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standen, sie in zehn Minuten dazu zu bringen, am
Wagen zu ziehen. Ich will besonders auf diesen
Umstand hinweisen, weil in Südwestafrika Kameele
sehr gut gedeihen und gerade dort vorzüglich zum
Reiten und Fahren verwendet werden müßten. Wenn
man nicht die Geduld verliert, und wenn man die
Zugfestigkeit der Kameele durch allmähliche Mehr-
belastung stählt, wird man es zu einer großen Leistung
bringen. Anfangs haben die Kameele monatelang
für meine Versuchsthiere von außerhalb Dar-es-
Saläm Gras geholt. Und wo nur immer sich Ge-
legenheit zu anderen Fuhren bot, wurden sie benutzt,
z. B. wurden Cementfässer, Sand und Steine zum
Bau des Postgebäudes in Dar-es-Saläm gefahren.
Einmal bot sich Gelegenheit, für mehrere Wochen
Steine nach einer 6 km von Dar-es-Saläm entfernten
Schamba zu fahren, wobei sie täglich 24 km zurück-
legten. Ein anderes Mal waren die Kameele beim
Hinaufziehen der eisernen Platten, die zum großen
Schwimmdock in Dar-es-Saläm Verwendung finden
sollten, behülflich, indem sie über Rollen hinweg
dieselben auf den Strand zogen. Zum Schluß unter-
nahm ich noch einen dreitägigen Fahrversuch von
Dar-es-Saläm durch die Kisseraweberge. Es stellte
sich dabei heraus, daß Fußleiden in der Regenzeit
ebenso wenig vorkamen wie in der Trockenzeit, und
daß tägliches Gehen auf chaussirten Wegen bis zu
26 km kein Durchlaufen der Fußsohle zur Folge
hatte. Dabei wurde die Belastung des Wagens bis
zu 60 Ctr. gesteigert. Ohne besondere Veranlassung
wurden jedoch 30 bis 40 Ctr. nicht überschritten.
Allerdings verlangt Kraftleistung auch Kraftfutter,
und man sollte auf diesen Punkt besonders Obacht
geben. Es kann die Leistungsfähigkeit ohne Mühe
bei guter Pflege und Aufmerksamkeit so hoch ge-
steigert werden, daß die Kameele unseren stärksten
Pferden in Nichts nachgeben. Wer aber von dem
Kameel eben solche Leistungen bei einem dürftigen
Futter erwartet, das eben noch ausreicht, das Leben
zu fristen, kennt nicht die Wechselbeziehung in der
Natur zwischen Futter und Leistung.
Welch großem Uebelstande könnten die Kameele
schon in den Küstenorten von Ostafrika abhelfen, in-
dem sie die Arbeiten an der Küste ausführen, zu
deren Bewältigung zur Zeit ein ganzes Heer von
Negern Verwendung findet. Die Kameele könnten
dazu verwandt werden, mittelst Wagen alle Güter,
die mit den Dampfern von Europa kommen, vom
Zollschuppen zur Niederlage des Kaufmanns zu be-
fördern. Sie sind geeignet, das Heranschaffen von
Sand, Steinen, eisernen Trägern, Cement, Balken,
Brettern 2c. für den Häuserbau zu besorgen. Sie
könnten die Müllabfuhr aus den Städten ausführen
und beim Bau von Chausseen und Straßen thätig
sein. Es giebt für die Kameele Arbeit in Hülle
und Fülle, für welche bisher Menschenhände aus-
schließlich Verwendung finden.
Beim Eisenbahnbau könnten sie verwandt werden
zur Ausführung der Erdarbeiten und zum Heran-
schaffen von Eisenmaterial, Schwellen 2c. mittelst
Feldbahnen. Mit ihnen kann auch die Versorgung
der Bahnarbeiter mit Nahrungsmitteln bewerkstelligt
werden. Beim Telegraphenbau bietet das Schleppen
von eisernen Stangen, Draht rc. erwünschte Gelegen-
heit zur Arbeit. Wer nicht volle Beschäftigung für
Kameele finden kann, mag sie in der Regenzeit zum
Pflügen des Ackers benutzen. Auf Plantagen können
sie außerdem noch im Göpelwerk Verwendung finden
und endlich sind sie noch als Reitthiere zu gebrauchen.
Kurz, jede Arbeit, die in Europa dem Pferde zu-
gedacht ist, vermag das Kameel in Afrika auszuführen.
Rechnet man die Arbeit für zwei Thiere bei
24 km pro Tag auf 30 Ctr., so entspricht dies einer
Arbeitsleistung von 50 Negern und einer täglichen
Ausgabe von 12½⅛ Rupien Arbeitslohn. Diese Zeit
dürfte aber bald verschwunden sein, wo noch so billige
Arbeitskräfte vorhanden sein werden; die Arbeits-
zunahme und die Nachfrage nach Arbeitern wird
eben auch den Arbeitslohn steigern. Wie die Ver-
hältnisse zur Zeit noch liegen, stehen als dauernde
Ausgabe diesen 12½ Rupien Arbeitslohn ein Arbeits-
lohn für einen Führer und Futterkosten für zwei
Thiere gegenüber. Die Kosten betragen je 16 Pesa
für Grün= und für Kraftfutter und ferner 16 Pesa
für den Lohn des Führers. Es stehen danach bei
Kameelverwendung 1 1/4 Rupien Ausgaben den 12⅛
Rupien Ausgaben bei Negerverwendung gegenüber.
Allerdings beträgt die einmalige Beschaffung von
Kameelen, Wagen und Geschirren 700 Rupien, und
die jährliche Abnutzung 100 Rupien. Die Arbeits-
leistung entspricht bei 300 Arbeitstagen im Jahre
3600 Rupien, die Beschaffung und Unterhaltung
1200 Rupien. Mithin wird in vier Monaten das
aufgewandte Kapital getilgt.
Nun kann aber ein Kameel 40 Jahre arbeits-
sähig bleiben. Rechnet man aber auch nur den
vierten Theil dieser Zeit — ich selbst habe Thiere
gesehen, die zehn Jahre in Ostafrika täglich gearbeitet
hatten — also nur zehn Jahre, so erhellt schon der
Vortheil bei Benutzung des Kamecels. Alle diese
Zahlen verschieben sich noch mehr zu Gunsten des-
selben, wenn man ihnen anstatt 30 Ctr. 40 bis
50 Ctr., ja selbst 60 Ctr. auspackt, wie es innerhalb
der Küstenstädte möglich ist; serner wenn man zweck-
mäßig einen Theil der Thiere von 6 Uhr morgens
bis Mittag und die Ablösung von Mittag bis Abend
arbeiten läßt, und wenn man die Wagen so vertheilt,
daß in der Arbeit keine Unterbrechung stattfindet;
endlich wenn sich der Arbeitslohn bei der größeren
Nachfrage nach Arbeitern immer mehr zu Ungunsten
des Arbeitgebers verschiebt.
Bei einer größeren Anzahl Kameele würde sich
zweckmäßig nachstehende Arbeitseintheilung ergeben, für
deren Innehaltung ein Aufseher Sorge zu tragen hat:
5 Uhr Abfüttern (Kraftfutter, Grünfutter),
6 Uhr Anspannen Abtheilung I,
6 bis 8 Uhr Reinigen des Stalles von den
zurückgebliebenen Negern,