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umherstreiften. Damit war unser erster Schulversuch
zu Ende.
Gelegentlich sprachen wir mit dem alten Häupt-
ling Sikiniassi von Mlalo, legten ihm den Werth
des Lesens und Schreibens dar und forderten ihn
auf, die Kinder zum Schulbesuch zu veranlassen.
Aber es war ihm wohl schwer, die Wichtigkeit des
Lesens einzusehen und sich für die Einrichtung einer
Schule zu interessiren; andererseits fürchtete er auch,
daß wir durch die Schule zu viel Einfluß auf die
Jugend bekämen. So fanden wir bet. ihm keine
Unterstützung; im Gegentheil, er drohte seinen Sklaven
im Geheimen, jeder Junge, der zu den Lehrern
ginge, würde getödtet.
Zu Beginn des zweiten Jahres wurden zwei
Kinder aus dem Volk auf die Station geführt. Der
eine kam als Kranker mit einer schweren Beinwunde.
ir nahmen ihn auf und pflegten ihm Der andere
übernahm die Hausarbeit, da unser bisheriger Haus-
lunge, ein Bursche von der Küste, von seinem Vater
nach Sansibar gerufen worden war. Beide Jungen
hatten nicht allzuviel zu thun. Wir glaubten, daß
dadurch, daß zwei Kinder aus dem Volke sich enger
an uns anschlossen, uns vielleicht ein neuer Weg ge-
wiesen werde, die ersten Grundlagen für eine Schule
zu legen, und fragten die beiden Jungen, ob sie ihre
eie Zeit benutzen möchten, Lesen und Schreiben zu
lernen. Sie meinten, das würden sie nicht können,
das sei sehr schwer; aber zu einem Versuch ließen
sie sich ermuntern. An unserem Wohnhaus war ein
kleiner Raum, 2½m breit und 5 m lang; der wurde
als erster Schulraum eingerichtet, vier niedrige Pfosten
in die Erde geschlagen und ein Brett darauf, das
gab die Bank, und vier längere Pfosten und ein Brett
darüber, das gab den Tisch; an der Wand wurde
ein Brett befestigt, das ersetzte die Wandtafel. Nun
verfertigten wir uns noch lleine Blättchen, auf die
wir Silben zeichneten; dann begann der Unterricht.
Die Kinder hatten bald Freude am Lernen. Jeder
bekam sein besonderes Büchlein, in das wir täglich
die neuen Silben hineinmalen mußten, da es noch
kein Buch in der Kischambaasprache gab. Der Eifer
wuchs von Tag zu Tag. Oft saßen die Jungen in
ihren freien Stunden auf der Bank vor der Küche,
buchstabirten und lasen in ihren kleinen Büchern.
Andere Jungen, die aus= und eingingen, merkten
darauf, daß ihre Genossen Bücher hatten und daraus
lasen; bald kam der eine und der andere und wollte
auch ein Buch und Unterricht im Lesen. Manchmal
war die kleine Schule gestopft voll. Zuweilen saßen
die A-B.-C.Schützen auch noch vor der Thür und
lernten. Dabei war natürlich noch viel kindliches
Spiel. Jeder wollte in seinem Buch möglichst viel
Papier und viele Silben haben. Wer nicht schnell
vorwärts kam und an den Anfangsgründen hängen
blieb, ließ das Begonnene liegen. Diese Anfangs-
arbeit bedurfte großer Geduld, da die Schüler sehr
unregelmäßig kamen. Vier Tage hatte fast jeder
Junge abwechselnd zu weiden. Dazu kamen man-
cherlei Gänge und Dienste für Vater und Mutter.
Oft blieb der eine tagelang aus; der andere kam
am Morgen, der andere am Mittag, der andere am
Abend. Wir mußten diese Verhältnisse zunächst tragen
und zu jeder Zeit bereit sein, um einzelne Begabtere
schnell über die ermüdenden Anfangsgründe hinweg-
zubringen. Diese Arbeit erforderte eine ganze Kraft.
So schnell diese Wogen hochschlugen, so schnell fielen
sie wieder. Der größte Theil der Schüler blieb bald
auß; aber ein kleiner Rest hielt sich und lernte zu-
sammenhängende Texte langsam lesen. Inzwischen
hatten wir eine Fibel drucken lassen, die uns trotz
vieler sich später herausstellender Mängel in der
Anfangszeit bald eine wesentliche Hülfe wurde. Noch
einmal mußten wir das Gewonnene aus der Hand
geben. Zu unserem großen Schmerze kam unser
hoffnungsvolles Häuflein nach längerer Zeit ins
Wanken. Am Ende des zweiten Jahres glaubten wir
wieder am Ende unserer Arbeit angelangt zu sein.
Da öffnete sich zu unserer größten Ueberraschung
ein neuer Weg. Einer unserer Schüler kam mit der
Bitte, für die nächste Zeit auf der Station wohnen
zu dürfen. Er hatte daheim keine Arbeit. Die
Ziegen waren wegen der großen Dürre nach den
fernen schönen Weidegebieten der Wambugu gebracht
worden. Auf den Feldern gab es nichts zu thun.
Bald kamen einige nach, durch verschledene äußere
Gründe veranlaßt; bald waren neun Kinder auf der
Station, unter ihnen mancher frühere Leseschüler.
Mit ihnen konnte nun eine regelmäßige Schule ge-
halten werden, zu der sich auch einzelne frühere
Schüler aus der Umgegend mit größerer Regel-
mäßigkeit einstellten. Aus dieser Zeit datirt unsere
geordnete Schulthätigkeit.
Als sich eine kleine Gemeinde um die Station
sammelte, hielten wir besonders die jungen Christen
zu regelmäßigem Schulbesuch an, und sind nun soweit
geführt worden, daß die Christen von selbst den
Schulbesuch als für Jeden, der noch lernen kann,
obligatorisch ansehen. Es ist eine Freude, zu sehen,
wie jetzt selbst die Erwachsenen Tag für Tag in der
Schule sitzen und mit Eifer lesen und schreiben, un-
berührt davon, daß sie zum Theil sich zu den Klein-
sten gesellen müssen. Vor zwei Jahren stellten wir
für die Schule eine Sammlung von Fabeln und
Märchen aus dem Volksleben zusammen und ließen
auch einen Theil alttestamentlicher Erzählungen drucken.
Im vergangenen Jahre konnten wir unsere Bibliothek
durch einen weiteren Band alttestamentlicher Erzäh-
lungen und das Markus-Evangelium vermehren.
Gegenwärtig arbeiten wir an einem umfangreicheren
Lesebuch, zu dem wir aus deutschen Schulbüchern,
christlichen Kalendern und Sonntagsblättern geeignete
Erzählungen sammeln und übersetzen.
Einen völlig anderen Weg sind wir auf unserer
Außenstation Teus geführt worden. Dort fanden
wir unter der Jugend ein lebhaftes Interesse, zu
lernen, das von dem Häuptling sehr begünstigt wurde.
Als wir im Herbst des vergangenen Jahres daselbst