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unterstellte dieselbe dem Ober-Landmesser Dürr-
ling, welcher schon vor seiner Ankunft mit dem
Impfgeschäft begonnen hatte; derselbe war in der
mikroskopischen Gallenuntersuchung von ärztlicher
Seite bereits ausgebildet. Redner kam in Otjim-
bingue zum ersten Mal zur Ueberzeugung, daß die
von ihm in Angriff genommene Ausführung des
Kochschen Impfverfahrens mit sorgfältiger Kontrole
der Impfthiere durch Temperaturmessung vor und
nach der Impfung mit gutem Personal praktisch
vollkommen durchführbar sei. Gerade der Tempe-
raturmessung, durch welche es ermöglicht wird,
rinderpestkranke Thiere schon im ersten, rein fieber-
haften Stadium der Krankheit von gesunden zu
trennen, ehe sie die letzteren durch ihre Ausscheidungen
infiziren können, mißt Redner einen großen Theil
seiner guten Impfergebnisse bei.
Von Otjimbingue rückte Redner weiter gegen
Windhoek vor, von Station zu Station die Maß-
nahmen gegen die Rinderpest organisirend. In der
Umgebung von Windhoek fand er eine große Anzahl
von Gespannen und Herden, die theils schon geimpft,
theils noch in der Impfung begriffen waren. Nach
Regelung des Impfverfahrens hier und Kontrole
sämmtlicher geimpften Bestände begab sich Redner
nach Windhoek selbst. Bei seiner letzten Kontrole
hatte Redner sich überzeugt, daß thatsächlich in ver-
schiedenen mit Galle geimpften Gespannen bezw.
Herden in der Umgebung Windhoeks Rinder vier
Wochen nach der Impfung wieder rinderpestkrank
geworden waren. Diese Beobachtung brachte ihn
zu dem Entschluß, die reine, allmählich abnehmende
Gallenimmunität durch Infektion der gallengeimpften
Rinder mit Rinderpestblut zu erhöhen. Der Zeit-
punkt für diese Infektion mußte so gewählt werden,
daß die Impflinge auf dieselbe mit abgeschwächter
Rinderpesterkrankung reagirten und durch Ueber-
stehen derselben vermöge des noch vorhandenen
Gallenimpsschutzes die höchstmögliche Immunität er-
warben.
Dieses Verfahren ist überall, soweit die Macht-
befugniß des Redners gereicht hat, in Deutsch-Süd-
westafrika durchgeführt worden, und zwar ist der
größte Theil der mit Galle geimpften Rinder zwischen
dem 20. bis 100. Tage, der Durchschnitt am
50. Tage nach der Gallenimpfung mit Ninderpestblut
(1 bis 10 cecm pro dosi) nachgeimpft worden.
Die nachgeimpften Thiere reagirten auf die Nach-
impfung mit Temperatursteigerung bezw. leichten
äußerlich wahrnehmbaren Krankheitserscheinungen.
Abgesehen hiervon ist eine nicht unbeträchtliche An-
zahl von Rindern so hoch wie möglich dadurch im-
munisirt worden, daß dieselben vor Eintritt der
vollen Gallenimmunität mit Rinderpest infizirt, ab-
geschwächte Rinderpest durchmachten. Zwei Wege
zum gleichen Ziel! In Windhoek angelangt, stellte
Redner in Konferenz mit dem Landeshauptmann und
anderen leitenden Organen den dringenden Antrag,
die vorstehend skizzirte Doppelimpfung zur Durch-
führung zu bringen und vor allen Dingen zunächst
für die Zugochsen obligatorisch zu machen. Nach
Zustimmung der Regierung ist es Redner gelungen,
die von ihm beantragte Doppelimpfmethode, wenn
auch nach Ueberwindung vielseitigen Widerstandes
seitens der europäischen und eingeborenen Bevölke=
rung, durchzuführen.
Ein zweites Ergebniß der ersten Konferenz mit
dem Landeshauptmann war die Errichtung einer
wissenschaftlichen Station zur Untersuchung von Vieh-
seuchen (besonders Rinderpest, Lungenseuche, Pferde-
sterbe) in Gammams bei Windhoek. Diese Station
ist inzwischen nach den Angaben des Redners ge-
baut und, mit vortrefflichem Laboratorium ausge-
stattet, in Betrieb gesetzt worden. Von Windhoek
begab sich Redner nach Okahandja, dem Hauptplatz
der Hereros, um hier hauptsächlich die der Impfung
widerstrebenden Herero-Kapitäne gefügig zu machen
und eine neue Impscentrale mit mikroskopischer
Untersuchungsstation einzurichten. Dies gelang.
Redner kehrte darauf nach Swakopmund zurück, alle
getroffenen Einrichtungen revidirend und kontrolirend;
in Swakopmund verhinderte er, daß die Rinderpest
durch Schiffsverkehr verschleppt wurde, frischte seine
durch reichliche Abgabe von Instrumenten, Appa-
raten 2c. zusammengeschmolzene Ausrüstung, nament-
lich mit Injektionsspritzen, Thermometern und meh-
reren Mikroskopen wieder auf und begab sich dann
zu mehrwöchentlichem Aufenthalt zunächst nach Otjim=
bingue. Hier wurde besonders die Blutnachimpfung
des Zugviehes, dem sich bald auf eigenen Antrieb
der Besitzer auch die des Herdenviehs anschloß,
durchgeführt. Das Ergebniß war, daß acht Wochen
nach Eintreffen des Redners in Deutsch-Südwest-
afrika allein in Otjimbingue 2000 mit Galle und
Rinderpestblut geimpfte Zugochsen für den Verkehr
wieder bereit standen. Von Otjimbingue nach Wind-
hoek zurückgekehrt, betrieb Redner im Verein mit
Roßarzt Rickmann auch hier energisch die Blutnach-
impfung und setzte darauf dieselbe in Rehoboth, der
Hauptstadt des Bastardlandes, deren Bewohrer sich
auch dagegen sträubten, durch. Die letzten Monate
seines Aufenthalts in Deutsch-Südwestafrika füllt
Redner damit aus, daß er das Impfgeschäft für den
Süden mit zwei Centralstellen in Gibeon und Keel-
mannshoop organisirte, daß er die Vernichtung des
Rinderpestgistes im Lande, besonders — mit Hülfe
der Schutztruppe — durch Verbrennen der Rinderpest-
kadaver, Abbrennen verseuchter Weideplätze und Des-
insektion der Wasser= bezw. Tränkstellen mit aller
Energie betrieb und endlich einige wissenschaftliche
Versuche von praktischer Bedeutung einleitete. Von
den letzteren zu erwähnen ist das Ergebniß eines
Versuches über Vererbung der Immunität gegen die
Rinderpest. Derselbe zeigte, daß Kälber bis zum
Alter von zwei Monaten, welche von nur gallen-
geimpften Müttern stammten, durch Infektion mit
Ninderpestblut zu Grunde gingen, während Kölber
von Kühen, welche Rinderpest überstanden hatten,