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Einfachheit, ja Armuth lebt. Ich sah deshalb auch
unter den Leuten wenig europäische Stoffe, und sind
auch hier die Hauptbekleidungsmittel gefärbte Rinden-
stoffe; bei besonderen Gelegenheiten pflegen sic den
Körper mit Rothholz zu bemalen. Eine große
Sorgfalt verwenden die Wutés, Männer und Weiber,
auf ihre Frisur, welche sie in langen Strängen von
vorn nach hinten über den Kopf ziehen und seit-
wärts in steisen Locken auslaufen lassen. Um diese
Haarc fest, ja steinhart zu machen, verwenden sie
eine Pomade aus Palmöl, Nothholz, Baumwachs
oder auch Lehm.
Das Kriegerabzeichen ist eine kleine, deckelartige
Holzmütze, welche auf der Frisur befestigt wird.
Es ist ein stolzer, selbstbewußter Stamm; ich
wurde hier niemals durch die sonst dem Reisenden
so lästigen Betteleien gestört, d. h. es ist eben hier
Alles, auch das Betteln, Monopol des Häuptlings.
Am folgenden Morgen sandte Ngila Essen für
meine Leute, bestehend aus Durrhakuchen und Gemise
mit gekochtem Biffelfleisch, und für uns Weiße
Hühner und Bier. Ich rüstete mich, um ihm nach-
mittags in feierlichem Aufzuge die für ihn bestimmten
Geschenke zu überreichen. Dieselben bestanden aus
10 Gewehren, 4 Fäschen Pulver, 1 rothen Haussalleid,
1 Schwert, einer großen Menge verschiedener Stoffe,
Dolchen, Feuersteinen und den üblichen Kleinigkeiten, als
Perlen, Spiegel, Messer, Schmuck u. s. w. Ganz
Ngila schien auf den großen Platz vor den Hütten
des Häuptlings ausgerückt, um unsere Gaben zu
sehen. Diese schienen Lionns Beifall gefunden zu
haben, denn nachdem er prüfend jedes einzelne Stück
gemustert hatte, gingen sie im Kreise seiner Großen
und Lieblingsweiber von Hand zu Hand, und wie
ein Kind bezeugte er durch Händeklatschen seine
Freude über das eine oder das andere Stück, das
ihm besonders gefiel.
Er sagte mir seinen besten Dank für die bedeu-
tenden Geschenke und vor Allem dafür, daß wir
wieder zu ihm gekommen seien, und bat mich nun,
auch das Wort des Weißen, welcher früher bei
Ngila war, wahr zu machen und einc Station zu
errichten; er würde mir hierzu den schönsten Platz
im Orte anweisen. Ich erwiderte ihm, aus meinem
Besuche könne er ersehen, daß es bekannt sei, daß er
und sein Volk die Freunde der Weißen seien, und
deshalb würden mir auch bald weiße Händler solgen,
welche ein dauerndes Handelsverhältniß mit ihm
anknüpfen würden. Was mich anbeträfe, könnte ich
nicht sehr lange bei ihm verweilen, da ich auch seine
Tributarherren in Tibati und wola besuchen müsse.
Daß er jedoch in hohem Ansehen bei uns stände
möge er daraus ersehen, daß wir den Weg dahin
nicht über das große Wasser, sondern über sein Land
genommen hätten. — Damit schien er zufrieden zu
sein und bat uns, in unsere Häuser zurückzukehren,
morgen werde er uns seine Gegengeschenke über-
reichen. So lange jedoch sollten wir seine Gesell-
schaft nicht entbehren, denn bereits am selben Abend
–
erschien er in meiner Wohnung, um mir einen soge-
nannten Privatbesuch zu machen. Nach einigen ein-
leitenden Redensarten ging er direlt auf sein Ziel
los. Er sagte mir, ich hätte ihm zwar große Ge-
schenke gemacht, und vor Allem hätten ihn die Ge-
wehre sehr erfreut, denn die Wuts seien ein kriege-
risches Volkl; aber von den 10 Stück, welche er
erhalten, hätte er 7 an andere Häuptlinge abgegeben,
so daß ihm nur 3 geblieben seien, und so möchte ich
doch noch einige zulegen. So sehr ich nun aller-
dings erstaunt war über die seltene Schamlosigkeit,
mit welcher mich Lionn kurz nach Empfang meiner
wirklich über das Maß hinausgegangenen Geschenke
anbettelte, konnte mich doch sehr bald in dieser Hin-
sicht nichts mehr in Erstaunen setzen, denn hiermit
begannen erst die unaushörlichen Betteleien, denen
ich während meines ganzen Aufenthaltes in Ngila
von Seiten des habsüchtigen Häuptlings ausgesetzt
war, denen er durch alle möglichen Mittel Nachdruck
zu verleihen suchte, und welche mir den Aufenthalt
derart verleideten, daß ich suchte, so bald als irgend
möglich wegzukommen. Selbstverständlich blieb ich
unempfindlich für jetzt und später, und konnte ich
bereits bei Empfang seiner Gegengeschenke den Grad
seiner Stimmung gegen mich bemessen, denn diese
bestanden aus 10 theilweise sehr kleinen Elefanten-
zähnen und einem recht minderen Pferde. Ich ließ
ihm auch mein Mißfallen darüber durch Cornelins
ausdrücken, und sagte er zu diesem, er würde mir
viele und große Geschenke machen, doch müßte ich
ihm auch noch viel geben, das hieß mit dürren
Worten, er wollte mit mir ein großes Tauschgeschäft
eingehen, bei welchem ich jedoch nicht hätte markten
dürsen. Darauf nun konnte ich mich selbstverständ-
lich nicht einlassen, und so trübte sich unser gegen-
seitiges Verhällniß mehr und mehr. Täglich mußte
ich stundenlang seine Betteleien ertragen, speziell
wünschte er absolut einen Hinterlader zu besitzen.
Wenn ich ganz taub für seine Bitten war, verlicß
er meist im Zorn die Hütte, und ich merkte bald die
Folgen desselben daran, daß es meinen Leuten nicht
möglich war, im Orte Lebensmittel einzukausen, da
Lionn seinem Volke verboten hatte, solche an uns
abzugeben. Allerdings wurden wir dann nachts
durch die Haussas mit Proviant versehen, doch war
es erklärlich, daß diese geriebenen Kaufleute hierbei
ihren Vortheil wahrnahmen und uns die Preise
entsprechend höher berechneten.
Ich möchte deshalb auch einer Handelskarawane
nicht rathen, unter den gegenwärtigen Verhältnissen
nach Ngila selbst zu kommen, da sie dort zu sehr
der Willkür des habsüchtigen Häuptlings ausgeseßzt
ist, vielmehr dürste der Platz für eine vorüber-
gehende Station eher an den Nachtigalfällen zu
finden sein.
Der dort herrschende Häuptling Nyumbe be-
suchte mich während meines Aufenthalts in Ngila
und hat auf mich einen bedeutend besseren Eindruck
als alle anderen Häuptlinge gemacht. Er theilte