Full text: Deutsches Kolonialblatt. VIII. Jahrgang, 1897. (8)

am Sanaga wohnenden Wutes der spezifische Ada- 
mauatypus sehr vermischt. Im Allgemeinen sind die 
Wutes gleichmäßig kräftig gebaute Menschen mit 
wohlgebildeten Gesichtern, hoher Stirn und nur 
mäßig aufgeworfenen Lippen. Sie haben ein freies, 
selbstbewußtes Wesen, das besonders aufftillt, wenn 
man ihnen zu zweien oder dreien im vollen Waffen- 
schmuck in den Batidörfern begegnet, wo ihnen Alles 
scheu ausweicht; denn sie sind herrisch und zu Ueber- 
griffen geneigt. Auffallend ist im Gegensab zu den 
Bantus die Gleichmäßigkeit der Hautfarbe, die ein 
mittleres Schwarz zeigt. Tätowirungen sind bei den 
Frelen nicht gebräuchlich. Auf die Haarfrisur wird 
namentlich bei Ngilla ein großer Werth gelegt und 
der Häuptling selbst hat hier für die Krieger, Sklaven 
und Weiber besondere Trachtenvorschriften erlassen. 
Im Allgemeinen wird den Sklaven überall der Kopf 
zur Hälfte rasirt, während die Freien die Haare 
scheiteln, aus Oel und gepulvertem Rothholz eine 
Pomade machen und diese dick auftragen. Charakte= 
ristisch für den freien Wute ist ferner ein Kinnbart, 
der als Zierde des Mannes gilt, während Schnurr- 
und Backenbart sorgfältigst rasirt werden. 
In der Kleidung treten die größten Gegensätze 
zu Tage; denn während die Häuptlinge und Großen 
in reichen Haussagewandungen einherstolziren, trägt 
der gemeine Mann nur eine aus Bast verfertigte 
schürzenartige Hose, während die Weiber nur vorn 
einen schmalen Fellstreifen oder ein handgroßes Stück 
Zeug befestigt haben; doch sind Perlenketten, feine 
Bast= oder Lederschnüre als Hüftschmuck sehr beliebt, 
während die Männer elfenbeinene oder lederne Arm- 
ringe, Halsbänder aus Eber= oder Leopardenzähnen 
als Schmuckstücke anwenden. Uebrigens sind Zeuge, 
namentlich einfarbige, sehr beliebt und werden auch 
bei Nna und Dandugu auf dieser Seite des Sanaga 
nach Küstenart getragen, während Ngilla seinen eigenen 
Weibern kurze, enganliegende Hosen hat anfertigen 
lassen, mit denen sie bei feierlichen Gelegenheiten er- 
scheinen. Sandalen werden nur von den Männern 
getragen, die Frauen gehen bei Regenwetter öfters 
zum Schutz gegen Nässe und Schmutz auf hochsohligen 
Pantoffeln. Erscheinen die Männer im Waffenschmuck, 
so haben sie vielfach hohe Büschel von Hahnen= oder 
Papageiensedern im Haar, vielfach streichen sie sich 
auch roth oder weiß an und behängen Brust und 
Rücken mit dem Fell des weißen Affen, das gleich- 
zeitig das Schreckliche ihres Aussehens erhöhen und 
schußfest machen soll. Die Großen und Berittenen 
tragen als Medizin dicke, mit Koransprüchen benähte 
Westen unter dem weiten Obergewand, auf dem Kopf 
den Fez oder Turban und in der Hand die lange 
Fullahlanze. Doch treten die Reiter selten in Aktion; 
denn der Wute zieht selbst keine Pferde und fühlt 
sich zu Fuß sicherer, deshalb bildet das Fußvolk die 
eigentliche Kriegsmacht und den Kern der Streiter 
die mit Schild, Speer und langem Schwert bewaff- 
neten freien Wutes; ihnen zunächst stehen die nur 
mit Pfeil und Bogen ausgerüsteten Leichtbewaffneten, 
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während die mit Gewehr und kleinem Elefantenhaut- 
schild bewehrten Krieger sich meist aus unterworfenen 
oder in der Jugend gefangenen Batis rekrutiren, die 
in der Führung der Feuerwaffe mehr Gewandtheit 
zeigen als der speergewohnte Wute. Doch beginnen 
auch Ngilla und Ngutte mehr und mehr den Nutzen 
der Gewehre einzusehen, wenngleich im Graslande 
in der That der weitschießende Bogen eine gefähr- 
lichere Waffe ist als ein oft versagendes Vorderlade- 
gewehr. Die mannshohen Schilde der Speerkämpfer 
sind aus Büffel= oder Antilopenfell oval geschnitten 
und nach innen gebogen, seitlich mit zwei Roßschweifen 
verziert. Unter ihrem Schutze geht außer dem Träger 
noch ein Bogenschütze mit vor. Sämmtliche Wutes 
tragen neben kleinen Messern am Gürtel oder Arm 
über die Hand gezogen ein Stoßmesser für den Nah- 
kampf, das die Bogenschützen gleichzeitig als Spannung 
beim Schießen benutzen. Die Köcher aus Rohr oder 
Fellen enthalten 40 bis 50 sehr sorgfältig gearbeitete 
Pfeile, die aber in der Regel nicht vergiftet sind, 
weil die Pfeile häufig vom Gegner wieder benutzt 
werden. Die Schilder der Gewehrschützen sind kleiner 
und bestehen, wie gesagt, aus Elefantenhaut; sie sind 
häufig bunt bemalt. Wurfkeulen aus Holz habe ich 
nur bei den Bapeas, einem von Ngutte unterworfenen 
Stamme jenseits des Mbam gefunden. Diese Leute 
zeichnen sich durch unnatürlich verlängerte, mit einem 
Holzpflock gezierte Ohrläppchen aus. Die Speere 
der Wutes sind besonders sorgfältig gearbeitet, viel- 
fach verziert und am Ende beschwert, wodurch der 
Drall und damit die Treffsicherheit wesentlich erhöht 
wird. Sämmtliche Waffen sind Eigenthum des 
Königs. Interessant sind ferner die aus Leder ge- 
arbeiteten Schußstücke, die um das linke Handgelenk 
gelegt werden, das sie gegen die zurückschnellende 
Bogensehne schützen, und die Kriegspauken, Hörner 
und Glocken der Wutes. 
Alles dies ist ganz verschieden von den benach- 
barten Bantus; am augenfälligsten aber treten die 
Adamaua-Eigenthümlichkeiten bei den Wutes zu Tage, 
wenn man ihre Art zu wohnen, ihre täglichen Be- 
dürfnisse und Luxusansprüche, ihre Industrie und 
ihren Handel betrachtet. Wohnen die Yaundes überall 
in Weilern und Siedlungen, selten nur in größeren 
Dörfern und Gemeinschaften zusammen, so kennen die 
Wutes nur große Städte und Dörfer, in denen sich 
um das unbeschränkte Oberhaupt der ganze Stamm 
versammelt. Haus steht an Haus, die Farmen liegen 
vor den Thoren der Befestigung oder weiterhin unter 
der Aussicht dort wohnender Sklaven. Die Städte 
der Häuptlinge Nna, Dandugu, Watare, Wengue 
sowie Nguttes sind mit Wall und Graben gut be- 
festigt, auch die meisten größeren Dörfer sind für 
die Vertheidigung eingerichtet und nur Ngilla wohnt 
gänzlich frei, weil, wie er mir stolz erklärte, Niemand 
ihn angrelfen würde. Die Häuser sind überall rund, 
mit spitzem Grasdach versehen. Selbst die Batis 
haben, wo sie unterworfen sind, diese Bauform ein- 
führen müssen. Die Häuser in den Städten sind
	        
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