Nach Aussage der Eingeborenen waren wir die
ersten Europäer am Gestade des Sees.
Es existirt die Sage unter den Eingeborenen,
daß im Balballsee früher eine Schlange „Nundo“
(Suaheli-Name) oder „Mrotossi“ (Dschagga-Name)
vom Märuberg heruntergestiegen sei und Alles,
Menschen und Thiere, gefressen und ein Jahr
in dem See gelebt habe. Dann soll dieselbe zur
Küste nach Kipumbue gegangen und im Meere ver-
schwunden sein.
Noch jetzt scheuen sich die Wamärus, bis zum
See hinabzugehen. Unsere Führer blieben auch in
einiger Entfernung stehen und gingen, als sie die
Erlaubniß erhielten, so schnell wie möglich fort.
Als wir den See zu sehen wünschten, fragten die
Eingeborenen, ob wir in demselben schlafen wolllen.
Es ist hier ein allbekanntes Gerücht, an welches
sogar die Wadschaggas glaubten, daß die Europäer
im Wasser schliefen, da sonst ihre Haut (usso) nicht
so sehr weiß (peope mno) sein könne.
Betreffend die Abstammung der Wamärn habe
ich in Erfahrung gebracht, daß dieselben zuerst
Massais waren, welche, durch Hungersnoth gezwungen,
sich am Märuberg angesiedelt haben. Sie waren
ein starkes Volk, welches durch eine verrätherische
Niedermehzelung des größten Theils ihrer Männer
durch die Waruscha ju zur Unterwerfung gezwungen
wurde. Die Waruscha ju sind derselbe Stamm wie
die Wadschaggas, mit Massais und Wadschaggas
vermischt.
Eine weitere Eigenthümlichkeit des Märugebirges
ist, daß mit Ausnahme von zwei Flüssen sämmtliche
übrigen Gewässer am Fuße des Gebirges entspringen.
Es mag dies durch den steilen Abfall des Märn-
berges, der auch zeitweise mit Schnee bedekkt ist,
herrühren.
Ferner bemerke ich, daß ein großer Theil der
bis jetzt in Umlauf gesetzten Pesas von den Waruscha in
und Massais als Ohrschmuck benußt wird. Der
Umtausch dieser Münzen geschieht in der Landschaft
Madschame, woselbst der große Massaimarkt statlfindet.
Rarawanenweg zwischen Kyassa und Tanganvika.
Aus Langenburg, den 2. Juni 1894, berichtet
der Stationschef v. Elh an den Kaiserlichen Gouver-
neur Folgendes:
Ew. Excellenz melde ich gehorsamst, daß ich gestern
am 1. Juni von meiner Reise zur Auffindung eines
bequemen Weges durch deutsches Gebiek, vom Nyassa
nach dem Tanganyika, zurückgekehrt bin.
Es führen vom Konde zwei Wege über das Ge-
birge nach der Hochebenc, der eine dicht am Songwe,
der andere etwas nach Norden abbiegend; für Kara-
wanen kann nur dieser in Betracht kommen, da der
Weg am Songwe nicht genügend Unterhalt für eine
gröstere Anzahl von Leuten bieten würde.
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Der große, äußerst begangene Weg bietet nur an
wenigen Stellen einige Schwierigkeiten für Reitthiere,
aber auch diese Stellen können leicht umgangen
werden.
Der Weg führt einen Tag durch die Ebene, am
zweiten Tage ersteigt man das Gebirge ohne jede
Anstrengung und kommt am dritten Tage in das
dicht bevölkerte und reich bebaute Thal des Kiin,
Nebenfluß des Songwe. Die Landschaft heißt Bun-
dale, die Bevölkerung ist mit den Wakonde sprach-
und sittenverwandt. Hier ist die Nahrung überaus
reichlich und billig zu haben. Am vierten Tage
erreicht man entweder das Dorf Muini Kinga — auf
der Karte verzeichnet, doch liegt das Dorf viel mehr
flußaufwärts —, oder aber man geht über einen Höhen-
rücken von malerischer Schönheit und erreicht das
Dorf Muini Wung# am Songwe. Der Umweg
über Muini Kinga nach Muini Wungu ist voll-
ständig eben. Weiter führt der Weg stets am Songwe
laufend über vollständig ebene Flächen bis nach
Kivinda, welches bereits in Unyika liegt, bei Kitete
passirt man den Songwe und geht am Katendo,
Nebenfluß des Songwe, welcher nunmehr auf kurze
Zeit die Grenze bildet, nach Membe, welches an den
Quellen des Katendo liegt. Bis zu diesem Punkte
ist der Marsch in sieben bis acht Tagen leicht zu
machen, Membe liegt aber bereits viel westlicher als
die englische Zwischenstation Muenzo, welche von
Karonga nur selten in sieben Tagen erreicht wird,
von denen drei Tage Gebirgsmärsche sind; es ist
also der Weg in unserem Gebiete nicht nur kürzer,
sondern auch leichter. Die Warombi und Wanyika
sind fleißige, freundliche Leute, sie sind alle bereit,
Lasten zu tragen, gehen aber nicht weiter als bis
nach Mslankwa, da sie mit den Wanyamanga und
Wafipa verfeindet sind. In Membe oder Msankwa
wird daher ein Trägerwechsel vorgenommen werden
müssen. Soll eine Etappenstation eingerichtet werden,
so ist der Platz für diese an einem der genannten
Orte.
Ich hatte beabsichtigt, weiter bis nach Mtinga zu
gehen, annehmend, daß in der Zukunft der Saisi,
auf der Karte Sasi, späterhin die natürliche Grenze
zwischen den Nyassa= und Tanganyikabczirlen sein
würde. Bis nach Mtinga wohnen die Wanyika,
ausgenommen eine Strecke, welche die Wanyamanga
besitzen, von Mtinga an ist das große Land der
Wafipa bis nach dem Tanganyika.
Bereits in Kitete wurde davon gesprochen, daß
Merere einen Kriegszug vorbereite. Als ich von
Membe nach Msankwa aufbrechen wollte, krafen Leute
ein, welche meldeten, Merere wäre in Unyika ein-
gebrochen. Ich mußte meine Reise aufgeben und
ging eilends zu den Quellen des Songwe, in deren
Nähe Merere, wie ich unterrichtet wurde, passiren
mußte.
Noch bei Nacht abmarschirt, erreichte ich die
Landschaft und das Dorf Kalingo erst am späten
Nachmittage. Kalingo liegkt etwa dort, wo auf der