Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

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noch keinen Südsee-Insulaner gesehen, der gewußt 
hätte, wann er geboren wäre. 
In seinem Gefolge befand sich auch der be- 
rüchtigte Kapen (Kapitän) Matu, ohne Zweifel die 
interessanteste Gestalt, welche ich auf der ganzen 
Reise zu Gesicht bekommen habe. Seine lange, 
hagere, starkknochige Gestalt mit dem braunrothen, 
vogelähnlichen, scharsgeschnittenen Kopf, dessen spär- 
liches ergrautes Haar, auf dem Scheitel in einen 
Knoten geschürzt, ebenso wie das eine Ohr mit dem 
zu einem riesigen Ohrringe künstlich umgebildeten 
Ohrlappen mit einem Busch schwarzer Federn ge- 
schmückt war, erinnerte unwillkürlich an eine der 
Indianergestalten Coopers. Man sieht es dem ver- 
wegenen und verwilterten Gesichte Kapen Matus 
an, daß er in Kampf und Fehde alt geworden ist 
und wohl Manches auf seinem Gewissen haben mag, 
was das Licht der Sonne zu scheuen hat. Da er 
auch von allen meinen Amtsvorgängern stets 
als eine der Ordnung nicht freundliche Persönlichkeit 
angesehen worden ist, so habe ich nicht versäumt, 
mich mit ihm etwas näher zu beschäftigen. Ich 
habe ihm nicht verhehlt, daß mir Manches über ihn 
zu Ohren gekommen sei, das mir nicht gefallen hätte. 
Es schiene ganz, als sei er der recht eigentliche 
Friedensstörer in Majuru, und ich warne ihn nun zum 
letzten Male ernstlich vor Schritten, die ihn mit der 
Kaiserlichen Negierung in Konflikt bringen könnten. 
Ich sei nicht gewillt, ihm das Geringste ungestraft 
hingehen zu lassen, und bei der leisesten Klage, daß 
er von Neuem Unfrieden anzustiften suche, würde ich 
ihn nach Jaluit bringen lassen. Er versprach hoch 
und theuer, Alles zu thun, was ich wünschen oder 
befehlen würde. Wenn ich auch auf seine Worte 
nicht viel gebe, so glaube ich doch, daß er aus 
Furcht schon für die nächste Zukunft wenigstens seinen 
ganzen Einfluß aufbieten wird, um Jibberick, der 
ziemlich abhängig zu sein scheint, in Ruhe zu 
hallen. 
Einc Viertelstunde später kam der Häuptting 
Kaibucki mit etwa 200 seiner Leute an, worauf 
sogleich cine reinliche Scheidung zwischen den beiden 
gegnerischen Völkern eintrat, indem die Einen den 
Platz rechts von mir, die Anderen den links ein- 
nahmen. Jede Annäherung wurde vermieden. 
Die beiden Häuptlinge mußten sich jeder auf 
eine Matte vor einer jungen Palme, an die die 
Flagge des Schutgebietes geheflet war, niederseßen, 
und nun begann ein langes Palawer mit ihnen. Wie 
immer leugneten sie Alles und schoben Einer die 
Schuld auf den Anderen. So setzte ich ihnen dann 
auseinander, daß nach dem Willen meines Kaisers 
hier im Schubgebiete Ruhe und Frieden herrschen 
sollte, und daß ich denjenigen, welcher zuerst von 
ihnen wieder zu den Waffen greifen sollte, auf eine 
einsame Insel verbannen würde. Sie wären ja 
Christen und wüßten, daß jeder Todtschläger seine 
That mit dem Leben büßen müßte. Es sei ein 
  
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schweres Unrecht, daß Jibbericks Leute einen Palmen= 
hain niedergehauen hätten; wer solche Frevel be- 
ginge, der verdiene, daß ihm die Hand abgehauen 
würde. In einigen Monaten würde ich mit einem 
Kriegsschiff kommen und sehen, ob sie gehorsam und 
friedlich gewesen wären oder nicht. Sie mußten nun 
in meiner Gegemwvart seierlich geloben, den gegen- 
seitigen Besitzstand, wie er seiner Zeit von Kommissar 
Biermann festgesetzt worden war, zu respektiren und 
unter allen Umständen Frieden zu halten. Sie ver- 
sprachen das unter Anrufung Gottes zu ihrem Zeugen, 
daß sie ihr Wort ehrlich halten wollten, und ich 
glaube, daß sie bis zu meiner Rückkehr Ruhe halten 
werden. 
Nachdem noch eine alte, von ehemaligen Schooner= 
ankäufen herrührende Schuldsache Jibbericks gegen 
Kaibucki zu beiderseitiger Zufriedenheit erledigt worden 
war, und die Häuptlinge und ihre Leute reichliche 
Geschenke, namentlich an Ehwaaren, Tabak und Bier, 
erhalten hatten, segelten sie im Laufe des Tages 
nach den verschiedenen Inseln wieder ab. 
Am Morgen des 31. Angust verließ der „Archer“ 
die Lagune von Majuru und erreichte am Nachmittag 
die Südwestspibe von Arno. Da nach zuver- 
lässigen Berichten hier in Arno die beiden Häupt- 
linge David und Wujelang ebenfalls in Feind- 
schaft lebten und schon vor einiger Zeit sich bewaffnet 
gegenüber gestanden hatten, so begab ich mich in 
Begleitung des Regierungsarztes Dr. Steinbach und 
des Polizcimeisters Kapitän Reiher sofort durch die 
Brandung über das Riff an Land, um die Leute 
auszusuchen. Wie immer wollic Keiner schuld an 
der Feindschaft gewesen sein, wenn sie auch die That- 
sache zugaben, daß sie bewaffnet und in kriegerischer 
Absicht sich gegenüber gestanden hätten. Rang= und 
Besitzstreitigkeiten und zulet noch Frauengeschichten 
haben offenbar zusammengewirkt, um die beiden sonst 
friedlichen Leute miteinander in Fehde zu bringen. 
Ich habe ihnen das Thörichte und Gefährliche ihres 
Beginnens nachdrücklich auseinandergesehzt und ihnen, 
falls sie auf mich nicht hören würden, mit Strafe 
gedroht und hatte am Ende die Genugthunng, daß 
sie wieder die besten Freunde wurden. David trat 
freiwillig an Wujelang das oberste Regiment über 
Arno ab, und zur Bekräftigung ihrer neuen Freund- 
schaft und um jede Möglichkeit von neuen Streitig- 
keiten auszuschließen, beschlossen sie, sich gegenseitig 
zum Erben einzusetzen und das Testament darüber 
bei der Landeshauptmannschaft in Jaluit nieder- 
zulegen. Das ist inzwischen von Seiten Wujclangs 
auch bereits geschehen; er ist mit seinen Unter- 
häuptlingen mir nach Jaluit gesolgt und hat hier 
am 15. September sein Testament in der angegebenen 
Weise gemacht sowie bei mir deponirt. David wird 
seinerseits, wenn ich mit dem Kriegsschisse nach Arno 
komme, in derselben Weise seinen bisherigen Gegner 
zu seinem alleinigen Erben für den Fall seines 
Todes einsetzen. 
 
	        
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