Full text: Deutsches Kolonialblatt. IX. Jahrgang, 1898. (9)

— 82 
Von hier aus setzte ich meine Reise am Seissi 
entlang fort und traf am 17. bei dem Dorfe Sama- 
angombe am Rickwa-See ein. 
Der Seissi ist hier fast vertrocknet, er erreicht den 
Rickwa-See nicht mehr. Vom See selber war hier 
nichts zu sehen. Das Land in der unmittelbaren 
Nähe des Sees ist eine große, trockene Graswüste, 
doch trifft man außerordentlich starke Rudel Antilopen 
verschiedener Arten, vor Allem aber Zebras in un- 
zählbarer Menge. 
Während meines Marsches vom Seissi bis zu 
dem Dorfe des Muniwungu, wo ich am 20. eintraf, 
wurden wir stets von Rudeln Zebras in der Stärke 
von 30 bis 40 Stück begleitet, die so vertraut waren, 
daß sic einzelne Leute bis auf 80 m herankommen 
ließen, ehe sie flüchtig wurden. Bei den Zebras 
bemerkte man häufig Antilopen, immer aber waren 
die Zebras von einer Art Möven begleitet, welche, 
auf den Rücken der Zebras sitzend, anscheinend von 
diesen geduldet werden. 
Ein geschossenes Zebra zeigte für ein Reitthier 
wenig geeignete Formen; schwerer Kopf, kurzer sehr 
starker Schwanenhals, breite Brust, schräge Schulter, 
Senkrücken, schwere Kruppe, kurze, doch stämmige 
Beine, klobiges Fußgelenk, sehr schräg gestelltes Fessel- 
gelenk, stark gespaltener großer Huf dürften nicht die 
Eigenschaften sein, welche man von vornherein an 
ein Reitthier stellt. Die Größe am Widerrist wird 
auch bei den größten Hengsten 1,50 m nicht über- 
schreiten. Ich werde versuchen, einzelne Zebras 
einfangen zu lassen. 
Der Nickwa-See ist an seiner Südseite sehr seicht, 
das Wasser war hier bis auf 150 m kaum knietief, 
sehr schmutzig, leicht salzig und wird daher von den 
Anwohnern nicht genossen. 
Sehr zahlreich sind die Arten der Wasservögel, 
die an den Usern des Sees zu Tausenden nisten, 
u. A. Flamingos, Kronenkraniche, schwarze Gänse 2c. 
Am 20. traf ich bei Muniwungu ein, der einen 
lebhaften Karawanenhandel über Utengule nach der 
Küste betreibt. Das Land ist vorzüglich bebaut und 
gut bevölkert. Auch hier aber herrscht Viehmangel, 
da die letzte Viehseuche hier alles Vieh vernichtete. 
Ueber Utengule traf ich am 30. Oktober in 
Langenburg wieder ein. 
Kamerun. 
Stand des Raffees in Kamerun. 
Einem Bericht aus Kamerun zufolge gedeiht der 
bei der Station Buéba versuchsweise angepflanzte 
Kaffee in jeder Hinsicht ausgezeichnet. Die Sträucher 
haben bereits im Jahre 1897 einige Blüthen gezeigt, 
und es steht zu erwarten, daß sie in diesem Jahre, 
also 2½ Jahre nach dem Auspflanzen, zum ersten 
Mal Früchte tragen werden. 
  
Togo. 
Ueber die Lage im Togohinterlande 
berichtet Stationsvorsteher Dr. Kersting unter dem 
3. Dezember 1897 aus Kirikiri Folgendes: 
Das Einvernehmen mit den Eingeborenen ist zur 
Zeit fast durchgängig ein gutes. 
Der mohammedanische Theil der Bevölkerung hat 
mir in manchen schwierigen Situationen zur Seite 
gestanden. Er ist numerisch kleiner als der der 
„Gott nicht kennenden“, wie man hier sagt, aber 
sehr einflußreich und wirthschaftlich sehr bedeutend. 
Ich habe drei große Limame in meinem Gebiet, den 
von Dadaure, den von Bafilo und den von Adyé 
(Kirikiri). Letzterer ist am 16. November 1897 ge- 
storben (Darmverschluß). Wir sind seit einem Monat 
in der Wahl eines Nachfolgers für Kirikiri. Die 
Spitzen von ganz Kotokoli (Tschayo und die Kotobkoli 
sprechenden Grenzländer) waren hier zur Todtenfeier. 
Der Limam von Tshamba scheint in den Augen 
der Mohammedaner nicht so bedeutend, ist aber der 
leitende und entscheidende Mann dieser Stadt, die 
Bafilo, wie ich schätze, an Größe übertrifft (vielleicht 
40 000 bis 50 000 Einwohner). 
Der Rechtsschutz durch die Station wird mit 
jedem Tage mehr in Anspruch genommen. 
Auf der großen Veranda eines kürzlich hier ge- 
bauten Hauses regele ich täglich fünf bis zehn Pa- 
laver, wobei gewöhnlich einige Große der Stadt und 
eine hundertköpfige Korona mithelfen. Die meisten 
sind verständig und haben ein gesundes, dem unserigen 
gar nicht sehr fernstehendes Rechtsbewußtsein, so daß 
sich bisher alle Fälle ohne Schwierigkeiten und zur 
Zufriedenheit schlichten ließen. Folgendes Palaver 
ist 99 pCt. von allen anderen. Es charakterisirt den 
sozialen Grundfehler des Landes, und es ist das, gegen 
welches vorsichtig, aber energisch aufzutreten ich für 
meine nächste Aufgabe halte: 
Ein Mann erhält eine ausstehende Schuld nicht 
zurückbezahlt. Der Schuldner ist zahlungsunfähig 
oder zu stark, um gezwungen zu werden. Der Gläu- 
biger geht daher an eine belebte Straße des Handels 
oder auf einen beliebigen Markt oder irgend eine 
Farm und hält sich durch den Raub einiger ganz 
unbetheiligter Menschen schadlos, die er verkauft oder 
zu eigenen Sklaven macht. Er empfindet das Un- 
recht nicht; er hat ja ein Anrecht auf einen gleichen 
Werth. Der Beraubte hält sich bei einem dritten 
ganz Unbetheiligten schadlos, und so geht es oft 
über Generationen fort. 
Ich habe nun überall erklärt, daß zur Sicherung 
von Eigenthum, Handel und Verkehr von nun ab 
jede Schuld vom Schuldigen gefühnt werden müsse. 
Diese Auffassung ist der Bevölkerung keineswegs neu, 
und die Gerichte der Häuptlinge haben sie oft zur 
Geltung gebracht. Die alte egoistische Gewohnheit 
ist aber trotzdem weit verbreitet geblieben. Der 
Egoismus ist im gegebenen Falle immer größer als 
Rechtssinn und Gemeinsinn.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.