Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

— 21 
resident magistrates die für die Distrikte Rigo 
und Mekeo angestellten government-agents drei 
andere Europäer und zwei Eingeborene wirksam. 
Es wird bemerkt, daß die Ernennung weiterer 
government agents ein dringendes Bedürfniß sei, 
aber beim Mangel der erforderlichen Mittel zurück- 
gestellt werden müsse. 
Die Geschäftsübersicht zeigt, daß 
a) die Zahl der vor den central court gestellten 
Angeschuldigten sich auf 45 belief. Am Schlusse des 
Berichtsjahres schwebte das Verfahren noch gegen 17. 
Das Urtheil war ergangen bei 28, und zwar waren 
24 mit Strafe belegt, 4 freigesprochen. Von den 
Ersteren waren 21 (sämmtlich Eingeborenc) wegen 
Mordes bezw. Raubes zum Tode verurtheilt. In 
20 Fällen waren auch die Opser der Verbrechen 
Eingeborene, und lagen die Beweggründe in Blut- 
rache, Verdacht der Zauberei, alten Stammesfehden. 
Die Todesstrafe wurde in Freiheitsstrase umgewandelt. 
Nur in einem Falle, in welchem die Ermordung 
eines unbescholtenen, arbeitsamen, mit den Einge- 
borenen stets auf bestem Fuße stehenden chinesischen 
Händlers den Gegenstand der Untersuchung gebildet 
hatte, wurde die Todesstrafe vollstreckt. 
b) Vor den courts of petty sessions hatten 
sich 13 Angeschuldigte zu verantworten, von welchen 
8 verurtheilt wurden. 
Der Bericht hebt mit Befriedigung hervor, daß 
ein Strafsall wegen Verkaufs von Waffen und Mu- 
nition an Eingeborene nicht anhängig gewesen sei, 
und daß wegen Abgabe von Spirituosen an Einge- 
borene nur gegen drei Personen vorzugehen gewesen 
wäre, von welchen zwei freigesprochen wären. 
c) Die native magistrates courts verhandel- 
ten gegen 79 Personen, von welchen 68 verurtheilt 
wurden. Unter den Letzteren befanden sich 13, welche 
gemäß der gegen den Ehebruch unter Eingeborenen 
gerichteten Verordnung (siehe oben) bestraft wurden. 
Der Bericht spricht die bestimmte Erwartung aus, 
doß, je häufiger Ehebruchsfälle zur gerichtlichen Ver- 
hondlung gelangten, umsomehr die Zahl der gegen 
dos Leben gerichteten Vergehen abnehmen würde. 
Vier Eingeborene sind bestraft wegen Uebertretung 
der Verordnung, welche die Beerdigung der Todten 
auj dem dafür bestimmten Platze vorschreibt. Es 
wird die Bemerkung angeknüpft, daß die Sitte, die 
Leichen unter oder nahe bei dem Hause zu vergraben, 
so tief eingewurzelt sei, daß es großer Festigkeit und 
Geduld bedürfen würde, um die gesundheitsschädliche 
Gewohnheit auszurotten. Namentlich werde dies 
schwer durchführbar sein in dem Distrikt einer Missions- 
gesellschasft, von welcher einige Mitglieder die Ein- 
geborenensitte vertheidigten. 
Während die Strafrechtspflege einen verhälltniß- 
mäßig großen Umfang angenommen hatte, ist die 
Thäligkeit der Gerichte nur in einem Civilprozesse, 
bessen Gegenstand #& 7 betrug, hervorgetreten. 
Für die Beurtheilung der Rechtspflege macht der 
  
Bericht auf zwei besonders bezeichnende Thatsachen 
aufmerksam: 
a) Das gesebliche Verhalten der enropäischen An- 
siedler. Insbesondere wird den Goldgräbern auf 
den Inseln Misima (St. Aignan) und Tagula (Südest) 
das höchste Lob gezollt. In den zurückliegenden 
ersten vier Jahren des Bestehens der Kolonie ist 
nur einmal gegen einen Europäer ein Verfahren 
wegen Ermordung eines Eingeborenen bei Gericht 
anhängig geworden. Dieser Fall, in welchem sich 
der Thäter selbst gestellt hatle, hat mit Freisprechung 
geendet. 
Außer diesem ist nur ein einziger Fall von Mord, 
von einem Europäer an einem Eingeborenen begangen, 
vorgekommen. Der Thäter entzog sich durch die 
Flucht der Ergreifung und ist schließlich im deutschen 
Theile von Neuguinea getödtet worden. 
b) Das überraschend große Verständniß der 
Papuas für gerichtliches Verfahren und ihren 
scharfen Rechtssinn. In dieser Beziehung wird er- 
wähnt, daß der Angeklagte in vielen Fällen hervor- 
gehoben habe, er habe die Strafbarkeit einer That 
nicht gekannt, oder daß er eine ihn belastende Aus- 
sage deshalb angefochten habe, weil der Zeuge nur 
von Hörensagen und nicht aus eigener Wissenschaft 
etwas bekunde. 
Infolge der vermehrten Thätigkeit der Gerichte 
hat auch das Gefängnißwesen einen größeren Umfang 
annehmen müssen. Es bestehen zwei Hauptgefängnisse: 
a) in Port Moresby mit einem Zugang von 65 
und einem Abgang von 40 Gefangenen. Die 
Zucht in dieser Anstalt und die Gewöhnung 
an regelmäßige Arbeit wird als ein werthvolles 
Erzichungsmittel der Eingeborenen angesehen. 
In manchen Distrikten sind frühere Gefangene 
die besten Stützen für die Regierung. 
in Samarai mit einem Durchschnittsbestand von 
12 bis 15 Insassen. 
III. Verwaltung. 
Abgesehen von der Rechtsprechung ist die Thä- 
tigkeit des Administrators und der ihm beigegebenen 
Beamten vornehmlich darauf gerichtet gewesen, den 
Einfluß der Regierung unter den Eingeborenen aus- 
zubreiten und an Stelle der bewaffneten Neutralität, 
in welchem Verhältniß früher die Stämme zu ein- 
ander standen, einen Zustand gesetzlicher Ordnung 
zu setzen. Um dieses Ziel zu fördern, sind sowohl 
der Administrator als auch die Distriktsbeamten viel- 
fach unterwegs gewesen; insbesondere hat der Erstere 
im Berichtsjahre fast alle per Schiff erreichbaren 
Theile der Kolonie besucht. 
Besonders bemerkenswerth ist ein zweimaliger 
Besuch der Kiriwina= (Trobriand-) Gruppe. Diese 
niedrigen Koralleninseln werden von einer Bevöl= 
kerung bewohnt, welche derjenigen der benachbarten 
Festlandsdistrikte in Bezug auf geistige und körper- 
liche Fähigkeiten bei Weitem überlegen ist. Sie steht 
nach der Meinung des Administrators den Polyne- 
b
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.