Full text: Deutsches Kolonialblatt. X. Jahrgang, 1899. (10)

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christlicher Gemeinden übrig lassen, brauchen uns die 
geschilderten Verhältnisse und Erfahrungen nicht zu 
entmuthigen. Sie weisen nur darauf hin, daß gründ- 
liche Geduldsarbeit nothwendig ist und daß man 
seine Hoffnungen auf rasche, in die Augen fallende 
Erfolge einschränken muß. Was noth thut, ist eine 
gründliche, gesunde christliche Erziehung der Jugend, 
Heranbildung tüchtiger eingeborener Arbeiter und da- 
neben treue Pflege der Gemeinden. Auf diesem 
Gebiet sind wir im letzten Jahre vorwärts gekommen. 
Für die Bildung der weiblichen Jugend hatte 
bisher wenig geschehen können. Jetzt ist durch Grün- 
dung einer Mädchenanstalt in Bonaku ein hoffnungs- 
voller Anfang zu tiesgehender und umfassenderer 
Einwirkung auch auf diese gemacht. Die Heranbildung 
eingeborener Prediger und Lehrer, die bisher der 
Mittelschule in Bonaberi bezw. der Anstalt in Lobe- 
thal zugewiesen war, kann nun in einem kleinen 
Lehrer= und Predigerseminar weitergeführt werden. 
Dem Bedürfniß nach höherer Bildung auch solcher, 
die sich nicht dem Missionsdienst widmen wollen, 
kommen die Schulen in Bonanjo und Bonabela ent- 
gegen. Eine Ausbildung im Handwerk erhält eine 
allerdings noch beschränkte Zahl junger Leute in 
unserer Schreinerei in Bonaku. 
Die Station Bonaku hat sich in der That be- 
deutend entwickelt. Die Schule in Bonabela gehörte 
früher der Regierung, die uns in sehr dankenswerther 
Weise das früher von Lehrer Christaller benutzte 
Schul= und Wohnhans überließ. Die Schule selbst 
aber wird vom evangelischen Afrikaverein unterhalten, 
der sich durch seine Fürsorge für die Schule als 
schätzenswerther Bundesgenosse der Mission erweist. 
Das an unser Anwesen in Bonaku angrenzende Be- 
sitzthum von Jantzen & Thormählen wurde von 
der Missionshandlung gekauft, die zugleich unser 
Waarenlager übernahm und nun ein blühendes Ge- 
schäft betreibt, das unsere Stationen mit europäischen 
Waaren versorgt. Die Kirche in Bonaku hat durch 
einen Thurm ein kirchlicheres Aussehen bekommen. 
Die Station Bonaberi bekam durch die gütige Ver- 
mittelung eines Missionsfreundes eine schöne Kirche. 
Ausgedehnt wurde das Werk durch Gründung einiger 
Außenstationen im Stationsgebiet Edie unter den 
beiden bedeutendsten Stämmen dort, den Basa und 
Bekok, und im Stationsgebiet Mangamba in Lamba 
im Ndogripendagebiet, während man sich von Fan 
infolge der Feindseligkeit der Häuptlinge wieder zurück- 
ziehen mußte. Allerdings mußten gerade in den ge- 
nannten zwei Stationsgebieten einige ältere Orte 
wieder aufgegeben werden. Der bedeutendste äußere 
Fortschritt ist die Erbauung der Missionsstation 
Bombe durch Bruder Stolz, die wenigstens großen- 
theils ins alte Jahr fällt. Dagegen scheint es mit 
dem Bau der entlegenen Station Nyasoso nicht so 
rasch voranzugehen. 
Personalveränderungen: Gestorben Bruder 
Gonser. Heimgekehrt Frau Gonser, Geschwister 
Bohner und Schkölziger, die Brüder Nusser, 
  
Göhring, Hies, Chapuis. Hinausgezogen Ge- 
schwister Lauffer, Walker, Basedow, die Brüder 
Lankmeyer, Hässig, Rüb. Dinkelacker, Krayl, 
Hoffmann, Kobel; Frau Stolz, Frl. Kalmbach, 
die Bräute der Brüder Lutz, Dorsch, Schürle, 
nämlich Frl. Johanna Langbein, Christine Rößler 
und Julie Gumbert. 
Aus Lutindi wird in „Afrika“, der Zeitschrift 
des evangelischen Afrikavereins, von dem Vorsteher 
der Sklavenfreistätte des Vereins aus der Zeit vom 
Mai bis Juni Nachstehendes berichtet. 
Die erste Hälste des Mai war für uns ein kleiner 
Winter; der ununterbrochene, in gewaltigen Strömen 
vom Himmel herniederkommende Regen beschränkte 
uns aufs Haus und häusliche Thätigkeit. 
Die Regenzeit ist in diesem Jahre so andauernd 
und der Regen so stark gewesen, wie wir es hier 
noch nicht erlebt haben. Unser ganzer Mais, mit 
dem wir eine Reihe von Feldern bepflanzt hatten, 
und der eine gute Ernte erhoffen ließ, ist leider durch 
den starken Regen vollständig vernichtet, denn so weit 
er schon kleine Kolben angesetzt hatte, ist er voll- 
ständig verfault, die zarteren Pflänzchen aber sind 
vom Sturm und Regen geknickt und zerschlagen, und 
so haben wir denn wieder einmal von Neuem an- 
fangen müssen zu pflanzen. Dafür aber werden 
hoffentlich die kräftig entwickelten Bananen, welche ja 
das Hauptnahrungsmittel der Waschambaa bilden, bald 
aller Noth ein Ende machen. Schon jetzt können sich 
Viele durch Kraut und Gemüse mancherlei Art sättigen. 
Von großem Segen sind die uns zur Linderung 
der Hungersnoth von unseren Freunden überwiesenen 
Gaben, für welche wir ihnen von Herzen Dank wissen. 
Die größte Wohlthat können wir damit den Kranken 
und durch Hunger Entkräfteten erweisen, deren Zahl 
zwischen 20 und 60 schwankt. Viele sind darunter, 
die überhaupt nichts weiter zu essen haben als das 
Wenige, was wir ihnen verabfolgen können. Täglich 
um 12 Uhr mittags ist die Speiseausgabe für die 
Kranken. Die Schwachen und Elenden, die arbeits- 
unfähig sind, erhalten die Speise umsonst. Andere 
aber, die, wenn auch nur theilweise zu arbeiten im 
Stande sind, müssen je nach ihrem körperlichen Zu- 
stande einen halben Tag oder auch nur wenige 
Stunden arbeiten, hacken oder jäten, jenachdem. 
Das ist freilich nach der Ansicht Mancher unter ihnen 
eine große Härte, und nur zu gern suchen sie sich 
der Arbeitsleistung zu entzichen, doch ist es, wie die 
Verhältnisse nun einmal liegen, für ihre Erziehung 
unbedingt nöthig, daß sie nach Maßgabe ihrer Kräfte 
zur Arbeit angehalten werden. 
Gesunde Arbeiter kamen einige Wochen hindurch 
nur einzelne auf die Station. Fragte man sie, wenn 
sie um Speise baten, warum sie nicht zur Arbeit 
kämen, um sich Speise zu verdienen, antworteten sie: 
„Wir würden sehr gern zur Arbeit kommen, wenn
	        
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