Full text: Deutsches Kolonialblatt. VIII. Jahrgang, 1897. (8)

Missionslager. Dort fand ich beide Herren auf dem 
Fleck, wo das Zelt stand, in dem sie schliefen, todt, 
jeder von ungefähr 30 Speerstichen durchbohrt; da- 
neben lag ein Diaggajunge, in derselben Weise zu- 
gerichtet. Letzterer wurde von einem Träger der 
Missionare, Radiabu, der sich in der Nähe im Ge- 
büsch versteckt hatte und jetzt zitternd hervorkroch, als 
ein Boy des Missionars Ovir rekognoszirt. Die 
Zelte hatten die Mörder zerschnitten und mitgenommen, 
ebenso wie die Zenglasten, Perlen, Kleidungsstücke, 
Bettzeug, Wäsche, Geschirr. Kisten und Koffer waren 
zerschlagen und ausgeschüttet und ihr Inhalt zum 
größten Theil gestohlen. Auf dem Platze fand ich 
herumgestreute Briefe, zerrissene Bücher, zwei Photo- 
graphiealbums mit herumgestreuten Photographien, 
ferner Nägel, Schrauben und ausgeschüttet Mehl, 
Reis, Zucker und sonstige Lebensmittel. Gewehre 
wurden nicht vorgefunden, ebenso wenig Revolver, an 
Munition nur 20 Mauserpatronen und 50 Revolver- 
patronen. Die Räuber haben demnach an Waffen 
zwei Gewehre M/71, drei Jägerbüchsen M/71, zwel 
Revolver und eine Büchsflinte sowie etwa 275 Mauser- 
patronen, eine Menge Revolver= und Jagdpatronen 
mitgenommen. 
Auf der Stelle, wo die Herren gefallen sind, 
wurde ein Grab gegraben, beide Leichen hineingelegt 
und ein Vaterunser darüber gebetet. Am Kopfende 
des Grabes wurde ein Kreuz angebracht und daran 
ein Bild, einen Christuskopf darstellend, welches wir 
an Ort und Stelle vorfanden, befestigt. Die sofor- 
tige Beerdigung des Djaggaboys wurde dem Häupt- 
ling Matunda aufgetragen. 
Der Träger Radjabu sagte Folgendes aus: Am 
Tage, als die Missionare in Meru ankamen, habe 
sie der Häuptling Matunda begrüßt, freundlich auf- 
genommen und ihnen einen Ochsen zum Geschenk 
gebracht. Gleichzeitig habe er ihnen gesagt, er sei 
zwar ein großer Freund der Europäer, aber unter 
den Leuten hier am Meruberg gäbe es viele, die 
keine Europäer in ihrer Landschaft wohnen haben 
wollten. Diese Leute würden ihm nicht gehorchen 
und die Missionare bekriegen. Letztere hätten Ma- 
tunda geantwortet, dann würden sie auch Krieg 
machen; sie glaubten seinen Worten aber nicht, es 
wäre nur Verleumdung (Fittina). Matkunda sei dann 
am nächsten Tage wiedergekommen, habe seine War- 
nungen wiederholt, aber nur dieselbe Antwort be- 
kommen wie tags vorher. Die Träger, welche diese 
Gespräche mit angehört hätten, wären ängstlich ge- 
worden und hätten die Missionare gebelen, ihnen 
doch Gewehre zu geben. Dies sei indessen abgeschlagen 
worden unter dem Hinweis, daß die Eingeborenen 
gar nicht daran dächten, etwas Feindliches zu unter- 
nehmen, und die Herren hätten alle Gewehre und 
Munition in ihrem Schlafzelt untergebracht. 
Wie wenig die Herren an die Möglichkeit einer 
Gefahr dachten, geht daraus hervor, daß sie weder 
mir, noch dem Lieutenant Merker gegenüber die 
  
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Warnungen Matundas erwähnten, trohdem wir 
stundenlang über die Verhältnisse in Meru und be- 
sonders über die uns gebrachten Gerüchte sprachen; 
im Gegentheil betonten sie bei jeder Gelegenheit ihre 
absolute Sicherheit. Ueber die Nacht vom 19. zum 
20. erzählt Radjabu weiter: Ein sehr großer Haufen 
Krieger im Kriegsschmuck mit Speer, Schild, Schwert 
und Keule seien aus einer unweit des Missionsplatzes 
liegenden Bananenschambe herausgekommen und habe 
auf einem freien Felde ein kurzes Schauri gehalten. 
Ein kleiner Theil habe darauf das Lager im Halb- 
kreis hinten herum umstellt, während die große Masse 
über den Fluß nach meinem Lager zu gegangen sei. 
Als mein Feuer gehört wurde, seien die Krieger ins 
Zelt, wo beide Herren schliefen, eingedrungen, einer 
der Missionare habe einen Schuß abgegeben, worauf 
beide sogleich niedergestochen worden seien und sich 
die Mörder sofort an die Plünderung gemacht hätten. 
Die Träger seien weggelaufen, er selbst habe sich 
ganz in der Nähe im Gebüsch versteckt gehalten. 
Nachdem die Herren beerdigt waren und ich die 
vorgefundenen Sachen in leere Kisten und Koffer 
hatte verpacken lassen, marschirte ich aus der Land- 
schaft heraus. Sofort konnte ich strafend nicht ein- 
greifen, da ich nur 50 Askaris bei mir hatte und 
außerdem die Mörder bereits entflohen waren. Bei 
der Ausdehnung der Landschaften Merun und Aruscha 
und den zerstrent in den Bananenhainen liegenden, 
einzelnen Hütten wären bei einem sofortigen Ein- 
schreiten nur einige ganz unschuldige Weiber und 
Kinder ums Leben gekommen. Ich marschirte des- 
halb gleich nach Moschi zurück, einmal um, nachdem 
ich mich der Theilnahme der Wadjaggas an einer 
Strafexpedition gegen den Meru vergewissert hatte, 
so schnell als möglich zu dieser aufbrechen zu können, 
andererseits aber um auch in der Lage zu sein, die am 
Berge liegenden Missionsniederlassungen zu schützen, 
denn es war nun zum mindesten sehr wahrscheinlich, 
daß die Mernkrieger, denen durch die Ermordung 
zweier Europäer der Kamm geschwollen war, versuchen 
würden, in irgend eine Djaggalandschaft einzudringen 
oder die Farm der Straußenzuchtgesellschaft zu 
überfallen. 
Aus diesem Grunde kann ich auch mit der Be- 
strafung nicht warten, bis eine eventuelle Unterstützung 
von der Küste hier eingetroffen ist. Ich marschire 
deshalb am 31. Oktober mit 95 Askaris und 2000 
bis 3000 Wadjaggas als Hülfstruppen nach dem 
Meruberg ab. — 
Wie inzwischen telegraphisch mitgetheilt worden, 
ist die Expedition glücklich beendet und der Kom- 
pagnieführer Johannes ist von ihr nach der Unter- 
werfung und Bestrafung von Aruscha nach Moschi 
zurückgekehrt.
	        
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