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In dem Maße wie infolge des überwiegenden
Steppencharakters von Deutsch-Ostafrika die Chancen
für jenes sich vermindern, nehmen sie für dieses zu,
und daher gebührt dem Kameel ein besonderes, wirth-
schaftlich dasjenige des Elefanten weit übersteigendes
Interesse. Es ist ein eigentliches Wüsten= und
Steppenthier und gedeiht nur in trockenen heißen
Landstrichen. Feuchtes Klima verträgt es nicht; die
Ebene zieht es dem Gebirge vor. Sein Futter-
bedürfniß ist ein außerordentlich geringes, es begnügt
sich mit schlechter Kost und kann bekanntlich Wasser-
mangel länger ertragen als irgend ein anderes Last-
thier. Diese absonderlichen Eigenschaften machen es
zum geeignetsten Verkehrsvermittler in sterilen Ebenen,
sie erklären seine heutige Verbreitung in Nordafrika,
obwohl die ursprüngliche Heimath des Thieres weit
von dort, in den Wüstensteppen West= und Süd-
asiens liegt. Ueber die Saharaländer dehnt es sich
nicht weit nach Süden aus. Prof. Wohltmannd)
giebt an, daß etwa mit 12° nördl. Br. im Innern
Afrikas die Kameelzucht aufhöre. An den Küsten
aber sind die Thiere weiter südlich verbreitet. Noch
in Deutsch-Ostafrika werden einige an den Küsten-
plätzen gehalten, wenn auch nicht gezüchtet. Ich sah
mehrere in Tanga, wo sie den Göpel einer Oelpresse
trieben, in Pangani arbeiten sie in der einheimischen
Zuckerindustrie, auf der Insel Sansibar werden sie
gleichfalls gehalten. Im Innern unseres Landes
kommen sie nicht vor, wiewohl sie dort, wie wir
sehen werden, günstigere Bedingungen finden als an
der Küste.
Für Temperakurdifferenzen scheint das Kameel
wenig empfindlich zu sein, um so mehr für Terrain=
schwierigkeiten und Feuchtigkeit. Das ergiebt sich aus
den Erfahrungen, welche mit Einführungsversuchen
in verschiedenen Ländern gemacht wurden. In Indien,
wo noch sehr viele Thiere in Gebrauch sind und auch
zum Ziehen benußzt werden, haben sie nach Wickham
in den letzten 60 Jahren einen entschiedenen Miß-
erfolg aufzuweisen. Im asghanischen Kriege 1878/80
verlor die englische Armee nicht weniger als 40 000.
Vor mehreren Jahrzehnten gemachte Versuche, Kameele
auf Java einzubürgern, sind gänzlich gescheitert.
Wiederum in trockenen Strichen der gemäßigten Zone
haben sie sich bewährt. 1622 wurden sie in Toskana
eingeführt und leben dort noch heute im Gebiete von
San Rossore (bei Pisa) auf einer großen sandigen
Ebene. In Südspanien ist ihre Einführung und
Zucht gleichfalls gelungen. Die Regierung der Ver-
einigten Staaten von Nordamerika kaufte 1856 in
Smyrna 75 Dromedare, um sie in den Einöden von
Texas, Arizona und Neumexiko als Lastthiere zu
verwenden. Der Bürgerkrieg brachte ihnen wechsel-
volle Schicksale. Sie gewannen theilweise die Frei-
heit und sollen noch heute vereinzelt in der Llano
Estacado von Nordtexas, sowie in der Wildniß von
Arizona und Kalifornien vorkommen.
*) Tropische Agrikullur I, S. 432.
Es geht daraus hervor, daß der Verbreitungs-
bezirk der Kameele wohl einer künstlichen Erweiterung
fähig ist, wenn die Grundbedingung, trockenes, ebenes
Land, erfüllt wird.
In Nordafrika legen Lastkameele bis 50 km pro
Tag zurück, durchschnittlich 4 km die Stunde, und
werden belastet bis zu 150 kg (als Höchstgewicht
hat die ägyptische Regierung rund 250 kg fest-
gesetzt). Auf längeren Karawanenreisen mit noth-
wendigen Rasten beträgt ihre mittlere Tagesleistung
25 bis 30 km. Aus der Zucht ist interessant, daß
man die Wüstenkameele von Jugend auf daran ge-
wöhnt, nur alle 4 bis 6 Tage getränkt zu werden.
Ungleich erheblichere Strecken als die Lastkameele
legen die von den ägyptischen Botenreitern benußten
Thiere zurück.
Welche Aussichten bieten nun die besonderen
Verhältnisse unseres Zwischenlandes? Wohl der
gründlichste derzeitige Kenner des ganzen in Frage
kommenden Landkomplexes ist Dr. Baumann.
Derselbe streist in seinem Hauptwerke, nachdem er
die Verwendung von Eseln besprochen hat, auch die-
jenige der Kameele") und meint:
„Zur Erschließung der großen Steppengebiete,
welche, wie die Massaiebene, gegenwärtig nur zu
gewissen Jahreszeiten gangbar sind, würden Esel
nicht ausreichen, sondern müssen auch Kameele
herangezogen werden. Dieselben können aus Süd-
arabien (Aden) oder den Somalihäfen unschwer
bezogen werden und sind auch thatsächlich in ein-
zelnen Exemplaren an allen Küstenplätzen in Ver-
wendung. Auch hier müßte das Hauptgewicht
vorerst auf die Zucht gelegt werden, die natürlich
ebenfalls an möglichst krockenen Punkten in Angriff
zu nehmen wäre. Die Vorlandsnyika*) und der
Rand der Umbasteppe wären die küstennächsten
geeigneten Punkte. Sobald jedoch einige Resultate
erzielt sind, wäre die betreffende Station nach
Aruscha, das mit seinem Wüstenklima wie geschaffen
zum Kameelplatz ist, zu verlegen. Als Warte-
mannschaft kämen hierbei vor Allem Somali in
Betracht. Es ist selbstverständlich, daß das Kameel,
welches feuchtes Tropenklima nicht verträgt, nur
in den Steppenlandschaften zur Verwendung kommen
könnte, deren Erschließung jedoch dann erreicht
wäre.“
Man muß sich von vornherein klar machen, daß
die wenigen Kameele, welche heute an der Küste
leben, keinen Maßstab für die Möglichkeit oder Un-
möglichkeit ihrer Zucht im Binnenlande abgeben.
An der Küste sind die Verhältnisse sehr ungünstig.
Außer den ständigen Regenzeiten, welche das Land
monatelang durchtränken, kommen durch den Einfluß
des Meeres unregelmäßige Niederschläge hinzu, welche
eben die Kulturfähigkeit dieses Striches bedingen.
Für die Kameelzucht liegt in der somit hohen Feuch-
¾ Usambara S. 298. »
«SteppenditlichdeöUsaatbaragebtrges.