Stellung. Es befindet sich ihr gegenüber auf etwa
2500 m Entfernung eine nach europäischen Begriffen
bessere Stellung, mit reichlicher Wasserversorgung,
Letzteres bei den hiesigen Verhälmissen von besonders
wesentlicher Bedeutung. Denn dadurch ist auch dem
Angreifer Gelegenheit gegeben, sich einzurichten und
das Weitere in Ruhe vorzubereiten."
Kurze Zeit nach dem Eintreffen der Schutztruppe
erschien aus dem feindlichen Lager ein Reiter mit
weißer Fahne, um im Auftrage Hendrik Witboois
mit dem Führer der Truppe zu unterhandeln und
um „Frieden“ zu bitten. Da die aus Windhoek
erwarteten Verstärkungen noch nicht eingetroffen
waren, nahm Major Leutwein die Vorschläge des
Unterhändlers nicht ungern auf. Die Bedingungen,
die den Witboois gestellt wurden, waren völlige
Unterwerfung des Stammes, Ablieserung der Waffen
und der Munitionsvorräthe und Anerkennung der
deutschen Schußherrschaft. Dabei wurde Hendrik
und seinen Leuten das Leben zugesichert und nur
von Ersterem verlangt, daß er sich solange nach
Windhoek in eine milde Gefangenschaft begebe, bis
höheren Orts eine Entscheidung über den ihm zu-
zuweisenden künftigen Anfenthalt getroffen sein würde.
Hendrik suchte zunächst einer unzweidentigen Ant-
wort auszuweichen und kam dann immer wieder auf
die Bitte zurück, die Schutztruppe möge sich zunächst
zurückziehen, damit er in Ruhe mit seinen Groß-
mannen über die wichtige Angelegenheit berathen
könne. Nachdem die gewährte Bedenkfrist wiederholt
verlängert war, brach Major Leutwein die Ver-
handlungen ab und ließ am 9. Mai das Feuer
wieder eröffnen. Er sah sich hierzu umsomehr
veranlaßt, als an diesem Tage die Nachricht eintraf,
daß Witbooi am 1. Maoi, während die Truppe sich
auf dem Anmarsch gegen die Nanklust befand, einen
Ueberfall gegen die Rehobother Bastards verübt und
zahlreiches Vieh geraubt hatte.
Die nächsten acht Tage brachte Major Leutwein,
wie er weiter berichtet, mit Erkundungsgesechten, den
Gegner ermüdenden Alarmirungen sowie mit per-
sönlicher Rekognoszirung der feindlichen Stellung zu.
In den kleineren Gesechten während dieser Zeit wurde
auf deutscher Seite ein Mann leicht verwundet,
während die Hottentotten nachweisbar zwei Schwer-
verwundete hatlen. Aus der persönlichen Erkundung
zog Major Leutwein zwei Schlüsse: Daß er mit
der ihm zur Verfügung slehenden Macht Witbooi
zwar schlagen aber nicht vernichten könnte, und
zweitens, daß die Stellung Witboois zu einer Ab-
schließung und daher vielleicht Vernichtung desselben
ganz besonders geeignet sei, so daß es taklisch un-
richtig wäre, ihn daraus zu verdrängen. Nachdem
er inzwischen auch von der Entsendung eines Ver-
stärkungs-Kommandos aus Deutschland Kenntniß er-
halten hatte, beschloß er, den Hauptschlag gegen
Witbooi bis nach Eintreffen der Verstärkungs=
mannschaften zu verschieben. Als daher Witbooi
gegen Ende des Monaks die Unterhandlungen wieder
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anknüpfte, gewährte er ihm eine zweimonatliche
Bedenkzeit bis zum 1. August, um sich über die An-
nahme der ihm gestellten Bedingungen schlüssig zu
machen. Hendrik versicherte in einem von Friedens-
betheuerungen überfließenden Briese vom 24. Mai
feierlich, bis dahin alle Feindseligleiten ruhen zu
lassen. Einige Stunden nach Empfang dieses Briefes
begab sich Major Leutwein in Begleitung eines
Offiziers und zweier Reiter persönlich in das Lager
Witboois in der Nankluft und hatte mit Hendrik
eine Unterredung. Er berichtet hierüber:
„In höflicher Form und unter entsprechender Be-
gründung schlug ich ihm seine vorgebrachten Bitten
wegen Freilassung einiger wegen Verdacht des
Munitionsschmuggels verhafteler Leute ab und
fragte ihn dann, ob er mir noch ekwas zu sagen
habe, ich sei gerne bereit, ihm auf Alles Auskunft
zu geben. Er erwiderte, er sei lediglich er-
schienen, um mich zu begrüßen, und freue sich, daß
ich zu ihm gekommen sei. Ueber alles Weitere wolle
er sich Bedenkzeit vorbehalten und hoffe er, mir
dann später klare Antwort geben zu können. Wir
trennten uns dann in der freundschaftlichsten Weise.
Wilbooi sieht zur Zeit nicht gesund aus und
scheint recht leidend; seine Leute hatten mir bereits
vorher gesagt, der Kapitän sei gegenwärtig krank.
Im Uebrigen aber ist er eine Erscheinung
von ansprechendem Aeußeren und hinterläßt einen
durchaus guten Eindruck.
Ob Witbooi den Waffenstillstand halten wird,
ist bei seiner phantastischen Gesinnung, die in slarke
Selbstüberhebung ausartet, sowie bei der aalglatten
Gewandtheit, mit welcher er Alles zu drehen
weiß, um selbst stets als der unschuldige und an-
gegriffene Theil zu erscheinen, mit Bestimmtheit nicht
voraus zu sagen. Den guten Willen dazu hat er
gegemwärtig gewiß, und habe ich diesen guten Willen
durch Anordnungen, welche einen Bruch des Waffen-
stillstandes für ihn einigermaßen bedenklich erscheinen
lassen, unterstützt. Außerdem habe ich Vorsorge ge-
troffen, daß ich durch Spione und Patrouillen von
Allem, was er unternimmt, möglichst bald benach-
richtigt werde.“
Aus dem Briefwechsel zwischen Major Leutwein
und Hendrik Witbooi theilen wir nachstehend noch
einige Stellen mit, die zwar zur Sache von ge-
ringerem Inleresse sind, jedoch auf die Denkungsart
und den Charaktler des Hottentottenhäuptlings
bezeichnende Streiflichter werfen.
Naanklof, den 4. Mai 1894.
Mein lieber hochedler Deutsch-Kaiserlicher Herr,
Stellvertreter v. Frangois.
Euer Edeln fragen mich, ob ich Frieden mit
Ihnen will machen oder Krieg? Darauf antworte
ich: Frangois weiß es ganz gut und Ener Hoch-
edeln auch, obwohl Euer Edeln nicht hier waren,
l
daß ich von Alters her mit Ihnen, mit Frangois
und mit allen weißen Leuten Frieden gehalten habe.