Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVI. Jahrgang, 1905. (16)

1. Uber die Lebensverhältnisse und Lebens- 
bedingungen der Eingeborenen, über ihre Fortent- 
wicklung zur Kultur, ihre Heranzlehung zu industri- 
eller oder ländlicher Tätigkeit und zur Mitarbei 
am staatlichen Leben. « 
2. Uber die verschiedenen Bedingungen, unter 
denen es Eingeborenen erlaubt ist, Lond zu besitzen. 
3. Uber die Eingeborenengesetze und die die 
Eingeborenen betreffenden Verordnungen bezüglich 
der Verwaltung in ländlichen und städtischen Bezirken. 
ber das Verbot des Verkaufs von Spiri= 
tuosen an Eingeborene. 
5. Uber die Ehen der Eingeborenen, und 
6. Über die Ausdehnung und Wirkung der 
Polygamie. 
Alle diese Fragen sind von der Kommission auf 
das eingehendste geprüft und gleichzeitig Vorschläge 
zu ihrer Lösung gemacht worden. Angesichts der 
höheren und niederen Kulturstufen, der verschiedenen 
Eingeborenenstämme, der mannigfaltigen und selbst in 
den Distrikten der einzelnen Staaten stark voneinander 
abweichenden Eingeborenen-Gesehgebung ist sich zwar 
die Kommission bewußt geworden, daß ein einheit- 
liches Vorgehen in allen, die Eingeborenen berühren- 
den Fragen, erst allmählich angebahnt werden könne, 
sie hält es jedoch für dringend erforderlich und auch 
möglich, das Ziel einer gleichmäßigen Eingeborenen- 
behandlung allmählich zu erreichen. 
Nach einer kurzen historischen Übersicht, in der 
vielleicht bemerkenswert ist, daß nach den letzten 
statistischen Angaben Britisch = Südafrika von fast 
fünf Millionen Eingeborenen — ohne Einrechnung 
der halben Million Inder, Chinesen und Japaner — 
und nur etwas über einer Million Weißen bewohnt 
wird, beschäftigt sich der Bericht zunächst mit den 
Grundbesitzverhältnissen der Eingeborenen. Die 
Kommission kommt hierbel zu dem Schlusse, daß 
nach Möglichkeil darauf hinzuwirken sei, den Kom- 
munalbesitz der geborenen in Individualbesitz 
umzuwandeln, um hierdurch allmählich die Eingebo- 
renen zu europäischen Kulturbegriffen zu erziehen, 
das Land ertragreicher zu machen und vor allem die 
Stammesgemeinschaft zu brechen. Es wird ferner 
als wünschenswert bezeichnet, Eingeborenen den Er- 
werb von ländlichen oder städtischen Grundstücken 
nur in bestimmt festgelegten Distrikten zu gestatten. 
Die Kommission befürwortet ferner, den Ein- 
geborenen-Häuptlingen mehr und mehr die Gerichts- 
barkelt zu nehmen und diese Gerechtsame durch Ent- 
schädigung der Häuptlinge abzulösen. Sie spricht 
sich gegen das Bestehen besonderer Eingeborenen- 
Appellationsgerichte aus und wünscht zum mindesten 
diese Gerichtshöfe unter die Aufsicht der Supreme 
Courts gestellt zu sehen. 
Die Kommission empfiehlt dagegen Mäßigung 
gegenüber den unter den Eingeborenen geltenden 
Familienrechten, selbst sofern sie europäischer Kultur 
und Moral widersprechen. Die Kommission geht 
dabei von der Ansicht aus, daß Polygamie sowie 
„Lobolo“ (Gaktinnenkauf) durch die steigende Kultur 
  
  
und das Anwachsen der Lebensbedürfnisse im Aus- 
sterben begriffen sind. Die Kommission schlägt elnst- 
weilen nur vor, alle Eingeborenen-Ehen zu registrieren 
und Kinder aus polygamischen Ehen, die registriert 
sind, zur Erbfolge zuzulafsen. 
Über die äthiopische Bewegung läßt sich die 
Kommission nur wenig aus. Sie hält die Bewegung 
zur Zeit noch nicht für gefährlich und glaubt, daß 
es opportun ist, von staatlichen Unterdrückungsmitteln 
zunächst abzusehen. Auch in der freien Gewährung 
der noch sehr unreifen Eingeborenenpresse vermag 
die Kommission zur Zeit noch keine Gefahr zu sehen. 
Sie hält vielmehr diese Presse in soweit für nützlich, 
als dadurch die jeweilige Stimmung der Eingebo- 
renen kennen gelernt werden kann. 
Hinsichtlich der Erziehungsfrage glaubt die 
Kommission von einem Schulzwange der Eingeborenen 
abraten zu sollen, sie ist dagegen der Ansicht, daß 
Elementarschulen nach wie vor von Staats und 
Kommunal wegen zu unterstützen seien, aber auch die 
wessbnenen zu Schulabgaben herangezogen werden 
ollten. 
Die Kommission will ferner den Verkauf von 
Spirituosen an Eingeborene gänzlich verbieten und 
nur den Ausschank des sog. „Kafferbiers“ gestatten. 
Weiter ist in dem Kommissionsbericht daß Ver- 
hältnis der Eingeborenen hinsichtlich ihrer Pflichten 
und Rechte dem Staate gegenüber behandelt und 
dabei zunächst ihre Heranziehung zur direkten Be- 
steuerung in der Art einer Hütten- oder Wahlsteuer 
mit der Maßgabe befürwortet, daß diese zweckmäßiger- 
weise einheitlich auf ein Minimum von jährlich ein 
Pfund Sterling festzusetzen sein möchte. 
Interessant sind schließlich die Darlegungen und 
Vorschläge der Kommission über die den Eingebo- 
renen zu gewährende Vertretung im Parlament. 
Das bisher bestehende System, nach dem die Ein- 
geborenen gemeinsam mit den Weißen wählten, hält 
die Kommission für durchaus unangebracht. Tat- 
sächlich hat sich auch in der Kapbkolonie bereits er- 
geben, daß bel der ziemlich gleichen Stärke der 
Afrikander= und der progressiven Partei die Stimme 
der Eingeborenen ausschlaggebend für den Sieg der 
einen oder anderen Partel ist, was zum Stimmenkauf 
der Eingeborenen führt. Die Kommission kann ferner 
nicht verhehlen, daß bei der erheblich größeren Zu- 
nahme der schwarzen gegenüber der weißen Bevöl- 
kerung die Eingeborenen bel dem Bestehen des gegen- 
wärtigen Systems die Oberhand im Parlament mit 
der Zeit gewinnen müssen. Um dieser Gefahr zu 
begegnen, schlägt die Kommission vor, eine in jeder 
Legislaturperiode von neuem zu bestimmende Anzahl 
von Eingeborenen als Parlamentsvertreter zuzulassen, 
die aus abgesonderten Wahlen der Eingeborenen 
hervorzugehen hätten. Damit würde nach Ansicht 
der Kommission den Eingeborenen ein genügendes 
Vertretungsrecht eingeräumt und anderseits der Ge- 
fahr einer dermaleinstigen Mojorität der Eingeborenen 
im Parlament begegnet werden. 
 
	        
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