Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

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Es ist felbstverständlich, daß hier nur allmählich 
vorgegangen werden kann. Zunächst in der Nähe 
der Städte und Stationen, wo eine Beaufsichtigung 
möglich wird, und wo einerseits die Nutzhölzer den 
größten Werth haben, andererseits der Zerstörung 
am meisten ausgesetzt sind. 
Die Verfügung vom 12. Dezember 1898 sollte 
hier ein Interimistikum schaffen, sollte die Waldver- 
wüstungen nach Möglichkeit einschränken, den Beczirks- 
amtmännern die Wichtigkeit des Waldes, der 
Holzungen nahe legen, um später einen geordneteren 
Ausbau der Verhältnisse zu ermöglichen. 
Es war zu erwarten, daß von vielen Leuten, 
besonders Nichtfachleuten, die ganze Sache für ver- 
früht gehalten würde. Trotz der gegentheiligen Er- 
fahrungen, welche bisher fast alle Staaten gemacht 
haben, glaubt man ja zu gerne, selbst eine Ausnahme 
zu machen. Aber leider macht Ostafrika, wie wir 
gesehen, durchaus keine Ausnahme, hier bringt jedes 
Fahr welches zugewartet wird, einen unwiederbring- 
baren Schaden, so daß ich es für meine Pflicht halte, 
immer wieder auf die Gefahr aufmerksam zu machen, 
der wir entgegeneilen. Durch regelrechte Bewirth- 
schaftung der Waldbestände und Vermehrung der- 
selben können die Kolonien auch in pekuniärer Hin- 
sicht nur gewinnen. Nehmen wir uns ein Beispiel 
an den Holländern, die keine Mühe und Kosten 
scheuen, in ihren Kolonien seit Jahren eine geregelte 
Waldwirthschaft zu treiben. Sowohl den Pflanzern, 
den Eingeborenen wie dem Reich werden neue Ein- 
nahmequellen erschlossen. 
Wird dem Wildbrennen gesteuert, so wird der 
Neger gezwungen, seinen Boden intensiver und tiefer 
zu bearbeiten und wird dadurch größere Erträge 
erzielen, denn der Boden ist bisher nur in seiner 
obersten Schicht ausgenußt, da die Negerhacke selten 
bis über 7 cm tief den Boden lockert. Mit euro- 
päischen Instrumenken bearbeitet, giebt er noch 
überall gute Erträge. 
Wird von einer Kolonisirung Deutsch-Ostafrikas 
durch deutsche Kolonisten wegen der klimatischen 
Verhältnisse vorläufig noch Abstand genommen wer- 
den müssen, so steht doch dem Plantagenbau nichts 
im Wege. An der ganzen Küste, selbst auf den 
Sanddünen und im Ebbe= und Fluthgebiel bis vier 
Tagereisen ins Innere hinein giebt die Kokospalme 
gute Erträge. Sieben bis acht Jahre braucht sie 
allerdings, um heranzuwachsen, dann ist aber auch 
nur noch wenig Arbeit nöthig, und bei richtiger Aus- 
nutzung vermag sie pro Hektar 400 bis 800 Mark 
Reingewinn zu geben. Bisher ist dieselbe fast nur 
auf Kopra genutzt worden, wird auch das Koir aus- 
gebeutet, so lassen sich die Erträge fast verdoppeln. 
Wird die Kokospalme in genügender Anzahl an- 
gebaut, so werden auch Oelmühlen, Seifensiedereien 
und Koirfabriken entstehen, die einer Menge deutscher 
Landsleute Beschäftigung gewähren können. Durch 
die Oelkuchen und Heubercitung werden wir das 
  
Rindvieh an Stallfütterung gewöhnen und es sé vor 
dem Aufenthalt in der Regenzeit im Freien und den 
vernäßten Weiden bewahren können. Wir gewinnen 
Zugthiere für unsere Feldbearbeitung. In Kikogwe 
werden schon längst neben den Eseln Ochsen zum 
Pflügen benutzt. Wenn man der Rindererkrankung 
auf den Grund geht, findet man fast immer, daß 
nasse Weiden den Grund zur Seuche abgaben. 
Warum können die Wasegua, die genügend Höhen- 
weiden, warum die Waschamba in den Usambara= 
gebirgen sich Rindvieh halten? Weil dort das Vieh 
nicht gezwungen ist, die vernäßten Weiden aufzusuchen, 
sondern selbst in der Regenzeit Trockenweide hat. 
Daß in den Stationen das Vieh immer wieder an 
der Seuche erkrankt, liegt außer vorgenannten Grün- 
den auch daran, daß es zum Theil in die alten ver- 
seuchten Umfriedigungen, ohne daß diese vorher ge- 
nügend desinfizirt wären, getrieben worden ist. Mit 
den Pferden verhält es sich ähnlich. Wenn dieselben 
einigermaßen gewartet werden, so ist es auch in 
Afrika möglich, sie am Leben zu erhalten. Erste 
Bedingung hierfür ist, die Pferde an dem Genusse 
in Gährung übergegangenen Grases, welches jetzt 
ihre Hauptnahrung bildet, zu hindern. Das Gras, 
welches morgens und abends stets sehr feucht ist, 
wird bei der warmen Witterung durch Zersetzung 
der Eiweißstofse schon nach zwei bis vier Stunden 
unbrauchbar, wenn es nicht gestreut wird. Sind 
Zugthiere und ist erst Dünger vorhanden, kann auch 
der Boden besser und tiefer bearbeitet werden. Fast 
überall gedeihen zudem die Bananen, Mangopflaumen, 
Apfelsinen, die deutschen Kartoffeln und Gemüse sowie 
die einheimischen, Mbasi, Kunde, Maniok, Bataten, 
Gurken, Kürbisse und viele andere. Auch der Anbau, 
die Aufzucht und Veredelung unserer afrikanischen 
Obstsorten, die in großer Anzahl vorhanden sind, 
würde an der Küste und in der Nähe derselben gewinn- 
bringend sein. In den Flußthälern und an feuchteren 
Stellen wird Reis angebaut. Hier gedeihen auch 
die Oelpalmen und das Zuckerrohr. Mais, Neger- 
hirse, Tabak, Baumwolle, Erdnüsse, Sesam, Thec 
und Kaffee wird angebaut und könnte noch in be- 
deutend größerem Maße angebaut werden. Auch die 
Kultur des Weizens würde in den Vorbergen Et- 
träge geben. Aber weil eben der Boden fast überall 
Erträge liesert und sicher Ostafrika noch cine Zukunft 
hat, wenn auch vielleicht noch Jahre darüber ver- 
gehen, so muß man vor allen Dingen die Wälder 
schonen und vermehren. Sie sind es, welche uns 
dann späterhin auch die Kolonisirung erleichtern und 
möglich machen werden. Alle Holzindustrien, die 
Holzfällung und Zubereitung, können außerdem eine 
hroße Anzahl von europäischen Arbeitern beschäftigen. 
 
	        
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