Full text: Deutsches Kolonialblatt. VIII. Jahrgang, 1897. (8)

auf 200 Mark. Wie wird er aber auch mitgenommen 
auf den Fahrten ohne Weg und Steg über die Felsen 
hinweg und durch die Flußthäler hindurch! Ein 
dauerhafter Wagen ist für den Missionar und für 
die Mission im Namalande geradezu unentbehrlich; 
denn abgesehen davon, daß der Einzelne sich für 
kürzere Strecken des Reitpferdes bedienen kann, giebt 
es für Waarentransporte und größere Reisen kein 
anderes Verkehrsmittel als das Ochsengefährt. 
Einen trostlosen Anblick bietet das wellenförmige 
Steppenland, welches drei bis vier Tagereisen weit 
auch nicht die geringste Spur von Pflanzenwuchs 
aufweist; Sand und Steingeröll bedecken den Boden. 
Erst wenn wir die Hochebene des Gebirges erklommen 
haben, entdeckt unser Auge hier und da grüne Flächen 
mit spärlichem Grasbestand, auf denen die Rinder- 
und Schafherden der Naman ihre Nahrung suchen. 
Zur Zeit des Regenmangels steht es allerdings schlimm 
um diese Weideplätze. Denn die Sonne vernichtet 
dann mit ihrer Gluth den ohnehin kümmerlichen 
Pflanzenwuchs. Wie gewaltig brennt sie aber auch 
von dem wolkenlosen Himmel auf uns nieder! Wenn 
bei uns im Sommer der Regen einmal vier Wochen 
ausbleibt, und das Thermometer 25 Grad im Schatten 
zeigt, daun meinen wir, es sei gar nicht mehr zum 
Aushalten und fürchten das Schlimmste für unsere 
Ernte. Aber im Namaland regnet es womöglich acht 
lange Monate nicht, und die Hitze steigt um viele 
Grade höher! Dann bleibt dem Nama nichts übrig, 
als mit seiner Viehherde, welche sein ganzes Ver- 
mögen bedeutet, umherzuzlehen, bis er an einer Quelle 
oder einem stehenden Flußgewässer einen genügenden, 
wenigstens für einige Zeit ausreichenden Weideplatz 
findet. Oft genug muß er mehrere Male die Stelle 
wechseln. 
Uebrigens, das trifft sich gut! Wir begegnen ge- 
rade einer Familie, die sich mit ihrem Vieh auf der 
Wanderung befindet. Können wir doch gleich den 
Menschenschlag näher ins Auge fassen. Nun, das 
muß man sagen, hübsch von Ansehen sind sie nicht, 
diese braunen Leute vom Stamm der Hottentotten 
mit den hervorstehenden Backenknochen, den dicken 
Lippen, den breitgedrückten Nasen und dem Schmutz 
steter Fetteinreibungen. Aus Schafleder ist ihre 
spärliche Kleidung gefertigt. Ihr weniges Haus- 
geräth: Milchgefäße, Kaffeekessel, Kochtöpfe, führen 
sie auf ein Paar Tragochsen bei sich. Auch ihr Haus 
haben sie mitgenommen. Schnell, wie sie es in der 
Frühe des Tages abbrachen, werden sie es wohl noch 
heute Abend wieder ausbauen und sich darinnen zur 
Nachtruhe niederlegen. Wie ist denn das möglich? 
Nun, die Herrichtung einer Namahütte ist sehr ein- 
fach. Etwa zwölf halbrund gebogene Stangen von 
bis 5 m Länge werden kreisförmig in die Erde 
getrieben und an den Spitzen zusammengebunden. 
Auf dieses Gerippe befestigt man 15 bis 20 aus 
Binsen geflochtene Matten, welche bei Regen auf- 
schwellen und dann kein Wasser durchlassen. Der 
niedrige Elngang wird mit einer Kuhhaut verhängt, 
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welche der Eintretende beiselte schiebt. Fenster und 
Rauchfang fehlen. Licht und Luft zu schaffen wird 
eine der Matten in die Höhe gerollt; der Rauch von 
der Feuerstelle am Erdboden muß sich durch die 
Ritzen der Matten seinen Weg ins Freie suchen. Die 
innere Einrichtung solcher Mattenhäuser ist die denk- 
bar einfachste. Nur da, wo der neugefundene Welde- 
platz längeren Aufenthalt gestattet, werden sie etwas 
wohnlicher hergerichtet. Auch auf der Station Gibeon 
selbst, wohin wir nach einer mühseligen und oft ge- 
radezu halsbrecherischen Fahrt gelangt sind, finden 
wir die Mattenhütten der Eingeborenen. Die Stations- 
gebäude selbst aber, so das Wohnhaus des Missionars 
mit seinen verschiedenen Nebengebäuden und die Schule, 
haben steinerne Mauern. Von Stein gebaut ist auch 
das mit einem Thurm gezierte Kirchlein auf der 
Spitze des Hügels, an den sich die ganze Nieder- 
lassung anlehnt. 
Sehen wir uns das Gotteshaus näher an! Bei 
einer Länge von 28 m und einer Breite von 9 m 
erheben sich seine Mauern beinahe 6 m hoch; freund- 
lich und hell ist der Innenraum durch sechs große 
Fenster erleuchtet. Gestühl und Kanzel, Altar und 
Tausstein, sogar ein Harmonium, das Geschenk würt- 
tembergischer Missionsfreunde, ist vorhanden. Zwei 
Jahre lang hat der Missionar eigenhändig an diesem 
Golteshaus gebaut und nur wenig Hülfe dabei haben 
können. 7000 Mark hat die arme Hirtengemeinde 
zu den Kosten beigetragen; wahrlich, wir stehen mit 
Bewunderung vor diesem Kirchlein zu Gibeon, wel- 
ches laut und eindringlich von dem Glauben und 
der Liebe redet, die unser lieber Helland auch in der 
Wüste des Großnamalandes geerntet hat. 
Sonntäglich sieht das Gotteshaus eine zahlreiche 
Schaar in seinen Mauern. Auch von den „Außen- 
posten", den zur Station gehörigen, oft viele Stunden 
weit entlegenen Weideplätzen, kommen die Gemeinde- 
glieder zum Gottesdienst hergewandert. Neben den 
Sonntagen, deren Ordnung sich selbst die Heiden 
sügen, werden natürlich auch die hohen Feste unseres 
Kirchenjahres gefeiert. Einen herrlichen Festtag hat 
aber die Missionsgemeinde vor uns voraus. Es ist 
das Fest der Aufnahme erwachsener Glieder durch 
die heilige Taufe. Acht bis neun Monate haben die 
Taufbewerber den Vorbereitungsunterricht seitens des 
Missionars empfangen. Nachdem die unlauteren und 
untanglichen Bewerber zurückgewiesen worden sind, 
findet die Prüfung der übrigen Freikag vor dem 
sehnlich herbeigewünschten Festtag in der Kirche statt. 
Dorthin geht's in feierlichem Zuge vom Missionshaus 
aus, wo noch elnmal des Herrn Segen zum wichtigen 
Werk herabgefleht wird. Gerade wie unsere Kon- 
firmanden werden die Erwachsenen in allen Stücken 
der christlichen Heilslehre geprüst. Das Ergebniß 
der Prüfung stellt der Gemeindekirchenrath gleich 
nachher in feierlicher Sitzung fest, und die Aufnahme 
der Geprüften wird beschlossen. 
Der folgende Tag ist der Rüsttag. Die ganze 
Bevölkerung der Station krifft ihre Vorbereltungen;
	        
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