Full text: Deutsches Kolonialblatt. VIII. Jahrgang, 1897. (8)

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Ein schmaler Streifen zwischen dem linken Flußufer 
und dem Fels ermöglicht es, bis zur Absturzstelle 
vorzudringen, wo sich auch der schmale Pfad in dem 
jähen Abgrund verliert. In zwei kleineren Fällen 
erprobt der Fluß hier zuerst seinen Muth und seine 
Kraft und wirft dann mit einem Male seine ganze 
Wasserfülle thurmhoch in die gähnende Tiefe. 
stand wohl eine halbe Stunde und lauschte dem stets 
sich erneuernden Tosen und schaute in das Spiel der 
blinkenden, schäumenden Fluthen — es war das 
Schönste, was ich bis dahin in Afrika gesehen hatte, 
und doch mischten sich trübe Gedanken in den Genuß. 
Dieses leidenschaftliche, kühne, gewaltige Vorwärts- 
streben, womit der Fluß seiner poetischen Bergheimath 
entflüchtet, um sich in die Ebene zu werfen, und die 
klägliche Rolle, die er unten spielt, wo er bald durch 
den Sand gebändigt, reizlos eine trübe Fluth durchs 
Land wälzt und die Kähne der Eingeborenen auf 
seinem Rücken trägt — ist es nicht ein Bild von so 
manchem jungen Menschen, der mit ungestümer Hast 
der strengen Zucht und damit dem Glücke seiner 
Jugend entflieht und sich voll Begeisterung und 
Hoffnung ins Leben stürzt, in dem er sich nur zu 
bald, gebändigt von der Alltäglichkeit und selten un- 
beschmutzt, verliert? 
Ungern riß ich mich von dem wundersamen Platze 
los und folgte wortlos meinem Begleiter zur Kara- 
wane nach. Der Weg führte meist die Hänge des 
Kihansithales entlang, überschritt manchmal einen 
Höhenzug, den der Fluß in weitem Bogen umfloß. 
oder bog an einer Stelle, wo der Abfall zum Flusse 
zu steil war, seitlich ab, um den Fluß nach einigen 
Umwegen weiter oben wieder zu erreichen. Als wir 
gegen Mittag wieder eine Höhe erstiegen, sahen wir 
zu unseren Füßen einen großen, dichtbewachsenen 
el, der auf unserer Seite ziemlich steilrandig war, 
während er auf der gegenüberliegenden Seite sachte 
anstieg; ein schimmernder Streifen in der Tiefe er- 
innerte an einen kleinen See, wie man sie häufig in 
den Alpen sieht. Es war aber kein stehendes Ge- 
wässer, sondern der Kihansi, der durch einen schmalen 
gewundenen Eingang sich hier eingeschlichen und auf 
ebensolchem Wege den Kessel wieder verläßt. Jenseits 
des Flusses stand in einer verwilderten, von üppigen 
Farnen überwucherten Schamba eine verfallene Hütte, 
bei der das Lager geschlagen wurde. Hinter der- 
selben rankte ein dichtes Gehege von Brombeersträu- 
chern, übersät mit Blüthen, mit grünen und halbreifen 
Beeren, vollreife waren leider nicht zu entdecken. 
Dafür sprach der bloße Strauch so heimathlich an, 
daß man ihn lieb haben mußte. Ueberhaupt erinnert 
die ganze Pflanzenwelt des Randgebirges und des 
Hochlandes lebhaft an die Heimath, und ein guter 
Theil der Begeisterung, mit welcher diejenigen, welche 
Uhehe bereisen, seiner gedenken, mag darauf zurückzu- 
führen sein. Das meterhohe Büschelgras der Ebene 
ist verschwunden und hat kurzen Gräsern Platz ge- 
macht, deren beständiges Grün selbst in den trocken- 
sten Monaten das Auge erfreut; ja man sieht wieder 
  
wahrhaftige Wiesen wie in Deutschland, denen selbst 
die Blumen nicht fehlen, und in dem dichten Gebüsch 
leuchtet eine Mannigfaltigkeit blauer, gelber und 
hranatrother Blüthen. In dieser anmuthigen Um- 
hebung, in stiller Waldes= und Bergeinsamkeit lager- 
ten wir diesen Tag. Leider fiel in der Nacht ein 
heftiger Regen, der einen unangenehmen Marsch auf 
den schlüpfrigen Bergpfaden und durchs nasse Gesträuch 
in Aussicht stellte; denn die Sonne mußte schon hoch 
gestiegen sein, bis sie in die tiefeingeschnittenen Thäler 
einen Blick thun konnte, und oft war der Pfad von 
schattigen Bäumen und Büschen derart überwachsen, 
daß es auch dem neugierigsten Sonnenstrahl nicht 
gelang, einzudringen. 
Der Weg führte wieder bergauf, bergab über 
zahllose Thäler und Thälchen, oft versumpft und mit 
hohem Schilfgras bewachsen, welche alle bei ent- 
sprechender Behandlung hohe Fruchtbarkeit versprechen. 
Auf freien Kuppen und Kämmen zeigten sich Gehöfte 
der Eingeborenen von kleinen Schamben umgeben; 
die Leute hatten jedoch ihre Wohnungen und Felder 
aus Kriegsfurcht verlassen, so daß die dringend noth- 
wendige Auffüllung unserer Vorräthe aus den Ba- 
tatenpflanzungen gratis geschehen mußte. Die Hütten 
zeigten durchweg einen rechteckigen Grundriß, waren 
nur 3 bis 4 m breit, aber bis zu 20 m und darüber 
lang und standen vereinzelt. In ihrer Nähe waren 
gewöhnlich Bataten, Bohnen, Erbsen (genau so wie 
unsere europäischen) und Tabak angebaut. In den 
Thälern fand sich Mais und Mtama. An diesem 
Tage habe ich noch einige Bananen in einem Seiten- 
thälchen gesehen, von da an habe ich sie in ganz 
Uhehe nicht mehr zu Gesicht bekommen. Das Gebiet 
heißt Uchungwe und die Bewohner also Wachungwe 
und gehören zu den Wahehe. 
Um 10 Uhr vormittags hatten wir die Höhe 
einer mächtigen Bergkette erreicht, die eine weite 
Rundsicht gestattete. Als der Kirangosi oben ange- 
kommen war, verkündete er sofort mit schallender 
Stimme: „boma“; das Ziel war in Sicht. Vor 
uns lag ein etwas niedrigerer Bergzug, der mit dem 
unseren in gleicher Richtung verlief, aber durch ein 
tiefeingefurchtes Thal davon getrennt war. Auch 
jenseits desselben floß in gleicher Tiefe ein kleiner Bach, 
der sich kurz unterhalb mit dem eben genannten ver- 
einigte und so den Bergzug jäh unterbrach. Auf der 
äußersten Spitze nun, wo dieser nach drei Seiten 
steil abfiel, stand ein verhältnißmäßig hohes, ziegel- 
rothes Gebäude, das man aus der Ferne für einen 
unbeworfenen Bahnhof hätte halten können. Die 
deutsche Flagge, wie der hohe Auslug auf dem Hause 
bestätigten den Ausruf des Führers, es war eine 
Boma, eine kleine Feste. Auf demselben Wege war 
nämlich wenige Wochen zuvor Kompagnieführer Prince 
nach Iringa gezogen und hatte an drei Stellen un- 
terwegs befestigte Magazine gebaut, um die Verbin- 
dung mit Irondo herzustellen und den sicheren Trans- 
port der mehr als tausend Lasten zu ermöglichen. 
Das Magazin war ziemlich klein, viereckig, aus Pfahl-
	        
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