Full text: Deutsches Kolonialblatt. XII. Jahrgang, 1901. (12)

ist sehr spärlich. Tische, Stühle, Bettstellen, Teller, 
Gabeln finden sich nur in wenigen Familien. Einige 
eiserne Kochtöpfe, ein flacher Kessel zum Einkochen 
von Salz aus Meerwasser und von „Dulce“ (Süßig- 
keit) aus dem Saft des Zuckerrohrs oder der Kokos- 
palme, ein Stein zum Zerkleinern von Mais und 
ein urnenförmiges, etwa 60 cm hohes Thongefäß 
zum Auffangen des Regenwassers bilden neben einigen 
Fischnetzen und Raufen den Hausrath des Chamorros 
  
und Karoliners. Die männlichen Familienmitglieder 
sind stets mit einem kräftigen, hier geschmiedeten 
Buschmesser versehen, das sie in Leder= oder Holz- 
scheide an einem Ledergürtel tragen. Das einzige 
Werkzeug für die Feldbestellung ist ein an 3 m langem 
Stiel befestigtes Stoßeisen, mit welchem sie das Un- 
kraut beseitigen und die Erde lockern. 
Neben der beschriebenen Form der Hütte giebt 
es noch eine andere primitivere Form, wo die Be- 
hausung direkt über dem Erdboden errichtet ist, Dach 
und Wände bis auf diesen hinabreichen. 
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Ich habe an dieser Stelle eine Beschreibung der 
gegenwärtigen Chamorrowohnung gegeben, um aus 
ihr den Zweck und die Bedeutung der berühmten 
Tinian-Säulen zu erklären, welche von Vielen 
für die Ueberreste einer unbekannten, hohen Kultur- 
periode gebalten werden. 
Auf allen Marianen-Inseln findet man im Walde 
eigenthümliche ½ bis 1½ m hohe vierkantige, nach 
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aufzubauen. 
oben sich verjüngende Säulen, aus einem Korallenfe 
oder aus Mauerwerk bestehend; auf jeder Säu 
ruht oder ruhte ein unverhältnißmäßig großes hall 
kugeliges Kapitäl, in den meisten Fällen ist es vo 
seinem Sockel abgestürzt. Diese Säulen sind zu 
fünf oder sechs in zwei parallelen Reihen errichte 
ihr Abstand von einander beträgt etwa 1½ m, de 
Reihenabstand etwa 38 m. Diese Ruinen werden vo 
den Eingeborenen „Casas de los antiquos“ genann 
Häuser der Alten; Trümmer von roh gebrannte 
ohne Töpferscheibe hergestellten Thongefäßen, Wer 
zeuge aus Stein oder Muschel, große Mahlsteine an 
Basalt oder Granit, die man in der Nähe finde 
scheinen die Annahme, daß es thatsächlich Wohnunge 
der einst so zahlreichen Chamorros waren, zu b 
stätigen, während die Niedrigkeit des Gemäuers die, 
selbe zu widerlegen scheint. Wie sollte auch ein Vol 
das nach allen Schilderungen auf einer recht niedrige 
Kulturstufe stand, in völliger Nacktheit lebte, kei 
Metall kannte und als einzige Waffen Schleuder 
und Lanzen aus Menschenknochen benutzte, daz 
kommen, lediglich aus angeborenem Kunstsinn seir 
Häuser mit monumentalen Säulen und Kapitälen z 
schmücken? Die spanischen Priester, welche die Lebent 
weise der Chamorros schilderten und in ihren Wohnunge 
die neugeborenen Kinder tauften, erwähnen zwar, da 
sie ihre Häuser verzierten, aber von diesen Säuler 
reihen, die ihnen doch auffallen mußten, erwähnen 
nichts. Man könnte an Grabdenkmäler glauben, zumt 
berichtet wird, daß die alten Chamorros ihren Todte 
eine religiöse Verehrung erwiesen und die Schädt 
der Verstorbenen in ihren Wohnungen aufbewahrter 
Indessen müßten diese mit dem verhaßten Kultu 
verknüpften Grabdenkmäler die Aufmerksamkeit de 
Spanier doch mehr erregt haben und die Schilderun 
ihrer Kämpfe gegen die Heiden anfüllen. Des Rätsel 
Lösung ist sehr einfach: Diese Säulen und Kapitäl 
entsprangen nicht dem Triebe der Kunst um ihre 
selbst willen oder der religiösen Verehrung, sonden 
der Zweckmäßigkeit. Sie stellen nicht Grabmonument 
dar, sondern sind thatsächlich die Pfeiler, auf dener 
das spitz zulaufende, hohe Dach ruhte. In diesen 
regenreichen Lande ist die oben beschriebene primitw“ 
Form der Hütten zuweilen seucht und undcquem 
und die angesehenen und anspruchsvolleren Stammes 
angehörigen kamen von selbst dazu, ihre Wohnunger 
auf Pfeiler oder Pfähle zu stellen — im Uebiiger 
unter Beibehaltung der ursprünglichen Form. 
Einen Baum mit Steinwerkzeugen zu fällen 
verursacht aber eine weit größere Mühe, als die 
überall im Walde und am Strande vorhandenen 
Korallenblöcke heranzuschaffen und nothdürftig zu 
behauen, um auf ihnen den Boden und das Dach 
Später, bei dem Anwachsen der Be- 
völkerung, als der Mangel an fließendem Wasser zur 
Herstellung gebrannter Thongefäße nöthigte, lehrte 
der Zufall die Eigenschaft des gebrannten, sich weder 
härtenden Kalles; man baute Pfeiler aus Stem und 
Mörtel auf.
	        
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