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feierlichen Empfang. Am dritten Tage nach ihrer
Ankunft ertönten die großen Elfenbeinhörner, die das
Volk von Bali bei besonderen Anlässen zusammen-
rusen. In der Mitte des Marktplatzes, wo sich die
Steinpyramide befindet, von der aus die Staats-
reden des Herrschers gehalten werden, spielte eine
. Musikbande auf Trommeln und Flöten. Am Ein-
gang des Palastes, der unmittelbar am Marktplatz
liegt, wehte auf der einen Seite die schwarz-weiß-
rote Flagge, auf der anderen das weiße Bali-
Banner. Vor dem Tor war auf dem Erdboden
eine Rindshaut ausgebreitet, worauf ein mit Perlen
reich verzierter Schemel stand, der Sitz des Königs,
rechts und links eine Anzahl anderer Schemel für
die Gäste. Von allen Seiten strömten festlich ge-
schmückte Männer, Weiber und Kinder herbel. Als
die Missionsleute hier einige Minuten gewartet
hatten, entstand plötzlich tiefe Stille. Alles schaute
nach dem Eingang des Gehöfis. Da erschien „er"
in einem wallenden, dunkelroten, samtenen Haussa-
gewand. Auf dem Kopfe trug er eine aus ein-
heimischer Baumwolle gestrickte Zipfelmütze. Er
schrtt auf die Ankömmlinge zu, reichte ihnen die
Hand zum Gruß und lleß sich dann auf seinen
Staatsschemel nieder. Seine Göste forderte er auf,
ebenfalls Platz zu nehmen. Währenddem klatschte
die versammelte Menge, die eine gebückte Haltung
einnahm, im Takt in die Hände und huldigte ihm
dabei: „Tsawe mfonl“ „Tsawe mfon!“ Das
bedeutet etwa: „Mächtigster König!"“ Wörtlich:
„Du übertriffst" (nämlich alle anderen). Etwas
seitlich hockten etwa 30 bis 40 alte Balimänner in
langen Gewändern, ihre großen Pfeifen rauchend
und die Neulinge mit ihren Blicken musternd. Nun
gab der König den in der Nähe stehenden beiden
Bläsern ein Zeichen, wonach diese ihren Elfen-
beinhörnern schmetternde Töne entlockten. Nach
diesem Signal setzte eine Musikkapelle ein, und
der Tanz begann. Alles bewegte sich anmutig im
Kreise, Männer und Weiber, alt und jung.
Währenddem trugen einige Königsweiber gekochten
weißen Palmwein und saftige Bananen auf. Eine
Frau verscheuchte mit einem Pferdeschweif, dessen
Griff mit Perlen verziert war, die Fliegen aus der
Nähe des hohen Herrn; eine andere hockte am Boden
und kredenzte aus einer Kürbisschale den warmen
Palmwein. Der König frug die Missionsleute, ob
sie gut gereist seien, was sie bejahen konnten. Gegen
W verstummte die Musik, und alles ging nach
ause.
1 den gegenwärtigen Stand der Missions-
tätigkeit im Grasland suchte der Generalpräses Lutz
von Buea im Verein mit dem Missionar Stolz von
Bonaku durch eine im vorigen November und De-
zember unternommene Besuchsreise Klarheit zu ge-
winnen. In seinem Bericht schreibt er u. a.: „Beim
Examen in der Schule zu Bali, zu dem sich auch
der König einstellte, durften wir uns überzeugen, daß
die Schüler in der biblischen Geschichte schon recht
zu Hause sind. Auch im Lesen, Schreiben und
Rechnen sind gute Fortschritte zu verzeichnen. Vor
allem wird der Gesang gepflegt, und Missionar Ernst
hat schon eine ganze Anzahl Lieder in die Ball-
sprache übertragen; seine Schüler singen einige
dreistimmige Lieder ganz ordentlich. Missionar
Göhring, der eine Druckerpresse und die notwendigsten
Buchbindereiwerkzeuge mitgebracht hat, ist gegen-
wärtig damit beschäftigt, eine Fibel und die biblische
Geschichte zu drucken. Wenn auch der König keine
so großen Erfolge im Lernen mehr erzielen wird
wie seine jugendlichen Untertanen, so bekommt er
doch allmählich einen weiteren Blick; er wird auf die
heidnischen Schäden in seinem Lande aufmerksam und
lernt sie anders beurteilen. Im Gegensatz zu vielen
seiner Untertanen ist der Balikönig sehr flelßig.
Er geht selbst auf seine Felder und beaufsichtigt
seine Arbeiter und Weiber. Auch beim Bau der
Schulhäuser oder der Kapelle stellt er sich ein und
sieht nach, daß alles recht gemacht wird.“
Daß die Missionare das Vertrauen Fonyongas
und der Häuptlinge in der Nachbarschaft gewonnen
hatten, zeigte sich bei den polltischen Unruhen, die
im Sommer 1905 ausbrachen, als der Höäuprling
von Bawatju, einer drei Tagereisen von Bali ent-
fernten Stadt, erschossen war. Sie vermittelten
damals mit dem Chef von Bamenda, in dessen
Bezirk sie wohnen. Es gelang ihnen auch, die Be-
wohner der noch weiter entfernten Stadt Bansoa
zur Ruhe zu bringen. Fonyonga aber fiellte dem
Stationschef 1000 Balimänner zur Verfügung, als
es galt, das aufständische Fongu zu züchtigen.
Die erste namhafte Erwelterung der Bali-Mission
bahnt sich allem Anschein nach in der mehrere Tage-
reisen östlich gelegenen großen Stadt Bamum an.
Die beiden Visitatoren reisten im Anschluß an ihren
Besuch in Bali dorkhin und wurden dabei von zwei
Missionaren aus Bali und vielen der dortigen
Schüler, die gerade Ferien hatten, begleitet. Missionar
Stolz schreibt darüber in der Mainummer des
„Heidenboten“: Bamum ist eine große befestigte
Stadt. Früher sollen Reiter aus Norden gekommen
sein und sie zweimal niedergebrannt haben, weshalb
der Großvater des jetzigen Königs seine Residenz
befestigte. Letzterer begrüßte uns. Er entschuldigte
sich, daß er uns nicht entgegengekommen sei; er habe
gar nichts von unserm Kommen gewußt. Darauf ließ
er uns in unsere Herberge bringen, die luftig und
geräumig war. Kaum waren wir in unserm Quarteer,
als auch schon 20 Abgesandte von ihm kamen und
Begrüßungsgeschenke brachten. Wir erhielten auch
an den folgenden Tagen alles, was wir zum Unter-
halt bedurften. Der König Nyoya soll 26 Jahre
alt sein. Er ist nicht sehr groß, aber kräftig gebaut
und macht einen guten Eindruck. In seinen Zügen
liegt etwas Gutmütiges; dabei ist er eine ruhige,
überlegende Natur. Zunächst interessierte er sich sehr
für unsere heimatlichen Verhältnisse und war erstaunt
zu hören, daß man ihn in Deutschland kaum „König“