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christlicher Gemeinden übrig lassen, brauchen uns die
geschilderten Verhältnisse und Erfahrungen nicht zu
entmuthigen. Sie weisen nur darauf hin, daß gründ-
liche Geduldsarbeit nothwendig ist und daß man
seine Hoffnungen auf rasche, in die Augen fallende
Erfolge einschränken muß. Was noth thut, ist eine
gründliche, gesunde christliche Erziehung der Jugend,
Heranbildung tüchtiger eingeborener Arbeiter und da-
neben treue Pflege der Gemeinden. Auf diesem
Gebiet sind wir im letzten Jahre vorwärts gekommen.
Für die Bildung der weiblichen Jugend hatte
bisher wenig geschehen können. Jetzt ist durch Grün-
dung einer Mädchenanstalt in Bonaku ein hoffnungs-
voller Anfang zu tiesgehender und umfassenderer
Einwirkung auch auf diese gemacht. Die Heranbildung
eingeborener Prediger und Lehrer, die bisher der
Mittelschule in Bonaberi bezw. der Anstalt in Lobe-
thal zugewiesen war, kann nun in einem kleinen
Lehrer= und Predigerseminar weitergeführt werden.
Dem Bedürfniß nach höherer Bildung auch solcher,
die sich nicht dem Missionsdienst widmen wollen,
kommen die Schulen in Bonanjo und Bonabela ent-
gegen. Eine Ausbildung im Handwerk erhält eine
allerdings noch beschränkte Zahl junger Leute in
unserer Schreinerei in Bonaku.
Die Station Bonaku hat sich in der That be-
deutend entwickelt. Die Schule in Bonabela gehörte
früher der Regierung, die uns in sehr dankenswerther
Weise das früher von Lehrer Christaller benutzte
Schul= und Wohnhans überließ. Die Schule selbst
aber wird vom evangelischen Afrikaverein unterhalten,
der sich durch seine Fürsorge für die Schule als
schätzenswerther Bundesgenosse der Mission erweist.
Das an unser Anwesen in Bonaku angrenzende Be-
sitzthum von Jantzen & Thormählen wurde von
der Missionshandlung gekauft, die zugleich unser
Waarenlager übernahm und nun ein blühendes Ge-
schäft betreibt, das unsere Stationen mit europäischen
Waaren versorgt. Die Kirche in Bonaku hat durch
einen Thurm ein kirchlicheres Aussehen bekommen.
Die Station Bonaberi bekam durch die gütige Ver-
mittelung eines Missionsfreundes eine schöne Kirche.
Ausgedehnt wurde das Werk durch Gründung einiger
Außenstationen im Stationsgebiet Edie unter den
beiden bedeutendsten Stämmen dort, den Basa und
Bekok, und im Stationsgebiet Mangamba in Lamba
im Ndogripendagebiet, während man sich von Fan
infolge der Feindseligkeit der Häuptlinge wieder zurück-
ziehen mußte. Allerdings mußten gerade in den ge-
nannten zwei Stationsgebieten einige ältere Orte
wieder aufgegeben werden. Der bedeutendste äußere
Fortschritt ist die Erbauung der Missionsstation
Bombe durch Bruder Stolz, die wenigstens großen-
theils ins alte Jahr fällt. Dagegen scheint es mit
dem Bau der entlegenen Station Nyasoso nicht so
rasch voranzugehen.
Personalveränderungen: Gestorben Bruder
Gonser. Heimgekehrt Frau Gonser, Geschwister
Bohner und Schkölziger, die Brüder Nusser,
Göhring, Hies, Chapuis. Hinausgezogen Ge-
schwister Lauffer, Walker, Basedow, die Brüder
Lankmeyer, Hässig, Rüb. Dinkelacker, Krayl,
Hoffmann, Kobel; Frau Stolz, Frl. Kalmbach,
die Bräute der Brüder Lutz, Dorsch, Schürle,
nämlich Frl. Johanna Langbein, Christine Rößler
und Julie Gumbert.
Aus Lutindi wird in „Afrika“, der Zeitschrift
des evangelischen Afrikavereins, von dem Vorsteher
der Sklavenfreistätte des Vereins aus der Zeit vom
Mai bis Juni Nachstehendes berichtet.
Die erste Hälste des Mai war für uns ein kleiner
Winter; der ununterbrochene, in gewaltigen Strömen
vom Himmel herniederkommende Regen beschränkte
uns aufs Haus und häusliche Thätigkeit.
Die Regenzeit ist in diesem Jahre so andauernd
und der Regen so stark gewesen, wie wir es hier
noch nicht erlebt haben. Unser ganzer Mais, mit
dem wir eine Reihe von Feldern bepflanzt hatten,
und der eine gute Ernte erhoffen ließ, ist leider durch
den starken Regen vollständig vernichtet, denn so weit
er schon kleine Kolben angesetzt hatte, ist er voll-
ständig verfault, die zarteren Pflänzchen aber sind
vom Sturm und Regen geknickt und zerschlagen, und
so haben wir denn wieder einmal von Neuem an-
fangen müssen zu pflanzen. Dafür aber werden
hoffentlich die kräftig entwickelten Bananen, welche ja
das Hauptnahrungsmittel der Waschambaa bilden, bald
aller Noth ein Ende machen. Schon jetzt können sich
Viele durch Kraut und Gemüse mancherlei Art sättigen.
Von großem Segen sind die uns zur Linderung
der Hungersnoth von unseren Freunden überwiesenen
Gaben, für welche wir ihnen von Herzen Dank wissen.
Die größte Wohlthat können wir damit den Kranken
und durch Hunger Entkräfteten erweisen, deren Zahl
zwischen 20 und 60 schwankt. Viele sind darunter,
die überhaupt nichts weiter zu essen haben als das
Wenige, was wir ihnen verabfolgen können. Täglich
um 12 Uhr mittags ist die Speiseausgabe für die
Kranken. Die Schwachen und Elenden, die arbeits-
unfähig sind, erhalten die Speise umsonst. Andere
aber, die, wenn auch nur theilweise zu arbeiten im
Stande sind, müssen je nach ihrem körperlichen Zu-
stande einen halben Tag oder auch nur wenige
Stunden arbeiten, hacken oder jäten, jenachdem.
Das ist freilich nach der Ansicht Mancher unter ihnen
eine große Härte, und nur zu gern suchen sie sich
der Arbeitsleistung zu entzichen, doch ist es, wie die
Verhältnisse nun einmal liegen, für ihre Erziehung
unbedingt nöthig, daß sie nach Maßgabe ihrer Kräfte
zur Arbeit angehalten werden.
Gesunde Arbeiter kamen einige Wochen hindurch
nur einzelne auf die Station. Fragte man sie, wenn
sie um Speise baten, warum sie nicht zur Arbeit
kämen, um sich Speise zu verdienen, antworteten sie:
„Wir würden sehr gern zur Arbeit kommen, wenn