Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIII. Jahrgang, 1902. (13)

Am 22. April vormittags 10 Uhr waren zur 
Feier der Besitzergreifung Deutsch-Bornus auf dem 
erwähnten Platze sämmtliche Truppen in einer 
Art Paradeaufstellung aufgestellt. Nach Hissung 
der deutschen Flagge auf dem von mir bewohnten 
Palast, einer Ansprache meinerseits, und nachdem 
unter präsentirtem Gewehr drei Hurraos auf Seine 
Majestät den Kaiser ausgebracht waren, erklärte ich 
den Sultan Sanda als von der deutschen Regierung 
bestätigt. Ein großes Freudengeschrei der sämmtlichen 
Einwohner, die als Zuschauer dienten und wohl die 
Zahl 40 000 erreichten, schloß die Feier, die mit 
einem Parademarsch und einem großartigen Reiter- 
festspiel endigte. Noch Stunden lang nachher 
wogte die freudig erregte Menge aus dem 
Platze auf und ab. Nachdem ich dann noch 
dem Sultan Sanda in seinem Palast einen 
Besuch abgestattet und er mir kurz darauf den 
Besuch erwidert hatte, wurden gegenseitig zwischen 
uns Beiden Geschenke ausgetauscht, die seinerseits 
aus vier schönen Hengsten und einer Unmenge 
Lebensmittel für meine Expedition bestanden. 
Am Nachmittage hatte ich eine weitere Be- 
sprechung mit Rittmeister Dangeville, und dabei ist 
Folgendes aufgeklärt worden. Nachdem Rabbeh 
vor nunmehr etwa 11 Jahren aus dem Sudan 
nach Westen vorgedrungen war und dabei auf seinem 
Wege Alles, was sich ihm nicht unterwarf, getödtet 
und zerstört hatte, so auch das englische Kuka westlich 
des Tsadsees, wo er allein 30 000 Menschen grau- 
sam hinmorden ließ, setzte er sich in Dikoa fest, er- 
klärte dies für seine Residenz, und Dikoa blühte 
während seiner achtjährigen Anwesenheit daselbst 
ungemein auf. Noch heute sind die großartigen 
Paläste, die Wasseranlagen, die künstlichen Gärten 2c., 
Zeugen der hohen Blüthe Dikoas. Von hier aus 
dehnte Rabbeh seine Kriegszüge nach Süden und 
Osten aus, so Deutsch-Bornu und Französisch-Bagirmi 
verwüstend. Vor drei Jahren fiel Rabbeh in der 
Schlacht von Kusseri gegen die Franzosen, welche 
starke Expeditionen gegen ihn ausgerüstet hatten. 
Sein Sohn Fad el Allah übernahm die Regierung 
und setzte die Kriegszüge fort, so daß die Franzosen 
sich veranlaßt sahen, vor etwa 2 Jahren den Schari 
zu überschreiten, durch Deutsch-Bornu zu marschiren 
und Fad el Allah bei Dikoa zu schlagen. Flichend 
ließ sich Fad el Allah in Gudjiba auf englischem 
Gebiet nieder, von da aus wiederum das deutsche 
und französische Gebiet bedrohend. Die Franzosen, 
ihm durch englisches Gebiet folgend, schlugen ihn 
bei Gudsiba, wobei Fad el Allah selbst getödtet 
wurde. Die ganze Kriegsbeute, bestehend in Waffen, 
Kleidern, Stoffen, Sklaven 2c. wurde nach Dikoa, 
woher die meisten Leute stammten, zurückgeführt und 
dem Sultan Gerbeil, also dem Sultan von Deutsch- 
Bornu, übergeben. Die Franzosen selbst ließen in 
Dikoa Garnison zurück, zur Sicherung der dortigen 
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Verhältnisse. Als Ende vorigen Jahres die Engländer 
den Sultan von Yola geschlagen hatten und ihre 
Expedition in das Gebiet westlich des Tsadsees aus- 
dehnten, schickte der englische Oberst Morland einen 
Hauptmann nach Dikoa und ließ den Sultan Gerbeil 
zu einer Unterredung auffordern. In Maidoggurri 
fand diese Besprechung statt, wobei Gerbeil auf- 
gefordert wurde, mit seinem ganzen Volke, Hab und 
Gut auf englisches Gebiet überzusiedeln, denn 
Englisch-Bornu sei viel größer und reicher als 
Deutsch-Bornu. Auch versprachen ihm die Engländer, 
Kuka wieder aufzubauen und in seinem Gebiet 
Eisenbahnen herzustellen. Nach nochmaligen Ver- 
handlungen, die diesmal der englische Hauptmann 
Mac Carthy Morrogh führte, gelang es, Gerbeil 
zur Uebersiedelung zu bewegen. Rittmeister Dangeville, 
von diesen Verhandlungen Kenntniß bekommend, ge- 
rieth mit dem englischen Hauptmann, indem sie sich 
gegenseitig das Recht der Anwesenheit in Deutsch- 
Dikoa bestritten, in Zwistigkeiten, die damit endigten, 
daß Dangeville, als Gerbeil mit einigen wenigen 
Großen und Gefolge auf englisches Gebiet über- 
getreten war, in einer Nacht den Rest der 
Großen von Dikoa, die mit der Uebersiedelung 
überhaupt nicht einverstanden waren, zusammenrief, 
einen neuen Sultan, den jetzigen Sanda, wählen 
ließ, und dieser nun das Recht hatte, den weiteren 
Auszug zu verbieten. Auf einen Brief von mir an 
den in Monogu, wohin inzwischen Gerbeil seinen 
Sitz verlegt hatte, residirenden englischen Offizier, 
worin ich bat, die Beschränkungen des freien Handels 
aufzuheben, bekam ich eine Antwort, worin mich 
Hauptmann Mac Carthy Morrogh um eine Unter- 
redung bat. Nachdem ich ihn durch einen meiner 
Offiziere an der englischen Grenze hatte empfangen 
lassen, stellte er mir die Sache in englischer Auf- 
fassung dar. Hauptmann Mac Carthy war zwei 
Tage mein Gast, und nachdem er zugesichert hatte, 
alle Schwierigkeiten zu vermeiden, vor allen Dingen 
auch den Versuch einzustellen, eine weitere Ent- 
völkerung Dikoas herbeizuführen, bis die ganze 
Angelegenheit durch die beiderseitigen Regierungen 
geordnet, auch die Grenze genau festgelegt sei, ver- 
ließ er mich, von zweien meiner Offiziere bis an die 
Grenze geleitet. 7) 
Rittmeister Dangeville verließ mit seinen Truppen 
am Tage nach der offiziellen Besitzergreisung Dikoa 
und marschirte nach Fort Lamy. Ich gab ihm mit 
meinen Offizieren eine Strecke das Geleit. Die 
Freude und Dankbarkeit der Dikoaner über die 
*) Nach einem in Nr. 19 des Deutschen Kolonial= 
blattes veröffentlichten Bericht des Oberleutnants Dominik 
ist das Verhältniß zu den englischen Nachbarn inzwischen 
bekanntlich in zufriedenstellender Weise geregelt. Der 
britische Resident hat den Verkehr für Unbewaffnete nach 
Deutsch-Bornu freigegeben, und es hat eine Einigung über 
eine vorläufige Grenzlinie, Auslieferung der Wassen über 
die Grenze und anderr lokale Interessen stattgefunden.
	        
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