daß der Führer von Anfang bis zum Ende ihm
verantworklich bleibt. Es ist gerade auf diesem
Gebiete der Privatexpeditionen viel an unseren Schutz-
gebieten gesündigt worden. Und wenn noch immer
manche Stämme sich nicht mit der Herrschaft der
Wadatschic befreunden können, so ist es unsere
Ueberzeugung, daß die Schuld vielfach in dem Treiben
der Privatexpeditionen zu suchen ist.
Wirr wollen nicht verkennen, daß in der Erfor-
schung Akrikas und besonders unserer Schutzgebiete
bis in die letzte Zeit hinein deutsche Männer Großes
geleistet haben, wollen mit unserer Freude nicht zu-
rückhalten, daß deutsche Forscher so hervorragenden
Antheil haben an der Erschließung des dunklen Erd-
theils. Aber ebenso wenig wollen wir verschweigen,
daß es uns tief schmerzlich ist, daß unter diesen
Leistungen der deutsche Name nicht unbefleckt ge-
blieben ist.“
Dem Briese einer nach Südwestafrika überfledelten
Rolonistenfamilie
vom April 1894, in „Unter dem rothen Kreuz“ ab-
gedruckt, entnehmen wir Folgendes:
„Ich habe lange nicht geschrieben, weil in der
ersten Zeit unseres Hierseins so Vielerlei auf uns
einstürmte und alles Neue, wie ich nicht leugnen
kann, häufig so eindrückend auf uns wirkte, daß es
manchmal unserer ganzen Energie bedurfte, um in
diesem Kampse nicht zu unterliegen. Heute bin ich
aber, Gott sei Dank, so weit, daß ich Ihnen aus
vollem Herzen schreiben kann, wir sind zufrieden und
hoffen mit der Zeit ebenso glücklich und heiter zu
werden, als wir es in unserem alten Heim waren.
Die kriegerischen Verhältnisse sind hier allerdings für
uns Ansiedler von Anfang an recht beängstigend ge-
wesen, und leider scheinen sie noch immer nicht sich
völlig klären zu wollen. Die eigenthümlichen Boden-
verhältnisse, die tiefen verstecklen Schluchten und
Schleichwege in den unwegsamen Klippen erleichtern
den Eingeborenen ihren hinterlistigen Kriegsplan;
das stellenweise recht knappe Wasser entbehren sie
gar nicht, und wochenlang nähren sie sich von
„Ointiese, einer Zwiebelart, die sie aus der Erde
graben und in Asche braten. Unsere ehrlichen tapferen
Soldaten werden hinterrücks angefallen, aus sicheren
Verstecken meuchlings niedergeschossen. Persönlich sind
wir Gottlob noch nicht in Gefahr gewesen, auch die
Reise von der Tsoakhaubmündung bis nach Windhoek
haben wir unter dem Schutze der Truppe auf das
Angenehmste, ohne jegliche Gefahr zurückgelegt. Es
war wirklich eine sehr interessante Reise. Die An-
siedler, die Truppe mit ihren Proviant= und Munitions=
wagen bildeten eine stattliche Ochsenkarawane, und
wenngleich die Reise fast 20 Tage dauerte, eine Ent-
fernung, die wir mit dem Eilzuge in acht Stunden
hätten zurücklegen können, so haben wir auch nicht
eine Stunde Langweile gespürt. Herzlich unbequem
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ist das Sitzen in den Ochsenwagen, und über Klippen
und Berge geht's, daß man sich wundert, mit heiler
Haut davonzukommen. Häufig stiegen wir aus,
um der Gesahr, umzuwerfen, zu entgehen, denn Sie
glauben nicht, in welchem Zustande sich der sogenannte
Weg befindet. Machmal steht der Wagen buchstäblich
auf dem Kopf. Sie können sich denken, daß Kisten
und Kasten auch tüchtig abzuhalten haben. Nachts
lagerten wir uns um die verschiedenen Feuer, kochten
unser Essen unter freiem Himmel und schliefen in
diesem prächtigen Klima herrlich. Sogar unser
kleines Töchterchen fühlte sich wohl und munter in
diesem Nomadenleben, und sie, wie wir Alle, hatten
unsere Freude an allem Neuen und Unbekannten,
das sich unserem Auge bot. Wir passirten wunder-
hübsche Gegenden, überall die schönsten Gebirgs-
partien, malerische Landschaften, an denen sich das
Auge kaum sättigen konnte; auch theilweise schönes
Gras und reichlich Wasser. Eine große Täuschung
war es uns allerdings, als uns gesagt wurde, wir
könnten unmöglich jetzt gleich eine Farm beziehen,
der Kommissar garantire weder Schutz für Ansiedler
noch für Vieh und rathe allen Ansiedlern dringend,
vorläufig in Windhoek zu bleiben. Man kann sich
vorstellen, daß dieser Ausspruch ein harter Schlag
sowohl für meinen Mann als auch für mich war.
Wir wurden erst in einem verlassenen Vertheidi-
gungsthurm in Klein-Windhoek untergebracht, es war
allerdings ein Dach über dem Kopfe, aber sonst ein
entsetzlicher Aufenthalt, Schießscharten anstatt Fenster,
Thüren gab es gar nicht; wir mußten abends cine
große Kiste vor die Oeffnung schieben, um vor Ueber-
sällen von Menschen oder Thieren sicher zu sein.
Ein Aufstieg, bestehend aus drei ungeheueren über-
einander gewälzten Steinen, bildete die sogenannte
Trepve, die nur mit Lebensgefahr erklommen werden
konnte, unser Töchterchen erreichte es überhaupt nicht,
dieses Hinderniß in Gestalt einer Treppe in Afrika
zu überwinden. Hier wohnten wir also in den
ersten Tagen unseres Lebens in unserem neuen Heim.
Nachdem unsere Koffer, Kisten und Kasten darin
untergebracht waren, blickten wir um uns, und Jeder
setzte sich auf eine Kiste und ich gestehe es gern, uns
wurde das Herz recht, recht schwer!! Aber ller
Anfang ist schwer- und HAuf Nacht folgt Tage.
Es wurde auch wieder besser für uns. Getheiltes
Leid ist zudem auch nur halbes Leid, das erkannten
wir, wenn wir von unserem Thurm in das ent-
zückende, liebliche Thal von Klein-Windhoek hinab-
blickten und dann unsere Reisegesährten, die anderen
Ansiedler, sich auch nach besten Kräften einrichten und
häuslich niederlassen sahen, einige in Zelten, andere
in Wagen, und wenn wir uns erinnern, daß für
Jeden diese ersten Tage gewiß bitter waren. Die
Herren v. Frangois brachten meinen Mann dann
auf den Gedanken, lieber — da es mit der Farm
doch noch weite Aussichten hätte — ein Grundstück
in Groß-Windhoek zu erwerben und dort einen so-
genauten Store, kaufmännisches Geschäft, zu gründen