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kommenden Gebiete erfreut, worin eine Fülle von
Fragen, die sich einem Visitator in einem so wenig
bekannten Missionsgeblet aufdrängen, beantwortet
waren. Seine mannigfachen Reisen und die vlelseitige
Berührung mit den Eingeborenen der verschiedenen
Distrilte hatten ihm den Stoff geliefert. Welche
tlef eingreifenden, das afrikantsche Völkermeer er-
regenden Vorgänge müssen hier gespielt haben, um
ein solches Durchelnander zu schaffen, wie wir es im
Umkreis unserer Stationen vorfinden! Nirgends hat
man es mit einem Stamm allein zu tun, überall
finden sich in größerer oder kleinerer Zahl Glieder
anderer Stämme eingesprengt oder ongefügt mit oft
recht abweichendem Dialekt und auch sonst in die
Augen springenden Verschiedenheiten, die namentlich
in der Bauart der Hütten hervortreten. Alte, fest-
gefügte Volkszusammenhänge sind durch die Kriege
eines Mirambo und anderer nach Machterweiterung
strebender Sultane oder durch soziale Notzeiten, wie
die große Hungersnotperkode vor etwa 20 Jahren,
zerrissen worden. Wie viele heidnische Sitten und
Anschauungen mögen sich dabei gelockert oder schon
verflüchtigt haben.
Vor dem Christentum hat schon der Islam
seine Hand auf Innerafrika gelegt. Er entfaltet
namentlich in Tabora eine bedrohliche Macht. Im
öffentlichen Leben der Stadt scheinen, soweit ich
nach einem flüchtigen Besuch urteilen kann, die
Suaheli und Valungwana, die „Leute von der
Küste“, eine hervorragende Rolle zu spielen, und
jedenfalls sind sie der Teil der Bevölkerung, der
durch seinen Kleinhandel und durch eine verwandte
Sprache wie afrikanische Herkunft den bedeutendsten
Einfluß auf die eigentlichen Eingeborenen gewonnen
hat und bisher gewinnen konnte. Diese „Möhamme-
daner“ — wenigstens sind sie es äußerlich — nehmen
mit Vorliebe ihre Welber aus Stämmen von jenseit
des Tanganika, wie es scheint, besonders tilefstehenden,
in Heidentum und Aberglauben versunkenen Völkern.
Gleich beim Einmarsch in Tabora begegnete uns
eine Gruppe solcher mit auffallendem Kopfgehänge
und Laubgewinden geschmückter zur Trommel tan-
zender Weiber, die einen durchaus widerlichen Ein-
druck machten. Uberhaupt ist das sittliche Leben
unter den Eingeborenen dieser Großstadt auf einem
sehr niedrigen Niveau, weshalb wir uns auch unserer
Träger wegen nur so kurz als möglich hier auf-
hielten.
In Urambo hatte der Visitator die erste
Nlederlassung der Brlüdergemeine betreten. Aber
diese selnerzeit von der Londoner Mission übernommene
Station hat besonders schwierige Verhältnisse auf-
zuweisen, so daß die dem Alter der Nlederlassung
entsprechenden Erfolge noch fast ganz fehlen. An
den folgenden Missionsplätzen Sikonge und Ipole,
die erst. neuerdings angelegt sind, wird noch Pfad-
finderarbelt getan; daher gab es auch hier vorzugs-
weise Bau= und Kulturarbeiten, Anfänge der Schul-
arbeit und dergl. zu sehen. Hinter Kitunda und
Kipembabwe aber kam der Reisende in bie schon
am längsten (selt 1890) gepflegte Nyassamission.
Seinen Einzug in Rungwe beschreibt er in fol-
gender Weise:
Auf der Höhe eines Hügels zeigt sich eine bei
unserer Annäherung zunehmende Menschenschar. Bald
sehen wir einige weißgekleidete Gestalten uns ent-
gegenkommen; es sind 6 der Gehilfenschüler von
Rungwe, und hinter ihnen her, dem gravitättisch
daherschreitenden Dorfältesten folgend, eine große
Schar dunkler Gestalten, Kondemänner, Speer oder
Stock in der Hand, einige haben auch Schellen an
den Füßen; es ist der Willkommen der heidnischen
Dörfler. Von dem vielen Händeschütteln ist auch
meine Hand, ja der schneeweiße Armel meiner leichten
für die festliche Gelegenheit eben angelegten Joppe
rot gefärbt. Auch Frauen drängen sich herzu; die
Kinder sitzen sicher geborgen rittlings in einem Felle,
das die Mutter über den Rücken gespannt hat. Mit
jedem Augenblick mehrt sich die Schar. In einem
kriegstanzähnlichen Marsch geht es durch einige
Bananenhaine mit freundlichen Hütten zur Rechten
und Linken, bis wir uns schließlich im letzten Dorfe
an der Grenze des Missionsbesitzes von der auf
elnige Hunderke angewachsenen Menge verabschleden.
Wenige Minuten später befinden wir uns zwischen
den Bananen des Christendorfes. Von fern her
grüßt uns der Klang der Glocke, eine Ehrenpforte
mit großen Palmwedeln enthält eine Inschrift in
Kyniaklusa: „Willkommen in dem Namen des Herrn
Jefu“, der auf der Rückselte die deutschen Worte
gegenüberstehen: „Der Herr segne deinen Eingang“.
Vor der Kirche zur Rechten aber stehen die Missions-
geschwister und um sie her die Christen der Rungwe-
Gemeinde. Als der Gesang verstummt, begrüßt
mich Br. Zickmantel in deutscher Sprache, einer der
Helfer in Kyniakius. Ich erwidere auf beildes.
Dann gilt es die Geschwister und ihre Kinder zu
grüßen.
Welche Fülle von Aufgaben hat der Herr mit
dlesen noch ganz rohen Heidenscharen der Mission
gestellt, wie hat er bereits die Wege zum Vertrauen
der Leute in die Missionare gebahnt! Und hier
fand ich mich nun zum ersten Male inmitten einer
größeren Christengemeine, deren ganze Erscheinung
schon elnen scharsen Kontrast zu der umgebenden
Heidenwelt bildete. Hier hat das Evangelium an-
gefangen seine Wurzeln zu schlagen. Elne Numwaglle
bezeugte durch die Wahl ihres Taufnamens „Ich
habe ihn gefunden“, elnalter Safwahelfer, Mbangigwa:
„Ich bin erlöst“, ein Niganile „Ich will“. Und
schon sind die Erstlinge dieser Schar ausgegangen
und haben in den Dörfern ringsum bis nach Hoch-
safwa hinein, auf den Mallla hinauf, in die Ebene
hinab ihren Landsleuten von diesem Jesus erzählt,
den man finden kann, der erlöst und der das Herz
fählg und bereit macht, ihm folgen zu wollen.
Auch auf die mit der Missionstätigkeit verbundenen
praktischen Kulturarbeiten kommt der Visitations=