Beständig kommen Eingeborene mit Klagen und
Zwistigkeiten; Raub, Diebstahl und Bedrohung mit
dem Tode und mit Verkaufen scheinen nicht selten zu
sein. Augenblicklich schwebt eine böse Angelegenheit:
Eine Frau Kontus, des Häuptlings von Megge, be-
houptete, von einem Ketshenkimann verführt worden
zu sein. Die Meggeleute holten sich den betreffenden
Monn aus Ketshenki nach Yegge, prügellen ihn und
ließen ihn dann laufen, weil sich herausgestellt hatte,
daß die Frau die Anklage erdichtet hatte, um von
Kontu loszukommen. Darauf begaben sich die
Kesshenkileute nach Temerumu, woher die Frau
stommt, und raubten das ganze Dorf aus: 38 Schafe,
viele Schweine, Hühner, Gewehre, Pulver, Kauris,
Jeuge, Matten und Gummilugeln, sogenannte Rubber,
wurden nach Ketshenki gebracht. Nun kamen die
Leute der einzelnen Parteien zu mir, beriefen sich
auf Dr. Wolf, der ihnen gesagt habe, der deutsche
Kaiser wolle nicht solche Ueberfälle, sondern Frieden
in Lande. Ich habe nun nach Ketshenki zum Häupt-
ling gesandt, um zu versuchen, die Sache irgendwie
beilegen zu können. Doch war derselbe nach Peren.
auf mehrere Tage gegangen, um dort „Fetisch zu
machen.“
Die hiesige Gegend wird ziemlich stark von
Händlern besucht: von Fasugu, von Kratyi, von
Tihautsho und auch von Accra und Quitta konnte
ich den Besuch von Händlern feststellen. Viele dieser
Leute kommen auf die Station. Vor einigen Tagen
erschien eine etwa sechs Mann starke Botschaft des
Häuptlings Sofo von Kete mit einem in gulem
Englisch verfaßten Brief, in dem er mich um
meinen Einfluß zur Wiedererlangung zweier Kühe
bal, die einigen seiner Händler in Kedjewi geraubt
worden waren. Gleichzeitig wollte er von der
Stotion eine Menge Sachen kaufen und bat auch
um meine Adresse.
seinen Wünschen willfahren.
Das Wetter ist bisher nicht sehr marschgünstig ge-
wesen; seit meinem Abmarsch von der Küste habe
ich beinahe jeden Tag Regen gehabt.
Ein zweiter Bericht ist vom 28. September datirt.
Es heißt wie folgt:
Am 31. v. Mts. kehrte ich von meiner Anyanga-
und Pesi-Reise zurück und fand die Station in
gutem Zustande vor. Die Fruchlbarkeit des Bodens
und das Verständniß, welches Herr Conradt bei
seiner regelrechten Bearbeitung hatte walten lassen,
hatte an Feldfrüchten so viel gezeitigt, daß allein
gegen 11.000 Maiskolben von den Stationsfeldern
zum Unterhalt an die Leute ausgegeben werden
lonnten. Dies ist wohl eine nicht unbedeutende Er-
spamiß. Der Ertrag war weit größer, doch ist
bei dem beständigen Regen viel verfault; Manches ist
auch gestohlen worden. Auch Yams und Maniok
slehen prächtig, ersterer liefert bereits einigen Ertrag,
ebenso die hier sehr gut gedeihenden Erdnüsse, welche
Herr Conradt zur Oelbereitung später an-
pflanzen wollte. Der Reis im unteren Garten schießt
Natürlich konnte ich nicht allen
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schon hoch auf, Tabak ist sehr gut, Kaffee in geringer
Anzahl aufgegangen. Alles dieses beweist, was land-
wirkhschaftlich bei verständiger Bewirthschaftung hier
erzeugt werden kann.
Wir Europäer haben augenblicklich an europäischen
Gemüsen die Hülle und Fülle. Kohlrabi, Bohnen,
Schoten, Moorrüben, Gurken, Petersilie, Salat,
Pfefferkraut und Kohl und Radieschen sind in
großer Menge vorhanden und täglich auf unserem
Mittags= und Abendtisch.
Auf den Feldern schießt zwar allenthalben wild
wucherndes Unkrant hervor, doch läßt sich leider jetzt
bei den täglichen Regengüssen nichts dagegen machen.
Ueberhaupt richtet der beständige NRegen mannigfachen
Schaden an. Wie schon erwähnt, ist Manches auf
den Feldern und im Garten verfault, die an dem
abschüssigen Westrand der Station stehenden Palissaden
sind völlig unterwaschen und stürzen überall ein, und
manche Vorräthe im Vorratsthurm (3. B. Reis)
beginnen stockig zu werden, weil seit Wochen die
Gelegenheit sehlt, sie einmal zu sonnen.
Der Viehstand der Station ist in gutem Zu-
stand. ·
Der Gesundheitszustand der Station ist im All-
gemeinen gut. Durchschnittlich erscheinen morgens
um 6 Uhr, zu welcher Zeit sich die Kranken bei mir
einzufinden haben, zwei Mann, gewöhnlich mit leichten
Leiden (Muskelschmerz und Verslopfung besonders
häufig). Schwere Erkrankungen sind selten. Am
11. v. Mts. starb der sehr brave Hausjunge Palave
an einer sich in Geschwüren äußernden Krankheit.
Da er zu Allem zu gebrauchen war — besonders
Präpariren von Thieren war seine Sache — so
war sein Tod ein empfindlicher Verlust. Vorläufig
wird er, bis Ersatz für ihn da ist, durch einen Wai
vertreten, für dessen Ausfall ich einen hier Arbeit
suchenden Minike-Mann angenommen habe.
Was den Gesundheitszustand der Curopäer an-
belangt, so bin ich ein paar Tage an Fieber bett-
lägerig gewesen. Während der Zeit hat Herr
Conradt die meteorologischen Beobachtungen über-
nommen und führt sie auch jeßt weiter fort, damit,
wenn ich wieder in den Busch gehe, nicht der be-
ständige Wechsel in den Beobachtenden eintrikt.
Was die tägliche Arbeit auf der Station an-
belangt, so macht der fortwährende Regen Feld-
arbeil fast unmöglich. Einige Leute haben beständig
mit dem Ausbessern der unter dem Regen recht
leidenden Häuser zu thun. Die anderen werden mit
dem Zubereiten von Gras beschäftigt, welches den
sehr nothwendigen Schweinestall decken soll, dessen
Anfänge schon vor meine Zeit reichen.
Herr Conradt hat sich während meiner Ab-
wesenheit und seit meiner Rückkehr mit großem
Fleiß mit anthropologischen Messungen, mit dem
Aufstellen eines Wörterbuches der Adeli-Sprache
und mit dem Sammeln von vielem ethnologischen
Material beschäftigt. Er ist sehr zufrieden mit seinem
Werk. Zur Seite steht ihm dabei Akba, der älteste