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noch keinen Südsee-Insulaner gesehen, der gewußt
hätte, wann er geboren wäre.
In seinem Gefolge befand sich auch der be-
rüchtigte Kapen (Kapitän) Matu, ohne Zweifel die
interessanteste Gestalt, welche ich auf der ganzen
Reise zu Gesicht bekommen habe. Seine lange,
hagere, starkknochige Gestalt mit dem braunrothen,
vogelähnlichen, scharsgeschnittenen Kopf, dessen spär-
liches ergrautes Haar, auf dem Scheitel in einen
Knoten geschürzt, ebenso wie das eine Ohr mit dem
zu einem riesigen Ohrringe künstlich umgebildeten
Ohrlappen mit einem Busch schwarzer Federn ge-
schmückt war, erinnerte unwillkürlich an eine der
Indianergestalten Coopers. Man sieht es dem ver-
wegenen und verwilterten Gesichte Kapen Matus
an, daß er in Kampf und Fehde alt geworden ist
und wohl Manches auf seinem Gewissen haben mag,
was das Licht der Sonne zu scheuen hat. Da er
auch von allen meinen Amtsvorgängern stets
als eine der Ordnung nicht freundliche Persönlichkeit
angesehen worden ist, so habe ich nicht versäumt,
mich mit ihm etwas näher zu beschäftigen. Ich
habe ihm nicht verhehlt, daß mir Manches über ihn
zu Ohren gekommen sei, das mir nicht gefallen hätte.
Es schiene ganz, als sei er der recht eigentliche
Friedensstörer in Majuru, und ich warne ihn nun zum
letzten Male ernstlich vor Schritten, die ihn mit der
Kaiserlichen Negierung in Konflikt bringen könnten.
Ich sei nicht gewillt, ihm das Geringste ungestraft
hingehen zu lassen, und bei der leisesten Klage, daß
er von Neuem Unfrieden anzustiften suche, würde ich
ihn nach Jaluit bringen lassen. Er versprach hoch
und theuer, Alles zu thun, was ich wünschen oder
befehlen würde. Wenn ich auch auf seine Worte
nicht viel gebe, so glaube ich doch, daß er aus
Furcht schon für die nächste Zukunft wenigstens seinen
ganzen Einfluß aufbieten wird, um Jibberick, der
ziemlich abhängig zu sein scheint, in Ruhe zu
hallen.
Einc Viertelstunde später kam der Häuptting
Kaibucki mit etwa 200 seiner Leute an, worauf
sogleich cine reinliche Scheidung zwischen den beiden
gegnerischen Völkern eintrat, indem die Einen den
Platz rechts von mir, die Anderen den links ein-
nahmen. Jede Annäherung wurde vermieden.
Die beiden Häuptlinge mußten sich jeder auf
eine Matte vor einer jungen Palme, an die die
Flagge des Schutgebietes geheflet war, niederseßen,
und nun begann ein langes Palawer mit ihnen. Wie
immer leugneten sie Alles und schoben Einer die
Schuld auf den Anderen. So setzte ich ihnen dann
auseinander, daß nach dem Willen meines Kaisers
hier im Schubgebiete Ruhe und Frieden herrschen
sollte, und daß ich denjenigen, welcher zuerst von
ihnen wieder zu den Waffen greifen sollte, auf eine
einsame Insel verbannen würde. Sie wären ja
Christen und wüßten, daß jeder Todtschläger seine
That mit dem Leben büßen müßte. Es sei ein
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schweres Unrecht, daß Jibbericks Leute einen Palmen=
hain niedergehauen hätten; wer solche Frevel be-
ginge, der verdiene, daß ihm die Hand abgehauen
würde. In einigen Monaten würde ich mit einem
Kriegsschiff kommen und sehen, ob sie gehorsam und
friedlich gewesen wären oder nicht. Sie mußten nun
in meiner Gegemwvart seierlich geloben, den gegen-
seitigen Besitzstand, wie er seiner Zeit von Kommissar
Biermann festgesetzt worden war, zu respektiren und
unter allen Umständen Frieden zu halten. Sie ver-
sprachen das unter Anrufung Gottes zu ihrem Zeugen,
daß sie ihr Wort ehrlich halten wollten, und ich
glaube, daß sie bis zu meiner Rückkehr Ruhe halten
werden.
Nachdem noch eine alte, von ehemaligen Schooner=
ankäufen herrührende Schuldsache Jibbericks gegen
Kaibucki zu beiderseitiger Zufriedenheit erledigt worden
war, und die Häuptlinge und ihre Leute reichliche
Geschenke, namentlich an Ehwaaren, Tabak und Bier,
erhalten hatten, segelten sie im Laufe des Tages
nach den verschiedenen Inseln wieder ab.
Am Morgen des 31. Angust verließ der „Archer“
die Lagune von Majuru und erreichte am Nachmittag
die Südwestspibe von Arno. Da nach zuver-
lässigen Berichten hier in Arno die beiden Häupt-
linge David und Wujelang ebenfalls in Feind-
schaft lebten und schon vor einiger Zeit sich bewaffnet
gegenüber gestanden hatten, so begab ich mich in
Begleitung des Regierungsarztes Dr. Steinbach und
des Polizcimeisters Kapitän Reiher sofort durch die
Brandung über das Riff an Land, um die Leute
auszusuchen. Wie immer wollic Keiner schuld an
der Feindschaft gewesen sein, wenn sie auch die That-
sache zugaben, daß sie bewaffnet und in kriegerischer
Absicht sich gegenüber gestanden hätten. Rang= und
Besitzstreitigkeiten und zulet noch Frauengeschichten
haben offenbar zusammengewirkt, um die beiden sonst
friedlichen Leute miteinander in Fehde zu bringen.
Ich habe ihnen das Thörichte und Gefährliche ihres
Beginnens nachdrücklich auseinandergesehzt und ihnen,
falls sie auf mich nicht hören würden, mit Strafe
gedroht und hatte am Ende die Genugthunng, daß
sie wieder die besten Freunde wurden. David trat
freiwillig an Wujelang das oberste Regiment über
Arno ab, und zur Bekräftigung ihrer neuen Freund-
schaft und um jede Möglichkeit von neuen Streitig-
keiten auszuschließen, beschlossen sie, sich gegenseitig
zum Erben einzusetzen und das Testament darüber
bei der Landeshauptmannschaft in Jaluit nieder-
zulegen. Das ist inzwischen von Seiten Wujclangs
auch bereits geschehen; er ist mit seinen Unter-
häuptlingen mir nach Jaluit gesolgt und hat hier
am 15. September sein Testament in der angegebenen
Weise gemacht sowie bei mir deponirt. David wird
seinerseits, wenn ich mit dem Kriegsschisse nach Arno
komme, in derselben Weise seinen bisherigen Gegner
zu seinem alleinigen Erben für den Fall seines
Todes einsetzen.