Full text: Deutsches Kolonialblatt. VIII. Jahrgang, 1897. (8)

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ziemlich unvermittelt wieder auf 275 Cent, sank dann 
gegen Ende 1895 wieder auf 175 Cent und erreichte 
bis zum August 1896 seinen tiefsten Stand mit 
147 Cent. Dann trafen verschiedene Umstände zu- 
sammen, um ihn wieder zu heben. September, Ok- 
tober, November wurden außerordentlich wenig Nelken 
auf den Markt gebracht. Daß der Grund hierfür 
zum großen Thell in dem schlechten Ausfall der Ernte 
zu suchen sei, ließ sich nicht sofort übersehen. Manche 
glaubten, die politischen Verhältnisse, das Bombarde- 
ment und die sich daran anschließende lange dauernde 
Beunruhigung der Bevölkerung, Andere ein durch die 
Witterung herbelgeführtes verspätetes Einkommen der 
Ernte sei die Veranlassung. Beide Umstände haben 
auch sicherlich zur Verminderung der Nelkenzufuhren 
beigetragen. Die herbeigeführte Preissteigerung wurde 
begünstigt durch die immer bestimmter auftretenden 
Gerüchte von der bevorstehenden Aufhebung der 
Sklaverei und die damit verbundene Vorstellung von 
der zukünftigen Abnahme der Produktion. Ein euro- 
päisches Haus, das ein weiteres Sinken der Preise 
und eine weitere starke Zufuhr wie in der ersten 
Hälfte 1896 erwartet haben mochte, mußte die ver- 
sprochenen Lieferungen in Europa einkaufen, und der 
Preis stieg im Dezember 1896 wieder auf 215 Cent. 
Seitdem ist er wieder auf 175 Cent gefallen. 
Die weitere Preisbewegung hängt in erster Linie 
davon ab, wie rasch die Aufhebung der Sklaverei 
durchgeführt und infolgedessen der Ausfall der Ernte 
sich vermindern wird. Mit der größten Wahrschein- 
lichkeit ist zu erwarten, daß eine Verminderung der 
Ernten und dementsprechend eine Preisstelgerung in 
den nächsten Jahren eintreten wird. Der englische 
Generalkonsul hatte angenommen, daß die Nelken- 
produktion um zwei Drittel und demgemäß die Ein- 
nahmen Sansibars auf ein Drittel zurückgehen würden. 
Darauf ist ihm von anderer Seite entgegengehalten 
worden, daß nur die Menge des in natura erhobenen 
Zolles sinken, der Werth aber durch die zu erwar- 
tende Preissteigerung gleichbleiben oder steigen würde. 
Die Erwartung, daß der Preis steigen wird, wird 
damit begründet, daß die Nelke zur Bereitung eines 
Luxusartkkels dient, der eine erhebliche Preissteigerung 
unzweifelhaft verträgt. Wie die Erfahrung gezeigt 
hat, bleibt die Nachfrage gleich, ob der Preis doppelt 
so hoch ist oder nicht. Es wird auf die Zeit nach 
1872 verwiesen, wo fast alle Nelkenbäume Sansibars 
durch einen Orkan zerstört wurden. Pemba war 
von ihm unberührt geblieben und die Pembanelke 
hatte darum den Markt allein zu versorgen. In 
jener Zeit bis 1880 stieg der Preis auf etwa zehn 
Dollar. Da aber trat eine Rückbewegung ein, die 
bis heute andauert. Den reichen Gewinn vor Augen, 
pflanzte jeder Landeigenthümer in Pemba nur noch 
Nelken, jede andere Kultur wurde vernachlässigt. 
Auch Sansibar wurde in größerem Umfange als 
vorher damit bepflanzt und der Erfolg war, daß 
1888 der Preis auf drei Dollar fiel. 
  
4. Zukunft der Nelkenproduktion. 
Was im Jahre 1872 der Orkan zustande ge- 
bracht hat, mag in den nächsten Jahren die Ab- 
schaffung der Sklaverei berbeiführen, jedoch mit dem 
Unterschied, daß die Wirkung allmählich eintreten und 
der Einfluß auf die Einnahmen sich anders äußern 
wird. 1875 bis 1876 war, um die Produktion zu 
heben, der Zoll gänzlich aufgehoben worden. Von 
1876 bis 1886 wurde ein Ausfuhrzoll von 1 bis 
2½ Dollar für das Frasilah erhoben, 1886 ein Zoll 
von 30 péCt. und seit 1887 ein Zoll von 25 pCt. 
der nach Sansibar eingeführten Mengen. Es kann 
nicht angenommen werden, daß diese Abgabe, welche 
die Haupteinnahme des Sultanats bildet, wie 1872 
aufgehoben oder zeitweilig suspendirt werden wird. 
Es läßt sich aber auch nicht erwarten, daß die Preis- 
steigerung der Verminderung der Produktion un- 
mittelbar folgen wird. Wie bereits erwähnt, befindet 
sich in London ein großes Lager von Nelken. Wenn 
auch die Eigenthümer desselben bestrebt sein werden, 
ihre Vorräthe behufs Erzielung besserer Preise zu- 
rückzuhalten, so muß doch berücksichtigt werden, daß 
die Nelken nur eine beschränkte Zeit, ohne zu leiden 
oder gar zu verderben, lagern können. Da nun die 
Produktion nur allmählich abnehmen wird, werden 
die Besitzer der Lagerbestände den Zeitpunkt, wo sie 
hinter dem Bedarf zurückbleibt, voraussichtlich nicht 
abwarten können, sie werden auch in demselben Ver- 
hältnisse, in dem die Nelkenproduktion abnimmt, 
seltener Gelegenheit finden, ihre Vorräthe durch frische 
Zufuhren zu ergänzen, und, da sie genöthigt sind, die 
dem Verderben ausgesetzten Bestände auf den Markt 
zu bringen, dadurch den Preis, wenn auch vielfach 
gegen ihren Willen, niedriger stellen, als dies bei 
einer verminderten Produktion anderer, eine längere 
Liegezeit vertragender Artikel der Fall wäre. 
Ein Urtheil über die zukünftige Preisbewegung 
läßt sich trotz alledem nicht mit Bestimmtheit abgeben, 
da die Nelken in hohem Maße Gegenstand der Spe- 
kulation sind, welche von London ausgeht und von 
zahlreichen Finanzoperationen, insbesondere von dem 
außerordentlich wechselnden Kurs der Rupie, abhängig 
ist. Jedenfalls aber läßt sich aus dem Stand der 
Sachlage die Behauptung rechtfertigen, daß die augen- 
blickliche Zeit eine günstige wäre, um in Ostafrika 
mit der Einfuhr der Nelkenkultur vorzugehen, ins- 
besondere um die dortigen Araber durch Gewährung 
von Prämien oder in anderer geeigneter Weise zu 
Versuchen anzuspornen. Bisher ist es nicht gelungen, 
Nelkenpflanzungen auf dem Festlande anzulegen, was 
aber wohl mehr an den Pflanzern als an den klima- 
tischen Verhältnissen gelegen hat. Nothwendig für 
den Erfolg wäre es, daß der bisher in Deutsch- 
Ostafrika bestehende Zoll für Nelken aufgehoben 
werde, nur dann würde es in unserer Kolonie mög- 
lich, sein, mit der durch die besseren Verschiffungs- 
und Marktsbedingungen begünstigten Produktion 
Sansibars zu konkurriren. Nach Aufhebung des Zolls
	        
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