vielem ethnologischen 
Material beschäftigt. Er ist sehr zufrieden mit seinem 
Werk. Zur Seite steht ihm dabei Akba, der älteste
	        
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