Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIII. Jahrgang, 1902. (13)

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standen, sie in zehn Minuten dazu zu bringen, am 
Wagen zu ziehen. Ich will besonders auf diesen 
Umstand hinweisen, weil in Südwestafrika Kameele 
sehr gut gedeihen und gerade dort vorzüglich zum 
Reiten und Fahren verwendet werden müßten. Wenn 
man nicht die Geduld verliert, und wenn man die 
Zugfestigkeit der Kameele durch allmähliche Mehr- 
belastung stählt, wird man es zu einer großen Leistung 
bringen. Anfangs haben die Kameele monatelang 
für meine Versuchsthiere von außerhalb Dar-es- 
Saläm Gras geholt. Und wo nur immer sich Ge- 
legenheit zu anderen Fuhren bot, wurden sie benutzt, 
z. B. wurden Cementfässer, Sand und Steine zum 
Bau des Postgebäudes in Dar-es-Saläm gefahren. 
Einmal bot sich Gelegenheit, für mehrere Wochen 
Steine nach einer 6 km von Dar-es-Saläm entfernten 
Schamba zu fahren, wobei sie täglich 24 km zurück- 
legten. Ein anderes Mal waren die Kameele beim 
Hinaufziehen der eisernen Platten, die zum großen 
Schwimmdock in Dar-es-Saläm Verwendung finden 
sollten, behülflich, indem sie über Rollen hinweg 
dieselben auf den Strand zogen. Zum Schluß unter- 
nahm ich noch einen dreitägigen Fahrversuch von 
Dar-es-Saläm durch die Kisseraweberge. Es stellte 
sich dabei heraus, daß Fußleiden in der Regenzeit 
ebenso wenig vorkamen wie in der Trockenzeit, und 
daß tägliches Gehen auf chaussirten Wegen bis zu 
26 km kein Durchlaufen der Fußsohle zur Folge 
hatte. Dabei wurde die Belastung des Wagens bis 
zu 60 Ctr. gesteigert. Ohne besondere Veranlassung 
wurden jedoch 30 bis 40 Ctr. nicht überschritten. 
Allerdings verlangt Kraftleistung auch Kraftfutter, 
und man sollte auf diesen Punkt besonders Obacht 
geben. Es kann die Leistungsfähigkeit ohne Mühe 
bei guter Pflege und Aufmerksamkeit so hoch ge- 
steigert werden, daß die Kameele unseren stärksten 
Pferden in Nichts nachgeben. Wer aber von dem 
Kameel eben solche Leistungen bei einem dürftigen 
Futter erwartet, das eben noch ausreicht, das Leben 
zu fristen, kennt nicht die Wechselbeziehung in der 
Natur zwischen Futter und Leistung. 
Welch großem Uebelstande könnten die Kameele 
schon in den Küstenorten von Ostafrika abhelfen, in- 
dem sie die Arbeiten an der Küste ausführen, zu 
deren Bewältigung zur Zeit ein ganzes Heer von 
Negern Verwendung findet. Die Kameele könnten 
dazu verwandt werden, mittelst Wagen alle Güter, 
die mit den Dampfern von Europa kommen, vom 
Zollschuppen zur Niederlage des Kaufmanns zu be- 
fördern. Sie sind geeignet, das Heranschaffen von 
Sand, Steinen, eisernen Trägern, Cement, Balken, 
Brettern 2c. für den Häuserbau zu besorgen. Sie 
könnten die Müllabfuhr aus den Städten ausführen 
und beim Bau von Chausseen und Straßen thätig 
sein. Es giebt für die Kameele Arbeit in Hülle 
und Fülle, für welche bisher Menschenhände aus- 
schließlich Verwendung finden. 
Beim Eisenbahnbau könnten sie verwandt werden 
zur Ausführung der Erdarbeiten und zum Heran- 
  
schaffen von Eisenmaterial, Schwellen 2c. mittelst 
Feldbahnen. Mit ihnen kann auch die Versorgung 
der Bahnarbeiter mit Nahrungsmitteln bewerkstelligt 
werden. Beim Telegraphenbau bietet das Schleppen 
von eisernen Stangen, Draht rc. erwünschte Gelegen- 
heit zur Arbeit. Wer nicht volle Beschäftigung für 
Kameele finden kann, mag sie in der Regenzeit zum 
Pflügen des Ackers benutzen. Auf Plantagen können 
sie außerdem noch im Göpelwerk Verwendung finden 
und endlich sind sie noch als Reitthiere zu gebrauchen. 
Kurz, jede Arbeit, die in Europa dem Pferde zu- 
gedacht ist, vermag das Kameel in Afrika auszuführen. 
Rechnet man die Arbeit für zwei Thiere bei 
24 km pro Tag auf 30 Ctr., so entspricht dies einer 
Arbeitsleistung von 50 Negern und einer täglichen 
Ausgabe von 12½⅛ Rupien Arbeitslohn. Diese Zeit 
dürfte aber bald verschwunden sein, wo noch so billige 
Arbeitskräfte vorhanden sein werden; die Arbeits- 
zunahme und die Nachfrage nach Arbeitern wird 
eben auch den Arbeitslohn steigern. Wie die Ver- 
hältnisse zur Zeit noch liegen, stehen als dauernde 
Ausgabe diesen 12½ Rupien Arbeitslohn ein Arbeits- 
lohn für einen Führer und Futterkosten für zwei 
Thiere gegenüber. Die Kosten betragen je 16 Pesa 
für Grün= und für Kraftfutter und ferner 16 Pesa 
für den Lohn des Führers. Es stehen danach bei 
Kameelverwendung 1 1/4 Rupien Ausgaben den 12⅛ 
Rupien Ausgaben bei Negerverwendung gegenüber. 
Allerdings beträgt die einmalige Beschaffung von 
Kameelen, Wagen und Geschirren 700 Rupien, und 
die jährliche Abnutzung 100 Rupien. Die Arbeits- 
leistung entspricht bei 300 Arbeitstagen im Jahre 
3600 Rupien, die Beschaffung und Unterhaltung 
1200 Rupien. Mithin wird in vier Monaten das 
aufgewandte Kapital getilgt. 
Nun kann aber ein Kameel 40 Jahre arbeits- 
sähig bleiben. Rechnet man aber auch nur den 
vierten Theil dieser Zeit — ich selbst habe Thiere 
gesehen, die zehn Jahre in Ostafrika täglich gearbeitet 
hatten — also nur zehn Jahre, so erhellt schon der 
Vortheil bei Benutzung des Kamecels. Alle diese 
Zahlen verschieben sich noch mehr zu Gunsten des- 
selben, wenn man ihnen anstatt 30 Ctr. 40 bis 
50 Ctr., ja selbst 60 Ctr. auspackt, wie es innerhalb 
der Küstenstädte möglich ist; serner wenn man zweck- 
mäßig einen Theil der Thiere von 6 Uhr morgens 
bis Mittag und die Ablösung von Mittag bis Abend 
arbeiten läßt, und wenn man die Wagen so vertheilt, 
daß in der Arbeit keine Unterbrechung stattfindet; 
endlich wenn sich der Arbeitslohn bei der größeren 
Nachfrage nach Arbeitern immer mehr zu Ungunsten 
des Arbeitgebers verschiebt. 
Bei einer größeren Anzahl Kameele würde sich 
zweckmäßig nachstehende Arbeitseintheilung ergeben, für 
deren Innehaltung ein Aufseher Sorge zu tragen hat: 
5 Uhr Abfüttern (Kraftfutter, Grünfutter), 
6 Uhr Anspannen Abtheilung I, 
6 bis 8 Uhr Reinigen des Stalles von den 
zurückgebliebenen Negern,
	        
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