Full text: Deutsches Kolonialblatt. XI. Jahrgang, 1900. (11)

jahres begann ich neben dem Weiterbau meines kleinen 
Wohnhauses den Bau eines Kuhstalles. Wie immer, 
waren mir die Leute freudig und dienstbereit zur 
Hand. Es dauerte darum nicht allzulange, so war 
der nach Art der Leute hier aufgeführte Bau voll- 
endet. Mit aller Kraft ging es dann an die Holz- 
arbeiten für mein Häuschen, doch dazu waren Bretter 
nöthig, und zu den Brettern wieder Brettschneider. 
Das hat denn viele Mühe gemacht und manches ver- 
schnittene Brett gekostet, ehe ich zwei Leute soweit 
hatte, daß ich sagen konnte: Nun, heute haben sie 
wenigstens ein richtiges Brett zuwege gebracht. Als 
dann die Bretter fertig dalagen, mangelte es wieder 
an Handwerkszeug. Von unseren anderen Stationen 
solches leihen konnte ich nicht; dazu lagen sie zu weit, 
und die nächsten haben selbst nichts. So mußte ich 
mir denn selbst zu helsen suchen. Eine Art Hobel- 
bank war bald gezimmert. Mit dem Schleifstein 
wollte es aber gar nicht recht gehen. Drei Tage, 
von morgens früh bis des abends spät, meißelte ich 
an großen Feldsteinen herum, und immer wieder 
zerplatzten sie, wenn sie beinahe das Aussehen von 
Schleifsteinen hatten. Doch man lernt auch Stein- 
metzarbeiten in Afrika, und am Schlusse des vierten 
Tages drehte sich ein kleines, freilich recht sehr 
kratzendes Dingelchen munter auf dem schnell ange- 
fertigten Gestell. Ich kann mir doch nun wenigstens 
meine Aexte und Hobeln ein wenig anschärfen. 
So und ähnlich ging und geht es mir noch heute 
bei meiner Baupraxis. Aber es geht doch. 
Am 18. August konnte ich durch Gottes Gnade 
schon ein nothdürftig hergerichtetes Zimmerchen meines 
neuen Hauses beziehen. Freilich waren und sind bis 
heute noch Fußboden und Wände so feucht und naß, 
daß ich jeden zweiten Tag alle Sachen zum Trocknen 
nach draußen tragen muß. Aber herzlich froh bin 
ich doch, daß ich aus der alten, nun fast vollends 
eingefallenen Lehmhütte heraus bin. Es war schließlich 
vor Nässe, Kälte, Ratten und Schlangen nicht mehr 
auszuhalten. Einen recht freundlichen Besuch hatte 
ich in den ersten Tagen auch gleich in meinem neuen 
Häuschen. Fenster und Thüren trennten mich noch 
nicht von der Außenwelt, so standen denn plötzlich 
eines nachts zwei große Hyänen vor meinem Bette. 
Ein lauter Revolverschuß jagte den Bestien aber 
solchen Schrecken ein, daß sie mich bis heute mit 
weiteren Besuchen verschont haben. 
Neben der Bauarbeit mußte auch tüchtig ärztlich 
praktizirt werden. Erfreulich ist es, daß die Zahl 
meiner Patienten mit jedem Tage abnimmt. Der 
freundliche Herr segnet über Bitten und Verstehen 
meine Mittelchen. Viel Arbeit machte mir das Pocken- 
impfen. Durch die Freundlichkeit des Hauptmanns 
Prince war es mir endlich gelungen, Lymphe zu 
bekommen. Freudig ging ich nun ans Impfen. Aber 
so etwas von Drängen zu demselben kann man sich 
kaum vorstellen. Jeder wollte zuerst geimpft sein, 
um dann nicht mehr an den hier so sehr gefürchteten 
Pocken sterben zu müssen. (In der Zeit vom Mai 
383 
  
  
bis Ende Juli sind hier in Muhanga etwa 250 Per- 
sonen an den Pocken gestorben.) Ich dachte lebhaft 
an die Kranken am Teiche Bethesda. Jeden Tag 
impfte ich etwa drei bis vier Stunden und das fast 
fünf Wochen hindurch. Die Impflinge wurden genau 
gebucht, und dabei machte ich die erfreuliche Ent- 
deckung, daß mein Muhanga mindestens 1600 Ein- 
wohner hat, die nahe Umgegend wie Ukwega — von 
wo ich bis jetzt ungefähr 700 meist Erwachsene 
geimpft habe — gar nicht mitgerechnet. Jetzt bei 
Beginn des neuen (vierten) Vierteljahres sind die 
Pocken hier ganz erloschen, während sie in der nahen 
Ulanga-Ebene noch schrecklich hausen. Die Leute find 
dankbar und suchen mir das immer wieder zu beweisen. 
Mitte August passirten hier auch die ersten großen 
Karawanen des neuen Transportweges Rufidyi— 
Ulanga—Fringa. 
Die Abende widmete ich der Vorbereitung zum 
Examen, d. h. wenn ich Licht hatte. Meine beiden 
ersten Blechgefäße Petroleum, die ich mir aus Ikombe 
kommen ließ, waren unterwegs defekt geworden und 
völlig ausgelaufen. Ein Versuch, abends bei großem 
Holzfeuer zu arbeiten, brachte mir so heftige Augen- 
entzündung, daß ich ihn aufgeben mußte. Aber noch 
zur rechten Zeit traf Ende August eine neue Sendung 
Petroleum ein, die unversehrt war. 
Die Monatsschrift der Bostoner Mission „The 
Missionary Herald"“ bringt in ihrem Aprilheft aus 
dem Missionsarbeitsfeld in den Karolinen einen vom 
1. November 1899 geschriebenen Brief eines einge- 
borenen Missionsanhängers Henry Nanpei, der zu 
den angesehensten Häuptlingsfamilien von Ponape 
gehört. Der eigentliche Zweck des Schreibens ist die 
an die Missionsleitung in Boston gerichtete Bitte, 
daß sie einen weißen Missionar hach Ponape ent- 
senden mögé. Allgemeineres Interesse bietet der Theil 
des Briefes, der sich auf die Einrichtung der deut- 
schen Verwaltung in den Karolinen bezieht und 
Zeugniß ablegt von dem großen Verständniß, mit 
dem der Verfasser die neuesten Vorgänge beobachtet 
hat. Der betreffende Passus lautet: 
„Es macht mir große Freude, der Leitung der 
Mission über die Einrichtung der neuen Verwaltung 
berichten zu können, die am 19. Oktober erfolgte. 
Ein deutsches Kriegsschiff, begleitet von einem Handels- 
dampfer, traf an diesem Tage hier ein und hißte die 
deutsche Flagge. Eine große Anzahl der Eingeborenen 
hatte sich versammelt, die deutschen Beamten will- 
kommen zu heißen 
Unser neuer Gouverneur (der Kaiserliche Vice- 
gouverneur Dr. Hahl) ist ein verhältnißmäßig junger 
Mann, scheint aber alle für seine wichtige Stellung 
erforderlichen Eigenschaften zu besitzen. Wir beten, 
daß er weise und gut regieren möge. Er hat bereits 
seinen guten Willen und Verständniß für das Volk 
bewiesen und scheint der rechte Mann am rechten 
Platz zu sein. Die erste Verordnung unseres Gou- 
verneurs war ein Verbot des Genusses und des
	        
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