Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

auf Menschen!“ wird zwar auch durch einige nahe- 
liegende Beisplele gut unterstützt, am schlagendsten 
aber wirkt sie in dem Gleichnis: „Denn wer sich 
auf Menschen verläßt, gleicht dem Manne, der sich 
in des Urwalds steilen Schluchten an einem zer- 
fressenen Stamme halten will. Er wird mit ihm 
zusammen in die Tiefe stürzen.“ Das Bild wirkt 
deshalb so ausgezeichnet, weil die von Ameisen zer- 
fressenen Stämme äußerlich starl und fest aussehen, 
bei kräftigem Zugrelfen aber wie Staub zerfallen. 
Die Aufforderung aber: „Vertraue auf Gott!“ wird 
wirkungsvoll unterstützt, wenn ich fortfahre: „Denn 
er ist wie ein harter Schild im Feindesgetümmel, 
wie ein blonker Speer in der Faust.“ Kraftbewußt- 
sein und Tatenlust sind die unmittelbaren Gekühle, 
welche durch die knappen Bilder hervorgerufen 
werden, und mit leuchtenden Augen werden sie weiter 
hören wollen von dieser Quelle der Kraft. Die 
Torheit der Leute, welche ihr Glück nur in der 
Erwerbung irdischer Güter suchen, ist gekennzeichnet 
mit den Worten: „Sie gleichen dem Manne, der 
Wasser in selnem Tuche aufbewahren will; sie sind 
wie ein Tor, der sein Haus auf einen Termiten- 
hügel baut.“ " 
Manche Bilder, die wörtlich mit biblischen Aus- 
drücken übereinstimmen und deshalb sehr zur Ver- 
wendung einladen, müssen doch recht genau angeschaut 
werden und find jedenfalls nur zu verwenden, wenn 
man zuvor nachgewiesen hat, wie sie meist als leere 
Redensart unter den Menschen gebraucht werden, nun 
aber vor Gott einen neuen Inhalt bekommen. Das 
gilt z. B. von einer Anrede an ihren Häuptling: „Du 
bist unsere Speise, die wir essen Tag und Nacht.“ 
Wie glücklos ein Mensch ohne Gott sel, läßt sich 
unmittelbar zeigen, wenn man an das Lied anknüpft: 
  
„Ehe wir den Häuptling verlieren, wollen wir lieber 
des Wassers entbehren.“ Ungesucht und ungezwungen 
ergeben sich so mannigfaltige Bilder und Gleichnisse 
aus dem Sprachgebrauche von selbst. 
Von größtem Werte für die Einführung einer 
christlichen Wahrhei sind die unzähligen Sprich- 
wörter. Knapp und von schöner Form find sie oft 
das Ideal einer solchen Sentenz. Sie sind ein fast 
nie versagendes Arsenal trefflicher Hilfsmittel für 
die Heidenpredigt, sei es zur Illustratlon oder als 
Ausgangs= und Anknüpfungspunkte. Der erzieherische 
Wert der Trübsal läßt sich schön erweisen an dem 
Sprichworte: „Unterm Stampfer wird die Bohne 
kund“ (ihrem Werie oder Unwerte nach), oder an 
dem anderen: „Wen noch kein Unglück traf, der ist 
noch nicht zum Manne herangereift.“ Das Ver- 
ständnis für die langsamen, aber gewissen Gerichte 
Gottes vermittelt das Sprichwort: „Das Wasser 
fault nicht an dem Tage, wo es geschöpft wird.“ 
Die Sprichwörter können aber auch dazu dienen, 
aufzuweisen, wie unzulänglich alle Erfahrungsweisheit 
der Menschen vor der Kraft unseres Heilandes ist, 
wie sich z. B. in der Nachfolge Jesu dennoch erfüllt, 
was die Volksweisheit als ausgeschlossen betrachtet, 
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wenn sie sagt: „Unglück kann sich nicht in Segen 
verwandeln.“ Ein solches Ausgehen vom Gegenteile 
kann ja bekanntlich sehr wirkungsvoll werden. Für 
die Größe der Liebe Gottes, der seines einzigen 
Sohnes nicht verschonte, kann man eine Ahnung 
erwecken, wenn man sie an ihren Spruch erinnert: 
„Den einzigen Sohn läßt man nicht in den Krieg 
iehen.“ 
bin hler ließen sich die Beispiele leicht ver- 
mehren, aber es wird aus dem wenigen schon er- 
sichtlich sein, welchen Wert die Kenntnis der Spruch- 
poesie des Volkes für uns hat. Wir finden sie in 
keinem Buche aufgezeichnet, sondern müssen sie müh- 
sam vom Volke erlauschen und jeder Spur eifrig 
nachforschen, denn es ist unglaublich, wieviel hier 
vom Zufall abhöüngt. Die Leute brauchen sie wohl 
täglich, aber sie find nicht imstande, einem anderen 
darüber Rechenschaft zu geben. Um so eindrucks- 
voller ist es freilich, wenn sie dann aus dem Munde 
des Fremden ihre eigenen Sprüche vernehmen und 
erkennen, wie sie dem Evangelium dienen, seiner 
Wahrheit und Herrlichkeit. 
Weiteres Material zur Vermittlung unserer 
Botschaft sind die Anknüpfungen an die Sitten und 
Gebräuche des Volkes. Ich will hier nur ein Bei- 
spiel herausgreifen: · » 
Wenn die Männer siegreich aus einem Kriege 
heimkehren, veranstaltete früher der Häuptling ein 
großes Freudenfest und schlachtete viele Ochsen, deren 
Fleisch an alle Teilnehmer, auch an Frauen und 
Kinder, vertellt wurde. Brust und Höcker eines 
Stieres legte er an einen besonderen Platz mit den 
Worten: „Wen's gelüstet, schneide sich hiervon 
herunter.“ Doch wagen es nur jene Männer, welche 
sich besonders tapfer im Kriege gezeigt haben. Tritt 
dennoch einer hinzu, der dieses Ruhmes nicht würdig 
ist, so verjagen ihn die anderen mit Schlägen und 
großem Schimpf. Hieran erkennt der Häuptling 
seine tapferen Männer, auf die er sich verlassen kann. 
Wenn ich diese hier nur kurz skizzierte Szene aus- 
führlich entwickelt habe, kann ich wahrnehmen, daß 
sich die anfänglich so teilnahmslosen Gesichier beleben. 
Die Augen des einen blitzen mir stolz entgegen, 
denn er hat auch von diesem „Uberwältiger des 
Ruhmes“ gegessen; der andere senkt sein Gesicht 
mit beschämtem Lächeln. Man hat ihn wohl einst 
zurückgejagt unter die gaffenden Weiber. Alle aber 
schauen mich erwartungsvoll an mit dem Gedanken: 
„Was wird er wohl damit sagen wollen“. Und 
nun fahre ich fort, dieses Bild aus der eigenen 
Vergangenheit auf das Reich Gottes zu deuten. 
Wie hier der Häuptling, so handelt auch Gott: er 
tellt alles Erdengut (wie der Häuptling daß übrige 
Fleisch) an alle Menschen aus und macht keinen 
Unterschied zwischen Guten und Bösen usw. Aber 
sein ewiges, unvergängliches Gut, die Gemelnschaft 
in seinem Himmelreiche, schenkt er nur den Mutigen, 
die den Kampf mit der Sünde tapfer aufnehmen, die 
sich selbst bezwingen, die es wagen, dem Rufe Gottes
	        
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